24 Dezember 2022

Aal

Aal, wie aalglatt! Jedes Hobby benötigt seine Grenzen. Hier im Glossar steht der Begriff obenan. Da ich derzeit wenig Lust verspüre, das Glossar passend zu programmieren, hier die Erläuterung dazu. Nach und nach sammeln sich hier die im BLOG häufiger verwendeten Stichworte. Oben in der Leiste kann danach alphabetisch gesucht werden.

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20 Dezember 2022

Anarchie

Anarchie ist ein Begriff, der sich auf einen Zustand der Gesellschaft bezieht, in dem es keine Regierung, keine zentrale Autorität oder keine formelle Ordnung gibt. In der Anarchischen Gesellschaft werden Entscheidungen von der Gemeinschaft getroffen und die Individuen leben nach ihren eigenen Regeln und Werten.

Anarchie ist eine ideale Gesellschaftsform, die von einigen Philosophen und politischen Denkern angestrebt wird, die der Ansicht sind, dass Regierungen und zentrale Autoritäten die Freiheit der Individuen einschränken und dass die Menschen in der Lage sind, ihre eigenen Angelegenheiten selbst zu regeln, ohne die Hilfe von Regierungen oder zentralen Autoritäten.

Es gibt verschiedene Ideen und Konzepte innerhalb der Anarchischen Philosophie, von denen einige eine komplett zentralisierungsfreie Gesellschaft fordern, während andere eine gewisse Form von zentralisierter Organisation befürworten, um gewisse Funktionen und Dienste zu erfüllen.

Die Anarchie ist ein umstrittenes Konzept und wird oft mit Chaos und Gewalt in Verbindung gebracht. Es gibt jedoch auch Beispiele für erfolgreiche anarchische Gemeinschaften, die sich auf Kooperation und Selbstverwaltung stützen.

Beispiele:
  1. Die Kibbuzim in Israel: Die Kibbuzim sind kommunale Gemeinschaften in Israel, die sich auf Gemeinschaftseigentum, gleiche Einkommensverteilung und Selbstverwaltung stützen. Sie haben keine formale Regierung oder zentrale Autorität und treffen Entscheidungen auf der Grundlage von Mehrheitsentscheidungen.
  2. Die Zomia in Südostasien: Die Zomia ist eine Region in Südostasien, die sich aus einer Vielzahl von autonomen Gemeinschaften zusammensetzt, die sich gegen zentralisierte Regierungen und Autoritäten wenden und sich auf lokale Institutionen und Gemeinschaftsregeln stützen.
  3. Die Kurdish Federation in Rojava: Die Kurdish Federation ist eine autonome Region in Nordsyrien, die sich auf demokratische Selbstverwaltung und direkte Demokratie stützt. Sie hat keine formale Regierung und alle Entscheidungen werden von der Gemeinschaft getroffen.
  4. Die Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung in Mexiko: Die Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung ist eine linksextremistische Guerillagruppe in Mexiko, die sich für indigene Rechte und eine zentralisierungsfreie Gesellschaft einsetzt. Sie lehnt formale Regierungen und Autoritäten ab und setzt sich für lokale Selbstverwaltung und direkte Demokratie ein.
  5. Die ZAD in Frankreich: Die Zone à défendre (ZAD) ist eine besetzte Zone in Frankreich, die von einer Gruppe von Aktivisten und Bauern besetzt wurde, um den Bau einer Autobahn zu verhindern. Die ZAD ist eine Gemeinschaft, die sich auf Prinzipien der Selbstverwaltung, direkter Demokratie und Gemeinschaftseigentum stützt und sich gegen staatliche Eingriffe und Unternehmen wehrt.

Beispiele für Anarchistische Autoren:

  1. Pierre-Joseph Proudhon: Proudhon war ein französischer Philosoph und politischer Aktivist, der als der “Vater des Anarcho-syndikalismus” bezeichnet wird. Sein bekanntestes Werk, “Qu’est-ce que la propriété?”, veröffentlicht 1840, lehnte das Konzept von privatem Eigentum ab und plädierte für die Abschaffung von Regierungen und die Schaffung von Arbeitergemeinschaften.
  2. Mikhail Bakunin: Bakunin war ein russischer Philosoph und politischer Aktivist, der einer der führenden Figuren der internationalen anarchistischen Bewegung im 19. Jahrhundert war. Er war ein Anhänger des Anarcho-kommunismus und vertrat die Ansicht, dass die Abschaffung von Regierungen und privatem Eigentum zur Schaffung einer freien Gesellschaft beitragen würde.
  3. Emma Goldman: Goldman war eine amerikanische Anarchistin und Frauenrechtlerin, die im frühen 20. Jahrhundert aktiv war. Sie war eine führende Stimme in der anarchistischen Bewegung und setzte sich für die Abschaffung von Regierungen, das Recht auf Gewerkschaften und die Emanzipation von Frauen ein. Ihr bekanntestes Werk ist “Anarchismus und andere Essays”.
  4. Noam Chomsky: Chomsky ist ein US-amerikanischer Linguist und politischer Aktivist, der sich für die Ideale der Anarcho-syndikalistischen Bewegung einsetzt.
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28 Dezember 2022

Über das Schreiben

Dilettanten, Dilettanten! – so werden Die, welche eine Wissenschaft, oder Kunst, aus Liebe zu ihr und Freude an ihr, per il loro diletto, treiben, mit Geringschätzung genannt von Denen, die sich des Gewinnes halber darauf gelegt haben; weil sie nur das Geld delektiert, das damit zu verdienen ist. Diese Geringschätzung, beruht auf ihrer niederträchtigen Überzeugung, dass Keiner eine Sache ernstlich angreifen werde, wenn ihn nicht Noth, Hunger, oder sonst welche Gier dazu anspornt. Das Publikum ist desselben Geistes und daher derselben Meinung: hieraus entspringt sein durchgängiger Respekt vor den „Leuten vom Fach“ und sein Misstrauen gegen Dilettanten.
In Wahrheit hingegen ist dem Dilettanten die Sache Zweck, dem Mann vom Fach als solchem, bloß Mittel …

Arthur Schopenhauer, „Über Schriftstellerei“.

Meiner Meinung nach lag das Hauptproblem immer in dem Unterschied zwischen Literatur und Leben und dass die, die Literatur schrieben, nicht das Leben beschrieben, sodass die anderen, die nur ihr Leben lebten, von der Literatur ausgeschlossen waren.

Charles Bukowski

Ein Mann sollte erst schreiben, wenn er etwas unterhalb der Gürtellinie erlebt hat.

Henry Miller

An der Stelle gebe ich mal etwas sehr Persönliches preis. Wenn mir alles zu viel wird, begebe ich mich im Geiste auf eine Reise, die mich zu einer kleinen Gartenlaube führt. Dort sitzen mit einer Flasche Whisky Bukowski und Henry Miller im Halbschatten auf einer Bank. Die beiden begrüßen mich mit einem freundlichen “Hallo!” und gießen mir ein Glas ein. Bukowski kam mit der bürgerlichen Heuchelei nicht klar. Sie war ihm zuwider. So sehr, dass er sich durch das Leben soff. Er schilderte einmal, dass er pro Nacht etwa fünf Seiten tippte und dann betrunken einschlief. Nach dem Aufwachen stellte er dann fest, dass nur eine halbwegs brauchbar war, die er dann seinem Verleger schickte. Ich denke, man darf sich bei ihm nichts vormachen. Oftmals schrieb er lediglich über das, was er auf seinen Touren erlebte. Davon war vieles banal. Aber immer mal wieder hatte er Geistesblitze.
Henry Miller schrieb ebenfalls über seine Touren, Eskapaden, Affären und schnellen sexuellen Erlebnisse. Er tat es nur ausführlicher, mit ein wenig mehr Esprit und vor allem war er schräger unterwegs. “Im Wendekreis des Krebses” las ich erstmals mit 16 Jahren. Er zeigte mir erstmals eine Welt jenseits der moralischen Grenzen, innerhalb derer ich aufwuchs.

Ich denke, der alte Schopenhauer und die beiden Kult-Autoren lagen ganz richtig. Wenn man auf Publikum, Geld, Ruhm, aus ist, sollte man sich die Sache mit dem Schreiben überlegen. Gleiches gilt, wenn man alles einem anderen vorlesen muss, um sich eine positive Rückmeldung abzuholen.

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24 Mai 2023

Brindisi

Ich war 2023 nur zwei Tage in Brindisi. Insofern kann ich über die Stadt an sich nicht viel sagen. Aber durchaus einige Tips zur Anreise und Abreise geben. Vom Hafen und Airport führt eine Buslinie in die Innenstadt. Die Haltestelle am Hafen, direkt neben dem Pförtner am Eingang (Zufahrt, nicht das Gebäude) sieht nicht nicht vertrauenserweckend aus, aber sie ist in Betrieb. Ein Ticket kann für 2 EUR beim Fahrer gekauft werden. Ist man bereits in der Stadt und will wahlweise zum Flughafen/Hafen, kann man ein Ticket für 1,10 EUR in Bars und Kiosks kaufen.

Von der Innenstadt aus, ist die Haltestelle direkt vor dem Bahnhof. Über die Straße hinweg, auf der linken Seite befindet sich eine Coffee-Bar „Caffee Italia“ mit einem Spitzen-Espresso. Dort wiederum gleich ums Eck ist die empfehlenswerte Unterkunft B&B Station (2023, 40 EUR, was in Brindisi auch dem Preis für ein Hostel entspricht).

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24 Dezember 2022

Buddhistisches Manifest

Deutsche Buddhistische Union

Ich bekenne mich zum Buddha als meinem unübertroffenen Lehrer. Er hat die Vollkommenheiten verwirklicht, und ist aus eigener Kraft den Weg zur Befreiung und Erleuchtung gegangen. Aus dieser Erfahrung hat er die Lehre dargelegt, damit auch wir endgültig frei von Leid werden.

Ich bekenne mich zum Dharma, der Lehre des Buddha. Sie ist klar, zeitlos und lädt alle ein, sie zu prüfen, sie anzuwenden und zu verwirklichen.

Ich bekenne mich zum Sangha, der Gemeinschaft derer, die den Weg des Buddha gehen, und die verschiedenen Stufen der inneren Erfahrung und des Erwachens verwirklichen.

Ich habe festes Vertrauen zu den Vier Edlen Wahrheiten:
Das Leben im Daseinskreislauf ist letztlich leidvoll. Ursachen des Leidens sind Gier, Hass und Verblendung. Erlöschen die Ursachen, erlischt das Leiden. Zum Erlöschen des Leidens führt der Edle Achtfache Pfad.

Ich habe festes Vertrauen in die Lehre des Buddha:
Alles Bedingte ist unbeständig. Alles Bedingte ist leidvoll. Alles ist ohne eigenständiges Selbst. Nirvana ist Frieden.

Ich bekenne mich zur Einheit aller Buddhisten, und begegne allen Mitgliedern dieser Gemeinschaft mit Achtung und Offenheit. Wir folgen dem Buddha, unserem gemeinsamen Lehrer, und sind bestrebt, seine Lehre zu verwirklichen. Ethisches Verhalten, Sammlung und Weisheit führen zur Befreiung und Erleuchtung.

Ich übe[1]Ein Abt sagte mal zu mir, wenn alle Buddhisten bereits vollkommen wären, würden eine Menge Erleuchtete in der Gegend herumlaufen. mich darin, keine Lebewesen zu töten oder zu verletzen, Nichtgegebenes nicht zu nehmen, keine unheilsamen sexuellen Handlungen zu begehen, nicht unwahr oder unheilsam zu reden, und mir nicht durch berauschende Mittel das Bewusstsein zu trüben.

Zu allen Lebewesen will ich unbegrenzte Liebe, Mitgefühl, Mitfreude und Gleichmut entfalten, im Wissen um das Streben aller Lebewesen nach Glück.

Quellen/Fußnoten

Quellen/Fußnoten
1 Ein Abt sagte mal zu mir, wenn alle Buddhisten bereits vollkommen wären, würden eine Menge Erleuchtete in der Gegend herumlaufen.
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20 Dezember 2022

Das Sein und das Nichts

“Sein und Nichts” ist ein Hauptwerk des französischen Philosophen Jean-Paul Sartre. Es wurde 1943 veröffentlicht und ist ein grundlegender Text der Existentialismus-Philosophie.

In “Sein und Nichts” untersucht Sartre die Natur des menschlichen Selbst und seiner Beziehung zur Welt. Er argumentiert, dass das menschliche Selbst frei ist und die Verantwortung für seine Handlungen und Entscheidungen trägt. Das menschliche Selbst ist also nicht von der Natur oder von Gott bestimmt, sondern es schafft sich selbst durch seine Handlungen und Entscheidungen.

Sartre argumentiert weiter, dass das menschliche Selbst sich in der Welt durch seine Handlungen und Entscheidungen verwirklicht. Es ist also nicht nur frei, sondern auch verantwortlich für das, was es aus sich macht. Das menschliche Selbst ist also nicht nur ein passives Objekt in der Welt, sondern ein aktives Subjekt, das die Welt durch seine Handlungen gestaltet.

Sartre betont auch, dass das menschliche Selbst sich in Beziehungen zu anderen Menschen befindet und dass diese Beziehungen einen wesentlichen Einfluss auf das Selbst haben. Das menschliche Selbst ist also nicht nur frei und verantwortlich, sondern auch sozial und kommunikativ.

Insgesamt ist “Sein und Nichts” ein wichtiger Text der Philosophie, der die Freiheit und Verantwortung des menschlichen Selbst betont und die Beziehungen des Selbst zur Welt und zu anderen Menschen untersucht.

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24 März 2023

Edward Bernays

Edward Bernays (1891-1995) war ein amerikanischer Pionier im Bereich der Public Relations und gilt als einer der Väter des modernen Marketings. Er war ein Neffe von Sigmund Freud und nutzte die Erkenntnisse der Psychologie, um die Meinungen und das Verhalten von Menschen zu beeinflussen.

Bernays arbeitete für zahlreiche Unternehmen und Regierungsbehörden und war maßgeblich an einigen der bekanntesten Werbekampagnen des 20. Jahrhunderts beteiligt. Zu seinen bekanntesten Erfolgen zählt die Kampagne für American Tobacco, in der er Zigaretten als Symbol für Freiheit und Rebellion für Frauen vermarktete und damit die Nachfrage nach Zigaretten bei Frauen erhöhte.

Er gilt auch als Mitbegründer der modernen politischen Propaganda und war an Kampagnen beteiligt, die die öffentliche Meinung in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg und den Kalten Krieg beeinflussten.

Bernays’ Ansatz war geprägt von der Überzeugung, dass Menschen von irrationalen und emotionalen Motiven gesteuert werden, und dass es Aufgabe von Public Relations ist, diese Motive zu manipulieren, um das Verhalten von Menschen zu beeinflussen. Obwohl seine Methoden heute umstritten sind, gilt er als wichtiger Einfluss auf die moderne Werbung und politische Kommunikation.

Umstritten ist ein wenig zu milde ausgedrückt. Bernays musste einräumen, dass Goebbels seine Methoden adaptierte und für seine Propaganda verwendete.

Eine ganz besondere Rolle spielte er beim seitens der USA initiierten Staatsstreich in Guatemela. (https://www.youtube.com/watch?v=I3LcVaygmrk)

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20 Dezember 2022

Ethik und Moral

Ethik und Moral sind zwei Begriffe, die in der Regel als synonym verwendet werden, aber es gibt dennoch einen Unterschied zwischen ihnen. Ethik ist ein breiterer Begriff, der sich mit Fragen des richtigen Verhaltens und der Werte im Allgemeinen befasst. Es geht also darum, was gut oder schlecht ist und wie Menschen ihr Leben in Bezug auf diese Werte gestalten sollten. Moral hingegen bezieht sich auf die spezifischen Werte, Regeln und Prinzipien, die von einer bestimmten Gesellschaft, Kultur oder Gruppe akzeptiert werden. Es handelt sich also um ein Konzept, das innerhalb eines bestimmten sozialen Kontextes angewendet wird.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Ethik sich mit den allgemeinen Fragen des richtigen Verhaltens und der Werte befasst, während Moral die spezifischen Regeln und Prinzipien beschreibt, die innerhalb einer bestimmten Gesellschaft oder Kultur gelten.

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2 Mai 2022

Francesco Ferrer i Guàrdia

Francesco Ferrer i Guàrdia (* 14. Januar 1859 in Alella bei Barcelona; † 13. Oktober 1909 in Barcelona hingerichtet)

Spanischer Anarchist und Gründer der Escula Moderna, eine Schule mit einem libertären Ansatz. Das Konzept war davon getragen, dass Anarchisten auch dem eigenen Hang zur Machtausübung misstrauten. Ferrer wies darauf hin, dass die Schule nicht dafür da wäre, junge Anarchisten/innen zu erzeugen. Die Ausbildung erfolgte ähnlich den Vorstellungen von Summerhill. Ferrer wurde anlässlich der Aufstände in Barcelona 1909 vor ein Kriegsgericht gestellt und im Rahmen eines Prozesses ohne Beweise, Zeugen, Verteidiger, zum Tode verurteilt. Das Urteil löste eine weltweite Protestwelle aus.

 

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2 Mai 2022

Idealistisches Manifest

Idealitisches Manifest von Erich Mühsam, April 1914 [1]Auf der Seite Über zitiert[2]Aus dem Zyklus: Aus „Kain, Zeitschrift für Menschlichkeit“ 1911–1914. Erstdruck in: Kain. Jg. 4, H. 1 (April 1914), S. 1-8. Quelle: … Continue reading

Wer mit dem Blick auf zeitlose Weiten neue Moral, neue Gerechtigkeit, neue Menschlichkeit zum Inhalt seines Strebens macht, der weiß aus unzähligen Erfahrungen, daß er mißverstanden wird. Es ist fast notwendiges Schicksal seiner Ueberredungskunst, selbst bei Menschen von Verstand, Kritik und gutem Willen Kopfschütteln und Achselzucken zu erregen. Denn jede Agitation, deren Absicht nicht zeitlich begrenzt ist, steigt unbekümmert und rücksichtslos über praktische Bedenklichkeiten hin. Für bürgerliche – das heißt gegenwartsbesorgte – Naturen ist das Ziel immer der nächste Schritt. Wer aufs Ideal steuert, „schießt über das Ziel hinaus“. Den Weg zu einem Ziele nicht in jeder Kurve kennen, das Werkzeug zu einem Kampfe nicht auf jede Gefahr erprobt haben, das bewirkt die Zweifel, das Warnen, das Bangemachen und selbst den gewalttätigen Widerstand gegen Tendenzen, gegen deren Ehrlichkeit gar nichts eingewandt wird. Aber wer im reinen Gefühl die Wahrheit weiß und in kluger Skepsis von ihr abläßt, den heiße ich einen Lumpen.

Hier ist mein idealer Zweck – da sehe ich das Mittel, ihn zu erfüllen: was kümmert mich die Chamade der Vorsichtigen? Naturwissenschaftler, Volkswirtschaftler, Historiker, Geographen, Politiker und Kaufleute sollen hundertmal recht haben, – mein Gefühl, das seine Wege kennt, können sie nicht widerlegen. Ich will den Völkerfrieden, weil er mich gut dünkt. Ich weiß, er wird sein, wenn die Arbeit der Menschen nicht mehr für den Krieg steuert, wenn die Soldaten sich weigern, ihresgleichen zu töten, wenn der Wille der Völker auf Frieden aus ist. Ich will Sozialismus und Anarchie. Ich weiß sie möglich, wenn Arbeit und Verbrauch in gerechten Ausgleich gebracht sind, wenn Ordnung und Friedfertigkeit in den Menschen Leben gewonnen haben, wenn Autorität und Gehorsam, Herrschaft und Knechtschaft aus der Gewohnheit der Völker gewichen sind. Sie werden weichen, wenn allenthalben aus der Sehnsucht nach Freiheit der Wille zur Freiheit geworden ist. Ich will Kultur und Kunst Gemeingut der Völker wissen. Sie werden es sein, wenn der Geschmack der Besten sich allen mitgeteilt hat, wenn die Ethik der Massen sich zum Anstand geformt hat, wenn aus Zwang und Strafe Rechtlichkeit und Verständigung geworden ist.

Aber für den Frieden sind alle Vorbedingungen nicht erfüllt. Die Völker haben ein natürliches Expansionsbedürfnis und bedrohen die Grenzen der Nachbarn. Gehorsamsverweigerung, Generalstreik, Revolution ziehen entsetzliche Strafen nach sich. Der Gedanke, das Raubtier Mensch werde in Ordnung und Verständigung miteinander auskommen, der Geschmack der rohen Masse könne umgeformt werden, Freiheit werde jemals etwas anderes sein als eine schöne Phrase, ist absurd und kindlich. Schon die Formulierung deiner Ideale ist ein Beweis, wie unabwendbar und naturgewollt alle die Einrichtungen sind, die du bekämpfst. Bitte: ich fordere nicht auf, – ich bekenne.[3]Siehe auch Über Und ich suche meine Gefühle, die mir Wahrheiten sind, in das Gefühl der Nebenmenschen zu verpflanzen. Verstandeskühle Einwendungen können richtig oder falsch sein, – an der Erkenntnis dessen, was gut und recht ist, prallen sie ab.

Das also ist das Wesen der Agitation: auszusprechen, was subjektiv wahr ist, die Energie der andern nach der Richtung zu beeinflussen, die zu erstreben ist. Was die stärkste Energie – Weniger oder der Menge – wollen wird, das wird die Zukunft sein. Unmittelbare praktische Wirkungen gelten nicht allzu viel. Sie sind nur wertvoll als Symptome eines neuen Geistes, der unterirdisch im Werden ist. Der neue Geist aber entsteht heimlich und unbeobachtet, langsam und viel später, als sein Same gestreut ist. Wenn er zuerst in einem Gedanken, einer Tat, einem Kunstwerk oder einer Erkenntnis plötzlich aus dem Boden schießt, dann ist sein Ursprung längst nicht mehr zu entdecken, dann hat er gewirkt, als ob er selbstverständlich und ohne Rausch wäre.

Plötzlich ist eine neue Bewegung da (Anmerkung: Ich sehe da Parallen zu FFF), überraschend, scheinbar aus dem Nichts gestampft. Sie zieht Kreise, wächst, wirkt, aber ihre Herkunft ist verschollen. Aller Fortschritt ist diskreter Geburt, denn er stammt vom heiligen Geist, er stammt aus der Sehnsucht und der Bitternis vergangener Idealisten. Freilich sieht jeder Erfolg des Idealismus anders aus als seine Werbung. Was daraus eingeht in das Leben des Menschen, sind Anpassungen an geltende Verhältnisse, sind nichts weiter als Entwicklungsfaktoren. Gerade darum müssen die Forderungen an die Welt so schroff wie möglich gestellt werden, muß stets das denkbar Aeußerste verlangt werden, ohne Rücksicht auf die Aussichten der Verwirklichung. Nur die ideale Forderung in ihrem weitesten Umfange schafft Fortschritte im engen Kreise. Die Utopie ist die Vorbedingung jeder Entwicklung.

Die Entwicklung hat mit dem Abrollen der Jahre nichts zu tun, nicht nur, weil uns die Irrealität der Zeit bewußt ist, sondern weil uns die Geschichte der Vergangenheit lehrt, daß die vorgeschrittene Jahreszahl keine Gewähr gibt für höhere Kultur und tieferen Menschenwert. Einsichten und Sitten entstehen und verschwinden mit dem Werden und Vergehen der Generationen. Nie wird die Zeit kommen, die keiner Revolution bedürfte. Dennoch wollen wir unser Weltbild gestalten nach dem Ideal der Vollkommenheit, und das können wir, wenn wir den Blick aufs Künftige, und das ist aufs Ewige, gerichtet halten. Und wir wollen uns freuen, wenn irgendwo aus dem Geschehen der Zeit eine Blüte treibt, in der wir verwandelt und verdünnt den Keim unserer Werbung erkennen.

Wir erleben seit einem halben Jahrhundert eine gewaltige soziale Bewegung. Die werktätige Menschheit, also die Sklaven und Entrechteten, haben sich auf ihren Anspruch besonnen, an den Lebenswerten teilzunehmen. Ja, sie haben begriffen, worauf ihre Versklavung beruht, und sie haben erkannt, daß die Ablösung des Kapitalismus Sozialismus heißen muß. Zwar kamen die Advokaten und Politiker, die Geschäftemacher und Demagogen, und bemächtigten sich der Idee der Gerechtigkeit und der Befreiung, indem sie daraus ein Parteiprogramm machten. Zwar kam die Trägheit des Denkens und Handelns wieder über die Massen und der tiefste Fluch des Lebendigen, die Zufriedenheit. Aber ein Funke aus der heiligen Glut der Saint-Simon, Proudhon, Bakunin, Lassalle schwelt noch unter dem Schutt, und wir Lebenden dürfen nicht ruhen, ihn freizumachen und zu neuem, hellen Feuer anzublasen.

Aus der Schande tausendjähriger Entwürdigung als Kreatur der Männer ist das Weib erwacht. Es will Mensch sein, die Rechte und Anerkennung des Menschen haben. Daß die kämpfenden Frauen unserer Tage im Langen nach dem Gute der Freiheit vorbeigreifen und statt Menschenrechte Männerrechte begehren, soll uns nicht verdrießen. Die Not und die Verstocktheit der Zeit hat den Frauen Männerpflichten auferlegt. Vielleicht schafft sich doch einmal die Einsicht Bahn, daß nun nicht die Assimilation ans andere Geschlecht, sondern die Befreiung von seiner Herrschaft – das ist die Freiheit des Weibes in Liebe und Mutterschaft – das Glück des Frauentums wäre. Sie müssen ihre Ziele weit setzen, die Frauen, die in den Kampf getreten sind. Die Neubildung aller gesellschaftlichen Formen auf dem Boden des Mutterrechts müssen sie verlangen. Wenn sie es dann einmal erreichen, daß kein Weib mehr ein anderes deswegen verachtet, weil es Mutter ist, dann müssen sie die Genugtuung fühlen, daß ihr Werben und Kämpfen nicht umsonst war, wie sie selbst Zeugnis dafür sein sollten, daß die herrlichen Frauen der Romantik nicht umsonst die Vorbilder freier, schöner Weiblichkeit waren.

Seit ganz kurzem aber beobachten wir die ersten Atemzüge einer neuen Bewegung, die vielleicht berufen sein wird, das höchste anarchistische Ideal, die Selbstbestimmung des Menschen, sein stolzes Vertrauen auf die eigene Persönlichkeit zur Sehnsucht der gehorsambeherrschten Zeitgenossen zu machen. Zum ersten Male organisiert sich die Jugend gegen Autorität und Zwang, gegen Tradition und Erziehung, gegen Schule und Eltern. Die jungen Leute wollen die Hälse frei bekommen von den Umschnürungen der Verbote und des Drills. Sie wollen anerkannt werden als Menschen mit eigner Sehnsucht, mit eignem Leben, die nicht zu danken, sondern zu fordern haben. In schönem Radikalismus  streben sie nach den größten Dingen: nach Wahrheit in Empfangen und Geben, nach Freiheit in Leben und Lernen, nach Raum zum Atmen und Werden. Was in der Zeitschrift der Jugend „Der Anfang“ aus jungen Herzen nach Ausdruck drängt, das ist viel ungegorenes und manchmal bizarres Zeug, aber es ist die Sprache der Jugend, es ist das aufgeregte und den Freund der Zukünftigen heiß aufregende Bekennen heiliger, starker revolutionärer Inbrünste. Mögen Lehrer, Pfaffen und Eltern vor Entsetzen bersten, mögen sie sich mit Maulkörben bewaffnen und die Polizei herbeirufen, um das freie Wort im Munde der Jungen zu verstopfen, – es nützt nichts mehr. Der Gedanke ist stärker als das Wort, der Gedanke ist losgelassen, ihn hält nichts mehr auf. Das Problem Väter und Söhne ist gelöst, die Jugend hat es gelöst. Sie schreitet dahin über den Jammer der Alten, wie der Frühling über die Dürre des Winters. Die immer und immer bewährten „Erfahrungen“ der Sechzig- und Siebzigjährigen sind um diese bereichert worden: daß die recht haben, die eine ganze Generation jünger sind, also um eine Generation Erfahrungen mehr haben. Der Kampf der Jungen ist angefacht. Er wird zum Siege führen, denn an Nachwuchs wird er nie Mangel haben, und die fröhliche Torheit, die das schöne Vorrecht der Jugend ist, wird allzeit seine gute Waffe sein.

Hier ist ein prächtiges Beispiel, wie idealistische Agitation wirkt, bis der Ursprung verwischt ist und bis plötzlich an einer Stelle, die niemand kannte, in einer Art, die niemand voraussah, ihr Segen aus der Erde quillt. Was haben die Alten nicht getan, um ihre Macht über die Jungen zu konservieren! Sie haben verboten und gestraft, geprügelt und gelogen, sie haben das Geheimnis der Menschwerdung vor den Kindern gehütet, als ob alles Seelenheil in Gefahr wäre, wenn der Junge weiß, wie das Mädel beschaffen ist. Und nun stellt sich die Jugend lachend vor ihnen auf und ruft ihnen ins Gesicht: ihr braucht uns nichts zu erklären, denn wir sind längst so klug wie ihr. Ihr braucht uns nichts zu verbieten, denn wir tun doch, was wir für recht halten. Ihr braucht uns nichts zu befehlen, denn wir gehorchen euch nicht mehr. Wir Aelteren haben das noch nicht gewagt, wie brünstig wir es auch gefühlt haben. Aber nun wollen wir uns ehrlich freuen, daß wir es bei den Jüngeren mit ansehen dürfen, und die nach uns kommen werden, wollen wir in einem Geiste aufwachsen lassen, der die Beherrschung in sich selbst hat und keine Beherrschung von außen mehr duldet.

Die Jugend, der Nachwuchs, die kommende Generation hat sich mündig erklärt. Das Alter ist nicht berechtigt, mit seinen überlebten, verknöcherten Prinzipien daran zu rütteln. Bei der Jugend ist alle Zukunft geborgen. Ihr wollen wir unsere Ideale anvertrauen. Haben wir die jungen Leute gewonnen, dann haben wir alles gewonnen: Freiheit und Kultur, Revolution und neue Menschheit. Die Jugend soll uns die Staaten zertrümmern und den Frieden aufbauen, sie soll Sozialismus und Kultur schaffen, sie soll die Erde dem Geiste und dem Menschenglück bewohnbar machen. Wir anderen müssen uns ja wohl begnügen, ihr in Dichtung und Werbung anfeuernd zuzurufen und zu gleichem Tun denen den Mund zu öffnen, in denen die geistigen Güter der Menschheit gespeichert sind.

Noch verträumen die Künstler und Kulturellen ihre Zeit in ästhetischen Zirkeln. Noch haben sie nicht begriffen, daß sie zum Volke gehören, in die Gemeinschaft aller, und daß ihr Werk erst Wert enthält, wenn es Resonanz findet im Herzen der Mitmenschen. Der Geist der Lebenden gehört an die Spitze und in die Gefolgschaft der rebellischen Jugend. Seien wir Agitatoren, bilden wir eine Jungmannschaft der Welt, auf daß auch unser Wort Keime lege zu neuem Geschehen und neuer Gestaltung! Verstopfen wir unsere Ohren vor den Unkenrufen träger Philister und vor den Rechenexempeln praktischer Nörgler! Rufen wir die Wahrheit unserer Ideale aus, unbekümmert um Erfahrungen und zweifelnde Erwägungen, – und wir werden eine Welt erleben, die auf Schönheit und Gemeinschaft und – fernab von Gott und Kirche – auf religiöser Inbrunst errichtet ist.

Quellen/Fußnoten

Quellen/Fußnoten
1 Auf der Seite Über zitiert
2 Aus dem Zyklus: Aus „Kain, Zeitschrift für Menschlichkeit“ 1911–1914.
Erstdruck in: Kain. Jg. 4, H. 1 (April 1914), S. 1-8.
Quelle: https://de.wikisource.org/wiki/Idealistisches_Manifest
3 Siehe auch Über
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