Trip 2024 Zuhören

tilt shift photo of acoustic drum set Lesedauer 3 Minuten

Niemand muss alles wissen oder können, aber man kann den Menschen zuhören und von ihnen lernen. Vor einem Tattoo -Studio traf ich heute zwei Männer, bei denen mir jetzt noch nicht klar ist, wie die zueinander gefunden haben. Der eine, ein Typ aus Sri Lanka, ziemlich betrunken, ließ sich zusätzlich zum Adler von letzter Woche, eine seltsame Wunde am Hals stechen. Damit fertig, legte er mit einer Schildkröte am Knöchel nach. Gut … der spannende Part war sein Begleiter. Ein 78-jähriger Ire aus Belfast, weit herumgekommen und ehemaliger Produzent diverser Bands. Die Namen sind Schall und Rauch, aber jeder, der in den 80ern aufwuchs, kennt ihre Namen. Er erzählte mir von dem “Old Grey Whistle Test”. Mag sein, dass der unter Musikern bekannt ist … für mich war der neu. Zwei Produzenten einer BBC Music Show spielten anfangs der 70er Jahre Türstehern Songs vor. Wenn die nach zweimaligen Vorspielen den Song mitsingen oder Pfeifen konnten, waren sie sich sicher, dass es ein Hit wird. Und irgendwie war mein Gesprächspartner involviert.

Im Verlauf des Gesprächs kamen wir auf THE POLICE und den Drummer Copeland zu sprechen. Von dem wiederum wusste ich – vom Zuhören – dass er eine Vergangenheit in Beirut und Ägypten hatte, weshalb er als Schlagzeuger andere Rhythmen spielen konnte, als Musiker anderer Bands. Damit war ich im Spiel und bekam eine Story nach der anderen von Ted Nugent, Queen, Gary Numan, Gary Moore und anderen geliefert. Als ich dann noch erwähnte, von der Story gehört zu haben, dass Gary Moore bei anderen alten Bluesmusikern anfragte, ob es OK ist, dass er ein Blues-Album herausbringt … waren wir beste Freunde. Allgemein wird immer behauptet, dass sogenanntes Rucksack-Wissen, leeres sinnloses Zeug ist. Mag sein, aber es kann helfen. Einige Biere später gingen wir auseinander und ich zog weiter.

In einer Bar am Strand erkannte ich einen Typen wieder, der etwas schräg ist. Ich kann nicht genau einschätzen, was genau sein Problem ist, aber er wirkt merkwürdig. Im ersten Moment würde man sagen, debil, aber davon ist er weit entfernt. Er freut sich einfach über simpelste Dinge. Kennengelernt habe ich ihn, als er zusammen mit einer Reggae-Band als Drummer (mit einer einzigen Trommel) auftrat. Nun ja … ich hatte ja immer noch Copeland im Gepäck. Der Mann explodierte förmlich vor Freude. Ich sagte ihm, dass ich hörte, dass es verdammt schwierig ist, als nicht aus Jamaika kommender Drummer, diese Rhythmen zu spielen. Ich denke, jetzt hab ich einen neuen Freund und vor allem kenne ich jetzt sein gesamtes Equipment. Was ich sagen will: Der Abend startete völlig harmlos und ich bin wieder um einiges reicher. Aber der interessanteste Punkt war ein ganz kurzes Thema mit dem Produzenten.

Wir kamen auch auf West-Berlin und die Polizei zu sprechen. (Natürlich fragen alle, wie ein Typ in meinem Alter Reisen finanziert und ich will sie nicht anlügen.) Ohne jegliches Dazutun meinerseits, meinte der Ire: “1989 dachtet ihr Deutschen, vor allem bei der Polizei, dass ihr die kommunistische Polizei überzeugen könnt. Nein! Ihr hattet nicht auf der Rechnung, dass die ebenfalls alles ändern können. Und seit Ende der 90er ist die deutsche Polizei “narrow-minded”, wie die alte DDR Polizei.” Wow! Der Kerl sagte als internationaler außenstehender – Ire, aus Belfast – mal eben im Vorbeigehen, wozu ich Jahrzehnte benötigte. Man kann zu dieser Analyse stehen, wie man will … aber es ist etwas dran. Vielleicht ist der Blick auf die Behörde zu eng gefasst, und möglicherweise sollte man es auf die gesamte Gesellschaft beziehen. Der Punkt, und auch darin waren wir uns beide einig, sexuelle Freiheit und FKK, die Flucht aus dem enganliegenden System, wurde mit Offenheit verwechselt. De facto wurden viele Staatsbürger der DDR in einer Diktatur sozialisiert. Das hat Folgen, die oftmals übersehen werden. Bis dato war ich mir nicht bewusst, wie sehr Musikmanager die Gesellschaft analysieren. Aber an sich ist es logisch. Musik, der Mainstream, die Charts, sind bares Geld und natürlich schauen die Manager mit kaltem Kalkül auf die Entwicklungen. Am Ende des Tages muss ich sagen: Wieder einiges gelernt und neue Anregungen erhalten.

OK, dass ich mir die Beziehung zwischen dem Kerl aus Sri Lanka (40) und dem etwas älteren Manager nicht erklären kann … ist eine glatte Lüge. Der Manager ist verheiratet, Old School, aber der hat noch ein Programm nebenbei zu laufen. Why not, und es geht mich nichts an.


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Verfasst 31. März 2024 von Troelle in category "Allgemein", "Berlin", "Gesellschaft", "Kommunismus", "Kurzgedanken", "Lifestyle", "Philosophie", "Politik", "Politik u. Gesellschaft", "Polizei", "Psychologie", "Reisen

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