Trip 2024 Kopfschütteln in der Ferne
Bei gefühlten 44 Grad und 70 % Luftfeuchtigkeit verfolge ich die Nachrichten aus Deutschland. Beim SPIEGEL las ich heute:
Auch die niedersächsische Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) zeigte sich verärgert, weil die Justiz mit der geplanten Amnestie in rund 16.000 Fällen überfordert sei. »Es wird unweigerlich landauf, landab zu rechtswidrigen Zuständen und zu Entschädigungspflichten kommen«, sagte Wahlmann »Table.Media«. …
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/cannabis-legalisierung-laender-wollen-inkrafttreten-von-neuem-gesetz-verzoegern-a-d6f9d79f-349c-40ba-abce-7a810c4950c7
»Wenn der Bund die Justizbehörden der Länder sehenden Auges in eine solche Situation laufen lässt, zeugt das von einer gehörigen Ignoranz gegenüber den tatsächlichen Gegebenheiten«, sagte die Ministerin weiter. Das Mindeste, auf das sich die Bundesregierung nun einlassen müsse, sei eine Verschiebung des Inkrafttretens um sechs Monate.
Man mag zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung stehen, wie man will. Fest steht, dass wir Deutsche in dieser, besonders in letzter Zeit immer wieder hervorgehobenen, Demokratie leben. Wird die Legalisierung vom Bundesrat abgesegnet, ist es innerhalb des geforderten Prozesses entstanden. Und wenn die Umsetzung quasi eine Amnestie für zig tausende Bürger bedeutet, deren einziges Vergehen darin bestand, dass sie Cannabis konsumierten, dann ist das so! Da können nicht Politiker*innen daher kommen und die Bürokratie vorschieben. Eins liegt klar auf der Hand. Würde es sich um eine gesetzliche Regelung handeln, die einigen einen erheblichen finanziellen Vorteil verschafft, insbesondere großen Playern des Kapitals, erfolgte die Umsetzung um 00:01 Uhr des anbrechenden Nachfolgetages. Mit Demokratie haben all die Aussagen nichts zu tun. Bei mir lösen sie im Kopf die Frage aus: “Was zum Teufel bilden die sich ein?” Zumal seit Jahren absehbar ist, dass die Legalisierung in irgendeiner Form kommen wird und man sich darauf vorbereiten konnte. Nur Betonköpfe können glauben, dass der aktuelle Zustand auf Dauer anhalten wird.
Das komplette Thema ist eine Farce und zeigt, wo wir stehen. Mir persönlich steht dieses ganze “Geseier” bezüglich eines Jugendschutzes und Schwarzmarkt bis zur Oberkante.
Ja, Drogen, Gifte, alle möglichen Substanzen können schädigen. Jugendliche, vor allem die mit Problemen in der Entwicklung, schädigen sich massiv mit Alkohol. Und der richtet deutlich mehr und nachhaltiger Schäden im Gehirn an, als Cannabis. Andere klauen “Muttern” die Tranquilizer, besorgen sich Tilidin, fressen in rauen Mengen Fastfood, Chips, bis sie an Adipositas leiden. An der Stelle kommen die “Apostel” ums Eck gebogen und reden davon, dass man nicht noch eine schädigende Substanz benötige. Ist es so schwer, in der Realität anzukommen? Cannabis gibt es seit mindestens 30 Jahren leichter zu kaufen, als eine Schachtel Zigaretten. Entscheidend ist es, den Jugendlichen offen und ehrlich zu erklären, welche Risiken bestehen, wie sie mit Drogen sicher umgehen und wovon sie lieber die Finger lassen sollten. Es ist wie mit Sex. Es ist nicht die Frage, ob sie es tun werden, sondern wann, wie und mit wem. Tabuisierung, Verbote, Strafandrohungen sind dabei extrem kontraproduktiv.
Der Verwaltungswahn, die eingenommenen Bußgelder, können nun wirklich kein Argument sein. Ebenso wenig der “Schwarzmarkt”. Den gibt es auch für Alkohol und Zigaretten. Auch dort liegt das Interesse nicht bei der “Volksgesundheit”, sondern bei den dem Staat entgehenden Steuern. Außerdem hätte man diesen Schwarzmarkt im Zuge eines “vernünftigen” Handelns locker austrocknen können. Nämlich im Zuge einer echten Legalisierung. Worum geht es denn? Kontrolle! Und an der Stelle fragt sich, mit welchem Ziel. Um ihrer selbst willen, im Sinne einer Machtdemonstration oder einem Zweck. Die alte amerikanische Prohibition galt den Arbeitern. Die Puritaner (konkret Pietistic Protestants) befürchteten, vermutlich nicht zu Unrecht, dass sie sich das miese Leben zu arg schön trinken würden und damit als willfährige Lohnsklaven ausfielen. Bekanntlich ging der Schuss nach hinten los. Das kirchliche Konzept, bei dem alle mittels strikter Regeln und Sündenfall bei der Stange gehalten werden, ließ die Ungläubigen kalt. Ab Mitte der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts geriet Cannabis in den Focus. Willkürlich und vor allem Klassenorientiert. Die unten sollten nicht der Freizeit frönen, sondern konzentriert arbeiten, während weiter oben, vor allem in Indien, Ägypten und anderen arabischen Staaten, weiterhin der tausende Jahre alten Tradition gefolgt werden durfte. Es geht also wieder einmal um die Funktionsfähigkeit und Nützlichkeit. Ansonsten wäre es den meisten völlig egal. Schmerztabletten, Psychopharmaka, Antidepressiva, Schlaftabletten, Beruhigungsmittel – alles in Ordnung, solange es der Funktionsfähigkeit dient.
Na ja … und ein wenig Kontrolle, um der reinen Kontrolle willen und Machtausübung, ist ähnlich dem Konzept Kirche auch dabei. Ich sitze hier in der Vorzeit des Ramadan in einem Religionsstaat. Hier existieren allerlei zweckfreie Regeln, die einzig und allen dem Erhalt des islamischen Systems und Sicherung der Macht des Klerus inklusive der männlichen Vormachtstellung dienen. Entsprechend restriktiv ist auch der Umgang mit Drogen. Alle, von Alkohol, Nikotin, Opium, Magic Mushrooms, Kratom (traditionell aus den Blättern des Kratom-Baumes gebrautes Getränk, welches im Gegensatz zu Deutschland in Malaysia verboten ist), konsumieren und werden nur bestraft, wenn sie der Polizei in die Quere kommen – dann aber mit drakonischen Strafen oder Einweisung in islamische Boot-Camps, in denen eine religiöse Gehirnwäsche erfolgt. Es tut mir leid, aber die deutsche Kombination, Bürokratie, gesundheitliche Bevormundung und Strafen ohne therapeutischen Effekt, erscheinen mir ähnlich religiös.
Menschen nehmen Drogen! Fertig. Die Motive und Antriebe mögen unterschiedlicher Natur sein, aber irgendeine Droge nimmt jeder. Es ihnen verbieten zu können, ist ein ideologischer Glaube, wie die Annahme, Sex zum reinen Vergnügen verbieten zu können. Auf solche Dinge kommen nur Leute, die sich daran aufgeilen, anderen etwas verbieten zu können.