Ich schrieb in den letzten Tagen an einem ziemlich langen Beitrag. Plötzlich überkam mich eine tiefe Frustration. Warum schreibe ich das alles? Alles ist bekannt, jeder kann sehen, was passiert. Wer sich nur ein Funken dafür interessiert, erkennt mit Leichtigkeit all die Propaganda, die Euphemismen, die ursächlichen Strukturen. Hitler brachte es auf den Punkt, als er meinte, sie müsse derart simpel sein, dass auch noch der letzte Depp sie versteht. Ist nicht irgendwann der Punkt gekommen, an dem man einfach das Handtuch werfen sollte? Im Prinzip hab ich das versucht. Erfolglos! Wieder einmal wirkten meine eigenen Worte auf mich, als wären sie ein Zeichen von Feigheit. Ich lebe in einer Epoche, in der durch die Digitalisierung alles miteinander vernetzt ist und nahezu jede Information abgerufen werden kann. Eine große Zahl an Universitäten stellen allerhand Vorträge zu den unterschiedlichsten wissenschaftlichen Themen ins Netz. Professoren veröffentlichen aus reinem Sendungsbewusstsein heraus Vorlesungen. Philosophen, Systemkritiker, Originalquellen, sind auf allen Streaming-Portalen vorhanden. OK, man muss auch mit all dem umgehen können. Mit Sicherheit kann das nicht jeder, dennoch dürften es sehr viele sein, die zumindest in der Lage sind, sich die gleichen Informationen zu beschaffen, wie ich. Oscar Wilde schrieb sinngemäß: “Warum erzählen Leute anderen von ihrer Meinung? Weil sie sich ängstigen, mit ihr alleine zu sein.” Das Zitat beeindruckte mich schon vor Jahrzehnten. In die gleiche Richtung geht ein psychologisches Experiment, von dem ich las, als ich vor einigen Jahren ein Seminar vorbereitete. Die Versuchsleiter präsentierten Gruppen mit fünf Probanden drei auf dem Boden liegende Seile. Zwei identisch lang und eins erkennbar kürzer. Je Gruppe waren vier der Teilnehmer instruiert, zu behaupten, dass die Seile alle die gleiche Länge hätten. Nur eine/r, der/die letzte Befragte, war nicht eingeweiht. Fast alle der Unwissenden schlossen sich der Gruppenmeinung an. In mehreren Versuchsreihen wurde die Differenz bei der Länge immer größer. Erst bei wirklich vollkommen absurden Differenzen regte sich Widerspruch. Bisweilen fühle ich mich, wie einer von den uneingeweihten Versuchsteilnehmern. Ich schaue auf das kürzere Seil und frage mich, ob die alle eine Macke haben. Und so, wie es Oscar Wilde ausdrückte, ängstige ich mich davor, mich zu weit von dem zu entfernen, wo ich herkomme und versuche alle anderen im Raum zu überzeugen. Im harten Kern meines Freundeskreises ist das nicht notwendig. Die sind alle schlau genug, den Unterschied zwischen den Seilen zu erkennen und sagen dies auch. Ich bin dafür dankbar, dass dies so ist. Allerdings gibt es auch eine ganze Menge Leute, die ich in meinem engeren und weiteren beruflichen Umfeld kennenlernte, zu denen ich alle Kontakte abbrach und soweit ich es überblicken kann, beruht dies auf Gegenseitigkeit. Es bleibt das Gefühl: Was ist denn los mit Euch?
Lange überkam mich beim Lesen diverser Artikel in Zeitungen, beim Hören von Radio-Sendungen, Lesen von Tweets oder Postings bei Facebook so etwas wie eine ohnmächtige Sprachlosigkeit. Ich fragte mich, was das alles sollte? Groß angelegte Verarschungen von Leuten, kollektive Beleidigung, weil manche einen für derart dämlich halten, den Stuss zu glauben? Es ist schwer zu sagen, wann es anfing. Die eigene Wahrnehmung täuscht einen dabei. Vielleicht träufelte es auch dauerhaft vor sich hin und fiel mir erst auf, als es unübersehbar war. Doch mittlerweile ist jede öffentliche Debatte durchsetzt mit propagandistischer Rhetorik, eindeutig auszumachenden Spin-Begriffen und leicht erkennbaren PR-Strategien. Wer auch immer dies zu verantworten hat, leistete ganze Arbeit. OK, der Satz ist Quatsch. Es war eine Entwicklung, die irgendwann in den 20ern des letzten Jahrhunderts begann und heute ihre Perfektion erlangt. Wer Näheres dazu wissen will, muss sich mit der Person Edward Bernays beschäftigen. Politik wird nicht mehr mit Argumenten betrieben, die an der Sache orientiert sind, sondern die Parteien, welche längst überall den Charakter von Firmen aufweisen, preisen sich mit Mitteln aus der kommerziellen Produktwerbung an oder versuchen den Mitbewerber auf dem politischen Markt auszustechen. Zu den Mitteln gehören auch die Desinformation, die Diffamierung der Wissenschaft und Intellektuellen. Die Digitalisierung wirkte wie ein Katalysator. Alles, der einzelne Mensch, jeder Gegenstand, jedes Lebewesen ist ein Datensatz. Einen Datensatz kann man mit anderen Gruppieren, recherchieren, mit Routinen abfragen oder vergleichen. Es ist ein Leichtes nach Bedarf, Kriterien zusammenzustellen und sie für nützliche Abfragen zu benutzen. Männlich, deutsch, frühpensionierter Kriminalbeamter, über 55 Jahre, hört diese Musik und schaut sich jene Filme, Dokumentationen, Vorträge, an. Schreibt in einem BLOG, benutzt dabei folgende Stichworte, hält sich länger in den Ländern xy auf, usw., usw. Wer sich ein wenig auskennt, kann von mir schnell ein Profil erstellen. Persönlich habe ich eines Tages den Widerstand aufgegeben. Das ist das Problem: Irgendwann gibt jeder auf und fügt sich ins Schicksal, weil es einfach zu viel Energie raubt. In jedem industrialisierten Land, werden die Menschen zu Gruppen zusammengefügt, die gezielt mit Produkten bedient werden. Und das sind nicht nur Haushaltsgeräte, Fahrzeuge, Reisen, Versicherungen. Auch die Politik liefert Produkte, die auf die Bedürfnisse zugeschnitten werden und entsprechend beworben werden. Alles nur für das verdammte Geld und die Macht über andere. In letzter Zeit nehme ich nur noch Meldungen über Geschehnisse zur Kenntnis. All das ganze Gewäsch, was Leute von sich geben, die sich dazu berufen fühlen, über die Geschicke anderer Menschen zu bestimmen, interessiert mich nicht mehr. Diese Aneinanderreihung vorgefertigter Phrasen und Euphemismen verdient keinerlei Auseinandersetzung. Dabei ist weitestgehend egal, von wem etwas kommt. Allerdings ist bei mir der Eindruck entstanden, dass CDU/CSU, FDP und AfD, am intensivsten auf PR Strategien setzen. “Die GRÜNEN sind eine Verbotspartei!” Wer so einen Müll von sich gibt, hätte früher in der Höhle vermutlich auch gesagt: “Es ist meine persönliche Freiheit, wenn ich hier und nicht draußen kacke!” Oder: “Technologieoffenheit!” Ja, klar, lasst uns alles, was technologisch machbar ist durchziehen. Was soll schon passieren? Aber die meinen ohnehin nur, dass sie von einigen Lobbyisten aus den betreffenden Branchen Geld und zukünftige Posten bekamen, damit sie deren Kram präsentieren und am besten noch Fördermittel bewilligen. Neuerdings brabbeln wieder einige, dass Atomkraft praktizierter Umweltschutz ist. Man Leute, der Vorteil und gleichsam Nachteil am fortschreitenden Lebensalter ist, dass man sich daran erinnern kann, dass man diesen Unfug schon Ende der 70er aus den USA herüberschwappend präsentiert bekam. Korruption und feindliche Attacken gibt es immer noch. Niemand kann garantieren, dass es nicht doch noch zu einem GAU kommt. Und ein Zaubermittel, was die Strahlung beim Müll verschwinden lässt, hat auch noch keiner gefunden. Aber die an den Humbug glauben wollen, tun es und die es besser wissen, springen nicht an. Aus der Sicht eines ehemaligen Ermittlers ist es ganz simpel. Wenn es ums Geld geht, wird geschoben, gedealt, gespart, werden Vorschriften umgangen und gelogen, dass sich die berühmten Balken biegen. Und was bei illegalen Mülldeponien, der Chemo-Industrie, Ölplattformen, Tankern, Raffinerien gilt, trifft auch bei AKWs zu.
Deutschland! Alles schlecht?
Ist alles schlecht? In Berlin? In Deutschland? In der Welt? Nein, ganz und gar nicht. Schlecht kann nur schlecht bleiben oder besser werden. Wenn ich mein Geburtsland Deutschland betrachte, tue ich dies von einem sehr hohen Niveau aus. Meine Ansprüche an dieses Land und Bürger sind deutlich höher, als an andere Staaten oder Gesellschaften. Alleine mein Pass ermöglicht es mir in zig Länder zu reisen, während unzählige Menschen dies nicht haben. Es gibt auf der Erde ein Passport-Ranking! Dies muss man sich man mal auf der Zunge zergehen lassen. Wir, die ehemaligen Barbaren, die Geißel der Menschheit, dürfen überall hinreisen. Ich finde dies bemerkenswert. Wir verfügen über Bibliotheken, mit Büchern und freiem Internetzugang. Mit ein wenig Aufwand bekomme ich nahezu jedes, egal wie kritisch der Inhalt ist, weltweit veröffentlichte Buch. Ich habe in Deutschland gute Chancen, auch Kunst und Kultur jenseits des Mainstreams genießen zu können. Es steht mir frei, irgendeiner Religionsgemeinschaft beizutreten und die jeweiligen Riten zu praktizieren. Ich darf sogar problemlos, jedenfalls von staatlicher Seite her, eine Frau aus einer anderen Religionsgemeinschaft heiraten, ohne ausgebürgert zu werden. Wenn eine oder einer in Deutschland schlecht informiert ist, sich nicht selbstständig eine Bildung, über die der Schule hinaus, aneignet, liegt der Fehler meistens bei den Betroffenen. Nur wenige bringen nicht die biologischen Voraussetzungen mit, dies leisten zu können. Doch eben, weil dies alles so ist, kritisiere ich meine eigenen Landsleute härter, als diejenigen, welche in Ländern leben, wo dies alles nicht der Fall ist. Jede oder jeder, der sich diese Möglichkeiten nicht zunutze macht, verrät die Freiheit und all die Mitmenschen auf der Welt, die dies nicht leben können.
Hier, wo ich mich gerade befinde, dürfen Muslime nicht einfach eine Frau oder einen Mann mit einem anderen Glaubensbekenntnis heiraten. Und tun sie dies im Ausland, kommt es zu Problemen mit der Staatsbürgerschaft. Bildung ist möglich, aber die Hürden sind außerhalb der Großstadt erheblich höher, als bei uns. Der Staatsapparat ist durch und durch von Korruption durchseucht. Diverse Internetseiten können nur mit einigen Tricks aufgerufen werden. Der Islam ist Staatsreligion und wenigstens im Zivilrecht, eine Richtschnur. Überall spürt man, dass zwischen den “Regulären”, denen mit indischen oder chinesischen Wurzeln, Malaien, Spannungen bestehen, die absolut die Bezeichnung Rassismus verdienen. Überdies kommt noch ein inhumaner Umgang mit Leuten dazu, die gegen die Regeln verstoßen. Soweit ich dies beurteilen kann, ist vieles, vor allem wenn es die Einflüsse der Religion betrifft, auf den Einfluss der Wahhabiten aus Saudi-Arabien zurückzuführen. Ein ehemaliger “Beachboy” hat es mir mal aus seiner Perspektive geschildert: “Ich bin kaum zur Schule gegangen und kann leidlich lesen. Früher betreute ich die Touristen am Strand und trank viel Alkohol. Dann wurden die Gästehäuser gebaut. Damit fiel meine Einnahmequelle weg und ich wurde zum Obdachlosen. Mich hat niemals jemand aufgeklärt. Und auch wenn ich lesen kann, weiß ich nicht, welche Bücher ich lesen sollte. Da bin ich zur Moschee gegangen.Man gab mir Obdach, Essen, Trinken und Koran-Unterricht.Dass da noch vieles anderes ist, weiß ich von den Touristen.Aber ich wüsste nicht, wie ich es lernen soll.” Die Moschee, welche er aufsuchte und in deren Räumen er heute lebt, ist nicht irgendeine, sondern wird von einer von Saudi-Arabien ausgehenden Missionsbewegung finanziert. Interessiert beobachtete ich während der Pandemie den Konflikt zwischen Staat und Moschee-Angehörigen. Deren Aussage lautete: “Es gibt Dinge, die sind höher als der Staat und niemand kann das gemeinsame Gebet verbieten.” Konnte der Staat doch! Der rückte mit Polizeieinheiten an, nahm alle fest und sie landeten im Gefängnis. Nein, weder ihm noch einem Wanderarbeiter aus Bangladesch, einer Frau, die von Kindesbeinen an eine Rolle lernte, einem geflüchteten Rohingya oder einem indischen Küchengehilfen kann ich einen Vorwurf machen.
Dies sieht in Deutschland ganz anders aus. Die bei uns durch das Grundgesetz existierenden Voraussetzungen ermöglichen das Nachdenken, das Entwickeln neuer gesellschaftlicher Konzepte, Ideen, das Erkennen von Gefahren und auch das Sinnieren darüber, wie man die Erde zu einem besseren Platz für alle Lebewesen machen könnte. Rudi Dutschke prophezeite Mitte der 70er eine Zukunft, in der die normalen Menschen weniger Arbeiten müssten und deshalb mehr Lebenszeit in Bildung und Denken investieren würden. Dutschke war ein toller Vordenker, doch er schloss allzu oft von sich auf andere. Deshalb unterschätzte er die Gefahr der Dekadenz, Denkfaulheit, vor allem das Potenzial seines Gegners, den Mächtigen, Reichen und Ausbeutern. Außerdem verstand er wenig davon, was Geld und ein wenig Luxus, mit Leuten anstellt. Nicht die Aufsteiger formen das Establishment, sondern es passiert genau andersherum. Die Vertreter der “Frankfurter Schule” sahen eine Zeit kommen, in der das Individuum grundsätzlich alle Voraussetzungen für ein freies, selbstbestimmtes Leben vorfindet, aber immer mehr Kraft aufwenden müsse, um diese wirklich nutzen zu können. Schaue ich mich um, lagen sie absolut richtig. Passt man nicht auf, findet man sich unversehens in einer Gruppe wieder. Entweder eine, die man sich selbst zuzuschreiben hat, in den Sog geraten ist, oder von anderen Leuten oder Institutionen hineingepresst wurde. Danach wirken auf einen all die Effekte ein, die Gruppen so mit sich bringen. Und es erfordert einen täglichen Kraftaufwand, sich dem zu entziehen. Jedenfalls, wenn man nicht zu denen gehören will, die auf diese Effekte stehen. Davon gibt es eine ganze Menge. Sie genießen die kuschelige Wärme, den gegenseitigen Zuspruch und die Anerkennung.
Ich persönlich sehe einen sich langsam ausbreitenden Schatten. An vielerlei Stellen hat sich in den vergangenen Jahrhunderten im Grunde genommen wenig verändert. Könige, Kaiser, wurden gegen Vermögende, Eigentümer der Produktionsmittel eingetauscht. Was einst die “Freien” waren, wird heute vom Bürgertum gestellt und die Tagelöhner, Knechte, Diener, sind heutzutage all jene, die im Niedriglohnsektor unterwegs sind. Einige Leute arbeiten gegen das Grundgesetz. Modern ausgedrückt: Sie hacken das System! Oftmals gar nicht bewusst. Wenn ich beispielsweise eine Verwaltung aufbaue, die so kompliziert ist, dass sie nur Spezialisten verstehen, ist es schwer oder teuer, meine verbürgten Rechte in Anspruch zu nehmen. Weitaus gefährlicher sind die Zeitgenossen und Genossinnen, welche täglich gesetzliche Lücken suchen, um sich in nicht verträglicher Art und Weise zu bereichern. Präziser: Sie sind die eigentlichen Gefährder, weil sie nichts anderes im Sinn haben, als die dem Grundgesetz innewohnende Grundidee zu überwinden. Ich bezeichne ihr Verhalten schlicht als asozial. In der Regel sind Kriminelle, also Frauen und Männer, die es darauf abgesehen haben, mit wenig Aufwand und Skrupel, sich einen maximalen Vermögensvorteil zu verschaffen, der Kriminalpolizei stets einen Schritt voraus. Breitet sich eine neue Methode aus, wird darauf reagiert und die denken sich was anderes aus. In der Wirtschaft läuft es nicht anders. Nur, dass es an dieser Stelle der Gesetzgeber an sich ist, der ständig am Reagieren ist. Infolgedessen wird das System immer undurchschaubarer, engmaschiger und führt zu finanziellen und ideellen Verlusten für die Gesellschaft. Nochmals anders formuliert: Würden sich alle Leute, die auf unserem Staatsgebiet leben, an die Regeln halten, welche in jeder menschlichen Gemeinschaft für ein friedliches Zusammenleben notwendig sind, könnten wir die Gesetze einmotten.
Wir wissen, dass das nicht funktioniert. In diesem Zusammenhang halte ich diese ganzen Schwätzer, welche von den Vorteilen vollkommen freier und sich selbst regulierenden Märkten schwärmen, gar nichts. Für mich sind sie lächerliche Erscheinungen der Dekadenz. Wenn ich Leuten zügellosen Lauf lasse, die als Entscheidungskriterien, einzig und allein, Zahlen, Geld, Vermögen, Profite, Wachstum, anlegen, muss ich mich nicht wundern, wenn ich eines Tages in einer Hölle auf Erden lebe. Noch gibt es Menschen, die bereit sind, unökonomisch zu handeln, weil sie damit anderen Aspekten Vorschub leisten. Beispielsweise, wenn sie lieber in einem örtlichen kleinen Laden etwas mehr Geld ausgeben, als sie dies in einem Discounter tun müssten, um diesen zu erhalten. So wie es auch Vermieter für Gewerbeimmobilien gibt, die nicht nach denen suchen, die jeden Preis zahlen können, sondern ein Interesse an der Gestaltung eines lebendigen Wohnumfelds interessiert sind. Doch sie werden kontinuierlich weniger. Leider ist es dazu gekommen, dass ausgerechnet die mit der asozialen Haltung in die Führungsspitzen gelangten. Die Aspekte, welche die positiven Seiten des Homo sapiens darstellen, nämlich die Kooperationsfähigkeit, das Sozialverhalten, das füreinander Einstehen, wird der schlechtesten Eigenart, der Gier, geopfert. Es ist bezeichnend, dass Deutschland aktuell einen Finanzminister hat, der sich bereits in jungen Jahren der Öffentlichkeit als jemand präsentierte, der auf Bildung, die sich nicht unmittelbar auf seinen Geldbeutel auswirkt, herabsieht. Das Phänomen zeigt sich überall. Aktuell erheben sich die Franzosen gegen den Neoliberalen Macron. In einigen osteuropäischen Staaten machen sich Kleptokraten breit. Und dies sind ausschließlich die aktuellen Highlights. Diese Leute mögen es anders sehen und weiter an ihrer in die Jahre gekommenen Theorie festhalten, für mich gilt, was ich sehe.
Der Schatten, ein Bild welches ich mir erlaube bei Tolkien zu klauen, frisst weltweit die Freiheit. Ich gehöre nicht zu denjenigen, welche einen völlig pervertierten Freiheitsbegriff benutzen. Frei zu sein, bedeutet für mich in erster Linie, nicht abhängig zu sein, sodass die Gedanken freien Lauf haben. Hänge ich an einem Vermögen, kreisen meine Gedanken darum, wie ich es behalten kann. Bin ich stets auf der Suche nach Anerkennung, werde ich mein Verhalten darauf abstellen und nicht ich selbst sein. Bin ich süchtig, muss ich alles für den nächsten Kick tun. Falle ich auf den Trick herein, dass ein Haus, ein Auto und teure Reisen die ultimative Lebenserfüllung sind, komme ich in der Regel nicht daran vorbei, einen Kredit aufzunehmen, für den ich die nächsten Jahrzehnte arbeiten muss. Freiheit beginnt im Kopf. Wenn mich jemand einsperrt, mir Befehle erteilt, mir etwas verbietet oder mir Strafen androht, weiß ich woran ich bin. Dagegen kann ich mich auflehnen, protestieren oder Widerstand leisten. Wenn meine Gedanken übernommen werden, jemand in mir geschickt Bedürfnisse erzeugt, mich manipuliert, merke ich nicht einmal, dass ich meine Freiheit aufgegeben habe. Genau dies geschieht zunehmend. Neu ist dies nicht. “Menschenfänger” gab es schon immer. Religiöse Führer, Cäsare, Imperatoren, Diktatoren, taten dies bereits vor tausenden Jahren. Aber niemals zuvor standen ihnen Mittel zur Verfügung, wie sie die Digitalisierung mit sich brachte. Andere Religionen zu dämonisieren, Außenfeinde zu erzeugen, Wohlstand, Geld und Macht zu versprechen, inneren Frieden und Sicherheit in Aussicht zu stellen, sind alte Hüte. Massengesellschaften verfügen über eigene Dynamiken.
Die Diktatur des trockennasigen Affen über die Welt
Überall wo ich hinkomme, ist das Leid zu sehen, welches die Diktatur des gierigen Homo sapiens anrichtet. Der trockennasige Affe, welcher sich selbst ins Zentrum gestellt hat, läuft einem kleinen bockigen Kind gleich, durch die Welt, will alles haben und zerkloppt, was ihm nicht passt. Und jede/r der halbwegs bei Verstand und ehrlich sich selbst gegenüber ist, weiß, woran es liegt. Ich mache längst keine Unterschiede mehr zwischen schlichten Menschen, die einfach ihren Müll in die Gegend werfen oder einem Manager, Politiker, der den Hals nicht voll genug bekommen kann. Im Grunde genommen ist ihre Haltung zur Welt, zu anderen Lebewesen, zum Haben, identisch. Es wäre ein Experiment wert, sich einen armen Schlucker zu greifen, dessen Verhalten mit seiner Armut entschuldigt wird, und ihn auf einen gut dotierten Posten zu setzen, wo er die Macht und die Mittel hat, etwas zu verändern. Nachdem was ich bisher erlebte, ist die Wahrscheinlichkeit unter Armen empathische, ehrliche und aufrichtige Menschen zu treffen deutlich höher, als sie unter Reichen zu finden. Mit zunehmendem Reichtum und Macht verändert sich der Charakter. Doch wer arm ist und bereits ohne nennenswerten Besitz hinterhältig, durchtrieben ist, wird durch Geld nicht besser, sondern eher schlechter. Und wie immer gilt für mich hierbei: Ausnahmen bestätigen die Regel. Immer mal wieder gibt es welche, die nachdenken und mit ihrem Geld durchaus vernünftige Dinge anstellen, das System des Geldes kritisieren, obwohl es sie selbst begünstigt.
Der Punkt ist, dass der Mensch die Fähigkeit besitzt, sich für verschiedene Wege zu entscheiden. Ich stimme den Existenzialisten zu: Niemand ist zu etwas gezwungen. In der letzten Konsequenz bleibt der Suizid. Doch soweit muss es meistens nicht kommen. Wer zum Beispiel ein Ziel verfolgt und zur Umsetzung ein politisches Amt antritt, ist nicht dazu gezwungen auch noch das letzte Zugeständnis zu machen. Man kann auch einfach gehen. Ein Versuch war es wert, aber man ist halt aus Gründen gescheitert. Jeder Tag länger, den man auf seinem Posten sitzt, ist ein Verrat an den eigenen Idealen. Nun, wir wissen, dies geschieht nicht.
Die Welt ist fest in Händen von denen, die sich für ein egozentrisches Leben entschieden: Machtgierige, Glücksritter, Neoliberale, Demagogen, Populisten, Geschäftemacher, Kriegsgewinnler, Waffenhändler. Sie verkörpern den zerstörerischen Part des menschlichen Habitus. Und weil die Menschen mit der Überversorgung gern ihren Status beibehalten wollen, folgen sie ihnen. Die Satten werden niemals dagegen vorgehen. Die Französische Revolution war in meinen Augen die letzte wirklich ernstzunehmende Veränderung, die auf rationellen Überlegungen basierte. Die gesellschaftlichen Veränderungen durch die Industrialisierung und neuerdings Digitalisierung ergaben sich aus Erfindungen und man ließ sich treiben und reagierte, ohne jemals vor die Entwicklung zu kommen. Bisher stellten in den Industriestaaten wenige Leute ethische Fragen oder gar die gesamte Entwicklung infrage. Darf der Homo sapiens, ein ins übergeordnete natürliche System eingeordneter Affe, alles tun, weil er es kann? Gibt es Grenzen? Jeder weiß, dass es eine blöde Idee ist, einem Bonobo eine geladene und entsicherte Maschinenpistole in die Hände zu geben. Anatomisch ist er dazu in der Lage, sie abzufeuern. Aber er versteht nicht, was da passiert. Haben wir im übertragenen Sinne nicht auch einiges in den Händen, was wir lieber nicht haben sollten? Anfangs bestand der Vorteil des Homo sapiens darin, dass er neugierig alles in die Hände nahm und ausprobierte, um Herauszufinden, was man damit anstellen konnte. Doch Neugier kann einen auch umbringen. Von Anfang an gab es Dinge, die dem Menschen nicht geheuer waren und er die Finger davon ließ, bis er sie verstand. Auch das war schon immer ein Bedürfnis des Menschen: die Kontrolle! Wir können nicht alles kontrollieren, doch wir können Risiken bewerten. Von mehreren Optionen können wir diejenige auswählen, von der wir, wenn etwas schiefgeht, den geringsten Schaden erwarten. Seit mehreren tausend Jahren ist dem Menschen bewusst, dass die Wahrnehmung des Menschen ihre Eigenarten hat. Auf unsere Bedürfnisse abgestimmte Sinne melden an das Gehirn Informationen, welches aus all diesen Einzelheiten eine uns logisch erscheinende Geschichte formt. Mal ganz abgesehen davon, dass unsere Sinne keine Präzisionsinstrumente sind und diverses nicht wahrnehmen können, ist einer unser größten Schwachpunkte die Verarbeitung im Gehirn. Erst das Wissen um Fehlerquellen, eine strukturierte Praxis des Denkens, das Hinzuziehen anderer Quellen und der Abgleich, die Spiegelung, lassen aus allem etwas Vernünftiges und Verständiges werden. Gautama Siddhartha, Konfuzius, Laotse, Platon, Aristoteles, sind nur einige Beispiele für Leute, die sich bereits vor langer Zeit damit auseinandersetzten. Und vieles davon ist immer noch aktuell. Sind die Menschen der industrialisierten Staaten die Gefangenen aus Platons Höhlengleichnis? Und würden sie lieber jeden, der aus der Höhle entkam und von den wirklichen Zusammenhängen erzählt, umbringen, als ihm zu glauben? Platon schrieb das Gleichnis im siebenten Buch der Politeia nieder. Er leitete davon die Forderung ab, die politische Führung einer Gesellschaft denen zu überlassen, die dazu in der Lage sind, die Höhle zu verlassen. Konfuzius hinterließ den berühmten Satz: “Der Weg ist das Ziel!” Ein Ideal ist nicht zu erreichen, aber man kann diesen gesetzten Punkt anstreben, also sein Verhalten darauf abstellen, dass es geeignet ist, sich dem Ziel zu nähern, anstatt sich zu entfernen. Was wollen mir Leute sagen, die ihre Kritiker als Ideologen beschimpfen? Wenn meine idealen Ziele Gerechtigkeit, weltweite faire Verteilung, Erhalt des natürlichen Systems der Erde, die Rückkehr des Menschen ins Gleichgewicht, lauten, und ich jeden dazu auffordere, unsere Handlungen danach auszurichten, auch wenn wir vermutlich niemals den idealen Zustand erreichen werden, bin ich dann ein Ideologe? Welches Ziel haben diejenigen vor Augen, die lediglich ihren Wohlstand, ihre Nation als Gewinner in Konkurrenz zu anderen Nationen und den Menschen als Spielleiter im Gott-Modus, anstreben? Gautama Siddhartha, als Philosoph, nicht als Buddha, dachte lange über das eigentliche, sozusagen das Problem aller Probleme nach. Am Ende kam er zum Ergebnis, dass es die Gier, das Haben, das Anhaften an Vergänglichen, ist. Und ohne es beweisen zu können, behaupte ich, dass jemand wie er, eingebunden in seine Zeit, dabei auf noch viel älteres Wissen aus der Veda zurückgriff, welche ca. 1500 v. Christus entstand. Trotzdem wir über dieses uralte kollektive Menschheitswissen verfügen, haben wir es zugelassen, dass sich an den meisten Stellen der Erde ein System ausbreitete, welches exakt diesen Aspekt des menschlichen Verhaltens bedient. Wir sind Alkoholiker, die bis zum Delirium als Genossenschaft ihre eigene Kneipe betreiben. Es gibt kaum etwas, was wir uns nicht aneignen. Wir besitzen Lebewesen und verfahren mit ihnen wie mit Dingen. Alles wird zu einem Produkt, was wir uns aneignen können, in dem wir es kaufen oder vergeben, in dem wir es verkaufen. Freiheit wird zu etwas, was man sich angeblich mit dem Kauf eines schnellen Autos zulegen kann. Anerkennung und Identität kommt mit käuflichen Symbolen und Zahlen auf dem Konto, daher. Mit Geschenken, Zuwendungen, versuchen wir uns Liebe zu erkaufen. Üble Zeitgenossen fordern dazu auf, alles, was verknappt werden kann, mit einem monetären Wert zu versehen, weil die Menschen sonst keine Wertschätzung aufbringen: Boden, atembare Luft, Trinkwasser, demnächst bewohnbare Lebensräume, Bodenschätze und andere natürliche Ressourcen. Dann gibt es auch Leute, die diese Dinge besitzen und verkaufen, so wie es diejenigen gibt, die für die pure Existenz kaufen müssen. Und wo bleiben die, welche nicht zahlen können?
All dies sind Ideen, welche in den Großhirnen von einem Teil der Weltbevölkerung entstanden. Im absoluten Gegensatz dazu stehen die uralten Traditionen der Völker, die bereits vor der Kolonialisierung durch die Europäer und Ausbreitung des Kapitalismus in ihren angestammten Gebieten leben. Ausnahmslos sehen sie sich als einen Teil des Systems, dessen Gleichgewicht sie achten und innerhalb dessen sie ihr Leben gestalten. Es gibt somit ein vorher, da wo wir herkommen, und einen Zustand, der durch die Umsetzung der Ideen ausgehend von den Industrienationen, entstanden ist. Diese Ideen wurden nicht von einem imaginären Gott an einen Typen auf einem Berg diktiert, sie sind von verhältnismäßig wenigen erdacht worden. Damit sind sie nicht ewig gültige Vorgaben, sondern überprüfbar, revidierbar, veränderbar. Mir scheint, dies haben einige vergessen. Alles, Industrialisierung, Kapitalismus, Wohlstand, Wirtschaftssysteme, das Verhältnis des Menschen zu allen Lebewesen und seine Bedeutung im System, Eigentum, Besitz, Umgang mit den Ressourcen, Wachstum oder Rückbesinnung, kann, muss, darf, hinterfragt werden.
Ich möchte nicht um den heißen Brei herumschreiben. Zweifellos brachte die Industrialisierung einige Entwicklungen mit sich, die wir schätzen und für uns Vorteile mit sich brachten. Aber aufs Ganze gesehen, zu welchem Preis? Läuft es nicht darauf hinaus, dass die Länder, welche den Weg der Industrialisierung beschritten, alle ins Verderben reißen? Was wäre, wenn eine kleine Gruppe Menschen die Macht besäße, in die Vergangenheit zu reisen und dort darüber entscheiden könnten, wie es weitergehen soll. Würden sie um die Folgen für den Planeten wissend, der Industrialisierung die Rote Karte zeigen?
Mir gehen die Zeitgenossen/innen gegen den Strich, welche ständig anderen “Moralisieren” oder “Bevormundung” unterstellen, nur weil sie weiterhin unbehelligt wie “offene” Hose leben wollen. Wie ich bereits schrieb: “Lass mich gefälligst in die Höhle kacken, das ist Ausdruck meiner Freiheit und Dein Gesülze darüber ist moralisches Zeugs.” Die den Leuten Einhalt gebieten wollen, sprechen nicht davon, wer mit wem und wie ins Bett steigen darf. Oder ob Rülpsen, Furzen, schicklich ist. Wenn es ein Problem mit denen gibt, die Änderungen einfordern, dann ist es oftmals Heuchelei und der Adressat. Beim von uns installierten System ist es völliger Humbug bei den einzelnen Verbrauchern anzusetzen. Sie sind Teil einer vom Kommerz gesteuerten Massengesellschaft. In der Regel ist das ein Trick, um den Konzernen durch die Hintertür Geld zuzuwerfen. Die erfinden täglich neue Kniffe. Mal verkaufen sie den Leuten ein Recycling-Modell, damit ihnen niemand verbietet weiterhin Plastikverpackungen zu produzieren oder sie tüfteln wie die PR-Agentur Ogilvy & Mather für den Ölkonzern BP eine Desinformationskampagne aus. Jeder darf brav seinen CO₂-Abdruck berechnen und sich schuldig fühlen. Wie praktisch, wenn sich der Konzern als Großemittent in der Masse des Kleinviehs verstecken kann. In den letzten Tagen kursierte ein Propaganda-Video der CDU, in dem eine junge Frau den Leuten Handlungsempfehlungen gibt, wie sie weniger CO₂ verursachen könnten. Das ist exakt die gleiche Masche. Heuchelei deshalb, weil sie nicht die Traute haben, an die Wurzeln heranzugehen. Durchaus nachvollziehbar, weil sie damit innerhalb einer Demokratie ziemlich schnell von der politischen Bildfläche verschwänden. Ihnen bliebe nur noch der Protest auf der Straße. Wer den Leuten nicht das Blaue vom Himmel, noch mehr Sicherheit, Wohlstand, Wachstum, verspricht, braucht sein Büromaterial gar nicht erst auszupacken.
Der Affe will spielen
Tja, und dann ist da noch die Sache mit dem großen Affen und seinem Spieltrieb. Hat der Affe nichts zum Spielen, fängt er entweder an nachzudenken oder aggressiv zu werden. Dafür gibt es PC-Spiele, Smartphones, Smartwatches, Instagram, Facebook, TikTok. Der Ring Saurons aus dem Herrn der Ringe ist dagegen ein harmloses Kinderspielzeug. Die gesamte Riege der Diktatoren vor der Digitalisierung wäre fassungslos, welche Möglichkeiten heute bestehen. Jeder lässt sich freiwillig orten, gibt ohne Spitzel und Observation wirklich jede Information preis und lässt sich stundenlang mit Trash das Gehirn weichkochen. Nichts ist zu blöd, zu peinlich oder geschmacklos, um ins Internet gesetzt zu werden. Wer braucht in der Politik noch Faschisten, wenn der Kommerz längst die Diktatur übernommen hat? Allmählich macht sich die Verblödung breit. Wer lässt sich einfacher nach Belieben steuern, als eine Meute Deppen? Diesem Beitrag wird einer über meine aktuelle Zeit in einem Guesthouse folgen. Jeden Tag tun sich neue Abgründe auf. Und die ich hier treffe, haben es immerhin bis nach Malaysia geschafft. Ich frage mich, wie sie dies anstellten, aber sie haben es geschafft.
Die Pandemie und die Aktivisten/innen haben eins gemeinsam: Beides, die Pandemie und die Aktionen vermochten es, unzählige Leute ins Licht zu zerren, wo sie zeigten, wer sie sind, welche Haltung sie einnehmen und wie es um ihre kognitiven Fähigkeiten steht. Journalisten/innen, Frauen und Männer aus der Wirtschaft, Künstler/innen aller Couleur, Leute von der Straße, Politiker/innen, gaben und geben unfassbare Aussagen von sich. “Die Aktionen schädigen der Sache des Klimaschutzes.” Ich möchte schreien, wenn ich so etwas lese oder höre. Man stelle sich ein paar Schiffbrüchige in einem leckgeschlagenen Rettungsboot vor, in das Wasser eindringt. Würden die zu denen, die die Initiative ergreifen und auffordern, das Wasser herauszuschöpfen, sagen: “Nicht in dem Ton, Freundchen, dann machen wir gar nichts. Und wenn wir absaufen, seid ihr Schuld!”
Die PR-Agenturen schieben Doppelschichten und werden nicht müde, einen öffentlichen Diskurs zu unterbinden. Linksversifft, Verbotspartei, grüne Faschisten, grüner Mist, eine Diffamierungs- und Schmutzkampagne folgt der nächsten. Es gibt nur noch links und rechts. Alldieweil kann man so keine differenzierte Debatte oder Diskussion führen. Und genau dies ist gewollt. Das ist Faschismus! Wissenschaftliche und intellektuelle Diskurse zu unterbinden, ist einer der Standards. Desinformation zu betreiben, jede Aussage, sei sie auch noch so fundiert, im Zweifel mit absurden Entgegnungen, beliebig werden zu lassen, kontinuierlich mit einer stetigen Steigerung die Grenzen zu verschieben, gehören zum 1×1 des Faschismus. Nur weil sich jemand als gemäßigt bezeichnet, ein etabliertes Parteibuch in der Tasche hat, ist er/sie noch lange keine/r, die/der sich aufführt und agiert wie ein/e Faschist/in. Was da aus den Reihen der CDU/CSU, FDP, teilweise zu vernehmen ist und welche Schalter die umlegen, macht mich fassungslos. Angst, Diffamierungen von politischen Gegnern, erzeugen von Außenfeinden, nationalistische Appelle, Stigmatisierung von Bevölkerungsgruppen. In der netten Version würde ich dies “American Stile” nennen, in der bösartigen fällt mir mindestens Mussolini ein. Ja, ich habe als geborener West-Berliner auch gelernt, dass uns die Alliierten befreiten. Das stimmt mit Sicherheit. Trotzdem kann ich mich nicht ernsthaft mit dem anfreunden, was die US-Amerikaner als Demokratie bezeichnen. Ob die auf seltsame Art und Weise ihre Wahlbezirke hin und her schieben, nicht jeder eine Stimme hat oder bereits von Anfang an die Wahlleute eingeführt wurden, weil nur Reiche in der Lage sind über die Geschicke eines Landes zu bestimmen, es stinkt gewaltig. Und die USA, welche in den II. Weltkrieg eintrat, existiert schon lange nicht mehr.
Es tut mir leid, aber ich sehe die Demokratien scheitern. Einerseits am Kapitalismus und zum Zweiten an dem, was Platon schon für die ersten Demokratien anmerkte. Sie sind ein offenes Spielfeld für nicht an der Sache orientierte Demagogen. Und die haben heutzutage ungleich bessere Möglichkeiten, als im alten Griechenland. Bernays sagte einst:
Die bewusste und intelligente Manipulation der organisierten Gewohnheiten und Meinungen der Massen ist ein wichtiges Element der demokratischen Gesellschaft. Diejenigen, die diesen unsichtbaren Mechanismus der Gesellschaft manipulieren, stellen eine unsichtbare Regierung dar, die die wahre herrschende Macht unseres Landes ist. … Wir werden regiert, unser Geist ist geformt, unser Geschmack gebildet, unsere Ideen wurden vorgeschlagen, hauptsächlich von Männern, von denen wir noch nie gehört haben. Dies ist ein logisches Ergebnis der Art und Weise, wie unsere demokratische Gesellschaft organisiert ist. Eine große Anzahl von Menschen muss auf diese Weise zusammenarbeiten, wenn sie als reibungslos funktionierende Gesellschaft zusammenleben sollen.
Propaganda 1928
Dass es an dem ist, da mag ich ihm zustimmen. Doch beim Thema Demokratie widerspreche ich vehement. Es ist eine sehr amerikanische Denkweise, der nach Leute, die es zu einem Vermögen brachten, auch klug und weise sind. Die Leute, die da agieren, haben Profite und Wachstum im Sinn. Der Mensch an sich ist ihnen völlig egal. Die sind für sie Zahnräder in einer Maschine, die entweder funktionieren oder ausgetauscht werden. Ich hab auch noch nie so richtig verstanden, welches Bild vom Menschen diese ganzen Neoliberalen haben, die innerhalb des bestehenden Systems unterwegs sind. Geld und Macht korrumpieren. Gesetze werden geschaffen, um die Gier und Skrupellosigkeit einigermaßen im Zaum zu halten. Würden die halbwegs sozial denken, umsichtig handeln, nicht zur Profitsteigerung jede Sauerei ausprobieren und die Gemeinschaft vor Augen haben, bräuchten wir all die Gesetze, Steuerfahnder und spezialisierte Ermittler/innen für Wirtschaftskriminalität nicht.
Menschen neigen dazu, sich nicht die Frage zu stellen, welche Rolle ihre Unterschrift, Bewilligung, im Gesamtgeschehen spielt. Eben sowenig wie sich ein Eichmann darüber einen Kopf machte, was es mit den Transporten wirklich auf sich hatte, denkt ein Buchhalter, der eine Bezahlung für eine Dienstreise anweist, darüber nach, was dieser ominöse Typ in Südamerika genau veranstaltet. Dass er indirekt am Auslöschen eines indigenen Stammes in Brasilien beteiligt ist, sieht der nicht. Kaum einer im Konzern weiß über alles Bescheid. Am Ende zählt die Auszahlung an die Aktionäre, Anleger und Großinvestoren. Die letzten Jahrzehnte dürften doch jedem gezeigt haben, wie es weltweit läuft. Es wird erst einmal gemacht. Im Zweifel ohne Rücksicht auf Verluste. Bis eines Tages schlecht gelaunte Leute oder investigative Journalisten den Braten riechen. Dann wird die PR-Abteilung bemüht und Schadensbegrenzung betrieben. Wenn ein wenig Gras über die Sache gewachsen ist, werden die neuen Auflagen, die weiteren Schaden verhindern sollen, als tolle Leistungen und Dienst für die gute Sache verkauft.
Wenn ein Verbrecher eine Tat plant, weiß er genau um das Risiko erwischt zu werden. Aber es ist eben ein Risiko und keine absolute Sicherheit. Es kann klappen und wenn es funktioniert, hat er einiges mehr in der Tasche. Also nimmt er das Risiko in Kauf. Bei Produzenten läuft das nicht anders, nur dass die keinen Bruch planen, sondern eine Chemiefabrik oder eine Mine. Ich bleibe dabei: Ich fühle mich veralbert. Stichwort: Werteorientierte Politik. Ausnahmsweise haben die Rechten mal was Richtiges von sich gegeben: Die kann es im aktuellen Weltwirtschaftssystem nicht geben. Wenn Deutschland keine Geschäfte mit Kleptokraten, Diktatoren, Kriegsverbrechern, korrupten Regimen und anderen Widerlingen macht, gehen bei uns die Lichter aus und die Leute gehen auf die Barrikaden. Deutsche Politiker/innen haben einst damit angefangen, den Leute zu suggerieren, dass sie die Guten sind, nun müssen sie es auch durchziehen. Nach 1945 wurde alles drangesetzt, den Makel des Barbarentums wieder loszuwerden. “Wir sind doch so nett geworden. Wir kommen mit Ausländern klar, überfallen keine anderen Länder, zahlen Wiedergutmachungen, nehmen Flüchtlinge auf und helfen der Dritten Welt.” Alles ein wenig zähneknirschend, mal abgesehen von Überfällen auf andere Länder, aber immerhin. Es gibt keinen Altruismus und schon gar nicht unter Nationalstaaten. Warum sind die so versessen auf deutsches Kriegsgerät? Ganz einfach, weil es gutes Zeug ist und eine Menge Geld in die Forschung und Ingenieurskunst gesteckt wurde. Wären unsere Waffensysteme, Panzer, Haubitzen, der letzte Schrott, steckten wir nicht in der Bredouille. Bräuchten wir den Kram selbst? Wohl kaum! Das ist ja der Sinn der NATO. Um uns herum gibt es genügend andere, die den Knopf drücken können. Und Deutschland als Mittelstaat ist ein nettes Kampfgebiet, von dem am Ende wenig übrig bliebe. Andere Staaten zu überfallen ist heutzutage eher die rustikale, primitive Art, die Staaten ohne großartige Wirtschaftskraft vorbehalten ist. Man kann Staaten auch wirtschaftlich kolonialisieren und sie an der Leine führen. Die Chinesen sind da wahre Meister. Taiwan ist mehr so ein Macho-Prestige-Objekt. Aber wir können das auch ganz gut. Haben wir Entwicklungshilfe gezahlt, weil wir so gute Menschen sind? Nein! Wir haben uns Märkte, Schürfrechte und Rohstoffe gesichert. Und wir wollen es mit den Ausländern nicht übertreiben. Die sollen gefälligst zu Hause arm bleiben. Dublin war ein genialer Schachzug. Wir geben allen anderen Kohle, damit die uns in Ruhe lassen.
Ach, es gibt so vieles, was ich nicht mehr hören kann und will. Enden möchte ich mit der miesesten Kampagne, die derzeit seitens der CDU gefahren wird. Am 19.03. gab Armin Laschet im ZDF ein Interview, bei dem mir die Spucke wegblieb. Dort steigt er mit einer vermeintlichen zu geringen Aufklärung über Impfschäden ein. Was erstmal völliger Blödsinn ist, weil dies die Ärzte umfassend taten. Zudem sind Impfungen nicht etwas wirklich Neues. Die überwiegende Zahl der Deutschen ist gegen viele Krankheiten geimpft. Und bei jeder Impfung bekommen alle brav ihre Belehrungen. Irgendwann schwenkt er auf die Impfgegner um, für die man doch Verständnis haben müsse. Ebenso für die erlebnisorientierten Mitglieder der überversorgten Spaßgesellschaft in einem reichen Industrieland. Kurzfristig benötigte ich ein Taschentuch, weil Deutsche mal ein Jahr nicht auf einer Fressmeile mit der Bezeichnung Weihnachtsmarkt Glühwein saufen oder beim Karneval nicht die Sau herauslassen konnten. Mal zum Vergleich: Auf Langkawi/Malaysia saßen ein paar Freunde von mir bei einem Bier zusammen. Dann kam die Polizei und nahm alle fest. Und weil der Sultan keinen Spaß versteht, landeten sie zu fünft in einer mit 10 Mann belegten Zelle, die für 4 Leute ausgelegt ist. Im hinteren Bereich eine Rinne für die Notdurft. Ansonsten keinerlei Mobiliar. Also wurde wechselweise auf dem Betonfußboden geschlafen. Die malaiische Polizei hat etwas andere Vorstellungen von Polizeigewalt und verteilt als Essen nicht mehr ganz frischen Fisch, damit die Verdauung besser in Gang kommt. Das ganze Programm dauerte einen Monat. Jetzt aktuell läuft ein Prozess gegen einen hohen Beamten, der Hilfsgelder um die Ecke brachte. In ihrer Not hängten die Leute weiße Flaggen aus dem Fenster und signalisierten so, dass sie noch etwas zu Essen für andere abgeben könnten. Während der Pandemie erreichten mich Nachrichten von indischen Bekannten, deren Verwandte wie die Fliegen an Corona starben, weil die Versorgung mit Impfstoff nicht klappte. Hoch spannend ist auch der Umstand, dass ausgerechnet in Deutschland ganz doll viele Impfschäden auftauchen. Für zartbesaitete Wohlstandkörper scheint der Impfstoff besonders gefährlich zu sein. Ich will nicht in Abrede stellen, dass es Schäden gibt. Die gibt es zu einer gewissen Prozentzahl immer. Aber vermutlich wird auch nicht der Nachweis erbracht werden können, was mit den Geschädigten passiert wäre, wenn sie Corona mit der vollen Wucht bekommen hätten. Was Laschet im Auftrag der UNION veranstaltet, ist klar. Die greifen das negativ konnotierte Thema auf und versuchen es für sich positiv zu drehen. Das ist absolut unterirdisch und beispiellos. Das Sahnetörtchen gibt es dann zum Ende des Interviews. Er sagt selbst wortwörtlich: … die wenigen, es sind ja nicht viele, die jetzt Impfschäden …” Dabei fordert er die Pharmakonzerne auf, sich an den Kosten zu beteiligen. In einem Abwasch bedient er auch noch diejenigen, welche die Verschwörungstheorie aufstellten, dass alles nur zum Gelddrucken erfunden wurde. Ich befürchte, die kommen mit dieser Nummer durch.
Nein, es ist nicht alles schlecht und einer Vielzahl von Entscheidungsträgern/innen aus der Politik und Wirtschaft unterstelle ich nicht einmal Bösartigkeit. Es mangelt ihnen an Weitsicht. Sie haben das Jetzt und Morgen, ihren persönlichen Status und Erfolg vor Augen. Was sie mit all ihrer Propaganda, kurzsichtigen Handeln, ihrer Egozentrik, für die Zukunft anrichten, sehen sie nicht. Sie konstruieren ein System, welches auf Profit, Wachstum und Geld basiert. In der Konsequenz gibt es natürlich Leute, die alles ausreizen. Darauf reagieren sie wiederum mit Gesetzen, Überwachung, Abschaffung des Bargelds. Die Gierigen finden neue Wege und überwacht wird am Ende der normale rechtschaffende Staatsbürger. Das Regelwerk wird immer engmaschiger. Dies hat irgendwann zur Folge, dass ein Denken entsteht, in dem alles erlaubt und zulässig ist, was nicht in den Regeln verboten wurde. Wer dann sagt: Stopp, es gibt einige sich logisch ergebende Grenzen, die nicht niedergeschrieben sind, wird zum Moralisten abgestempelt. Weltweit setzen diese Leute alles dran, dass alles nach ökonomischen Kriterien geprüft wird … und das wird richtig böse schiefgehen.
Unser Leben wird von unserem Geist geformt und wir werden, was wir denken.
Eingangsvers des Dhammapada
Am Anfang sind wir frei? Oder doch nicht?
Vor etwas mehr als 26 Jahren stand ich zum zweiten Mal im Kreißsaal eines Berliner Krankenhauses und gab meiner zweiten Tochter das Versprechen, welches ich schon meiner ersten gab. “Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, damit Du als freier Mensch leben kannst.” Das war mir sehr wichtig. Es mag pathetisch klingen. Aber wenn es einen Ort und einen Moment gibt, an dem man dies darf, dann ist es ein Kreißsaal im Anblick eines Neugeborenen. Hätte mich damals jemand gefragt, was ich denn unter frei verstehe und warum mir dies so sehr am Herzen lag, wäre meine Antwort vermutlich nicht sonderlich präzise gewesen. Die meisten mir bekannten Leute wünschen ihren Kindern, was sie selbst nicht sind oder haben, aber gern wären und besäßen. War ich in diesem Moment nicht frei? Mit Sicherheit eine Frage der Relation. Ebenso, was man darunter versteht. Was ist das Gegenteil davon? Eingesperrt? Abhängigkeit? Gehemmt? Unfrei erscheint mir ein wenig banal und einer Antwort nicht dienlich.
Heute denke ich, dass nicht ein Motiv ursächlich war, sondern mich eine Mischung aus Erfahrungen in unterschiedlichen Lebensbereichen antrieb. Schon in der Kindheit, entwickelte ich eine Aversion gegen Verhaltensweisen, die von gar nicht wenigen angewendet werden, um anderen ihr Leben aufzudrücken. Und Kinder werden gern als Mittel zum Zweck benutzt. Da wird Dankbarkeit eingefordert, emotional genötigt und einiges mehr an den Tag gelegt. Als ich Vater wurde, diente ich bereits bei der Kriminalpolizei. Infolgedessen griff ich sehr praktisch und unmissverständlich in die Rechte und damit auch in die Freiheit anderer Menschen ein. Ich gebe zu, dass mir dabei nicht immer ganz wohl war. Die innere Kritik meldete sich spätestens beim Thema Drogenpolitik. Es ist nicht einfach, sich in einem Freundes- und Bekanntenkreis zu bewegen, der sich nachvollziehbar über eine lächerliche und willkürliche Gesetzgebung hinwegsetzt, wenn man selbst deshalb ermitteln soll. Außerdem stand ich schon seit der Jugend allem kritisch gegenüber, was mit Macht und Autorität zu tun hat. Macht verändert Menschen und ich nehme mich dabei nicht aus. Und niemand sollte sich dabei etwas vormachen. Selbst Kindererziehung hat etwas mit Macht zu tun, zumal sie immer umfangreicher wird. Ganz früher bedeutete Erziehung einem Kind das Notwendigste beizubringen. Heute bleiben Kinder viel länger zu Hause. Eltern sehen sich dazu verpflichtet, dem Nachwuchs ihre Vorstellungen von einem erfolgreichen Leben in der Gesellschaft zu vermitteln. Mir kommt dabei häufig der Gedanke: Wenn ich wüsste, wie der ideale Weg aussieht, wäre ich ihn gegangen. Dabei habe ich eine Wandlung vollzogen. In den ersten Jahren dachte ich auch, über vielerlei Bescheid zu wissen. Doch eines Tages sagte ich einer Tochter: “Wenn Du ein Problem mit der Elektrik hast, rufst Du einen Elektriker und keinen Bäckermeister. Bei einem Brand die Feuerwehr und nicht die Polizei. Frag mich zu den Lebensaspekten, bei denen mir zuzutrauen ist, dass ich wirklich etwas weiß. Bei allen anderen Sachen bin ich einer unter vielen, die eine Meinung haben.” Ich denke, einen guten Instinkt für die richtigen Berater zu entwickeln, ist ein wichtiger Lebensaspekt.
In der Polizei wurde meine Skepsis gegenüber Macht und Autorität von Jahr zu Jahr zur Gewissheit. Kurt Tucholsky schrieb: “Wenn Du einen Menschen wirklich kennenlernen willst, mach ihn zu Deinem Vorgesetzten!” Meinen Vorstellungen nach unterläuft den meisten Menschen ein eklatanter Fehler. Sie denken, die Macht und Autorität wurde ihnen verliehen, um andere dahingehend anzuleiten, Aufgabenstellungen zu bewältigen, wie sie es selbst tun würden. Hieraus schlussfolgern sie, dass alle andersartigen zu ihnen passend gemacht werden müssen oder sich wenigstens zu fügen haben. Mit dieser Haltung kann ich nichts anfangen. Ein Führungsgrundsatz lautet: “Führen bedeutet, andere Menschen erfolgreich zu machen!” Das andere bedeutet, mit Autorität die Leute zu abhängigen und gehorsamen Erfüllungsgehilfen zu degradieren. Ist die notwendige Autorität nicht von Natur aus vorhanden, wird sie halt mittels Amt zugeteilt. Letzteres ist der Regelfall, welcher von Ausnahmen bestätigt wird. In vielen Bereichen ist das recht zweckmäßig. Nämlich immer dann, wenn die Leute nichts weiter mit der Arbeit verbindet als Geld. Nach eigenen Vorstellungen gestalten zu können, ist ein wesentlicher Teil der Freiheit. Menschen wollen aktiv sein, etwas erschaffen und damit wirklich werden. Arbeiten ist an sich etwas Gutes und Teil des Lebens. Sie wird erst zum Problem, wenn man von dem, was man tut, entfremdet ist. Deshalb betrachte ich es kritisch, wenn jemand konsequent zwischen Arbeit und Privatleben unterscheidet. Die Entscheidung mag richtig sein, aber meistens ist dann etwas mit der Tätigkeit nicht in Ordnung. Im Dienst erlebte ich dies im Zusammenhang mit der Zeit, in der die ersten dienstlichen Mobiltelefone verteilt wurden. Anfangs nahmen die Kollegen/innen sie freiwillig mit nach Hause, um im Falle einer unvorhergesehenen Einsatzlage alarmiert werden zu können. Das ging nicht lange gut. Die obere Führungsebene sah diese Bereitschaft schnell als Selbstverständlichkeit und war dann auch nicht mehr gewillt, bezahlte Rufbereitschaften anzuordnen. Eines Abends nach Dienstende schaute ich mit dem Teamleiter auf die Steckdosenleiste. Alle Telefone steckten zum Laden in der Leiste. Er sagte nur: “So kann man auch zeigen, dass man die Nase voll hat!”
Durch den Beruf erhielt ich Einblicke in Bereiche der Gesellschaft, die mir ohne niemals möglich gewesen wären. Manch einer mag jetzt an die sozial schwierigen Bereiche denken. Schwierig auf jeden Fall, aber “unten” hatte ich ohnehin genug gesehen. Ich meine das Milieu der Besserverdiener. Mal die Yuppies mit dem schnellen Geld, andere Male Politiker/innen oder auch die vor Arroganz stinkenden Besitzer/innen der großen Häuser ohne Namensschilder, aber sehr viel Sicherheitsbedürfnis. Zu dem, was ich sah, nahm ich lange Zeit eine fatalistische Haltung ein. “So ist das nun einmal. Gerechtigkeit, Gleichheit und Freiheit sind weite Felder mit sehr vielen Grauzonen! Und Du bist nicht Don Quichotte.” Oftmals rettete ich mich der Haltung, dass es nicht mein Job wäre, die Ursachen anzugehen, sondern bei passender Gelegenheit den Auswirkungen die Spitzen zu nehmen. Mir war klar, dass die jungen serbischen Einbrecher auf der anderen Seite der Schreibmaschine zum Verbrecher geformt wurden. Diejenigen, welche dies zu verantworten hatten, spielten in einer anderen Liga und gehörten vor einen internationalen Gerichtshof. Allerdings gibt es noch andere menschliche Aspekte, die nichts mit dem eigentlichen Delikt zu tun haben. Ich kann irgendwo einbrechen, aber mich dennoch halbwegs fair gegenüber den Opfern verhalten und mir damit selbst beweisen, dass ich noch nicht völlig verroht bin. Dies gilt bei vielen Straftaten. Anfügen will ich auch noch den Unterschied zwischen einer rein kriminellen Handlung, die der reinen Bereicherung dient oder einer, die aus einer Überzeugung heraus begangen wird. Im zweiten Fall komme ich nicht daran vorbei, mir diese näher anzuschauen. Sie kann darauf ausgerichtet sein, eine politische Ordnung zu erreichen, in der ich und meiner gleichen Vorteile genießen oder ich einen Zustand mit größerer Freiheit für alle anstrebe. Ob dies funktioniert, steht auf einem anderen Blatt Papier. Ich denke dabei zum Beispiel an die anarchisch motivierte Bonnot-Bande, welche in Frankreich 1911 bis 1912 Banküberfälle beging und die Beute nach Robin Hood Manier verteilte. Man mag die Taten der Überzeugungstäter/innen verwerflich finden. Doch ein/e gute/r Ermittler wird sich immer mit den Motiven auseinandersetzen müssen. In einer Zeit der sprachlichen Unschärfe ist es schwer den Leuten begreiflich zu machen, dass nachvollziehen nicht Sympathie oder Zustimmung bedeutet. Wenn jemand völlig irrational, vollkommen frei von erkennbaren Motiven handelt, dann gibt es auch nichts nachzuvollziehen. Entweder ist es Wahn oder psychopathisches Kalkül, wie es Friedrich Dürrenmatt in der Wette zwischen Kommissar Bärlach und Gastmann beschreibt.[1]Der Richter und sein Henker
Heute las ich davon, dass gegen Klima-Aktivisten tatsächlich ein Verfahren wegen des Verdachts der Bildung einer Kriminellen Vereinigung eröffnet wurde. Genau in der Zeit, als meine Kinder geboren wurden, bearbeitete ich bei der Kriminalpolizei erstmalig ein Verfahren mit dieser Überschrift. Die Tatverdächtigen arbeiteten sich einmal quer durch das Strafgesetzbuch: Bewaffneter Raub, Mord, Einbrüche, Kfz-Verschiebung, Kreditkartenbetrug, Waffenhandel, gewerbsmäßige Hehlerei. Letztendlich konnte ich den Nachweis nicht erbringen, weil sich die rund 60 Beteiligten keinen gemeinsamen Namen gegeben hatten. Daran scheiterten damals im Bereich der Organisierten Kriminalität viele Verfahren, bei denen man versuchte den § 129 a StGB anzuwenden. Am Ende nennt sich dann alles kriminelles Netzwerk von organisiert vorgehenden Banden. 2017 entfiel diese Bedingung mit einer Gesetzesänderung. Dazu muss man wissen, welche Auswirkungen die Annahme des Tatbestands hat. Jeder, der die Vereinigung logistisch oder finanziell unterstützt, ohne selbst die eigentlichen Straftaten zu begehen, hängt mit drin. Deshalb dürfen auch sie mit verdeckten polizeilichen Maßnahmen, Observationen, Kommunikationsüberwachung, Einschleusen von Verdeckten Ermittlern belegt werden. Ich halte es für nachvollziehbar, dass ich meine Verfahren, dem aktuellen bezüglich der Klima-Aktivisten gegenüberstelle. Bei mir löste dies einiges aus. Als dieses Thema aufkam, glaubte ich anfangs noch an das übliche populistische Gerede von Konservativen. Niemand, der ein wenig in der Materie steckt, käme auf die Idee, die Aktivisten mit Kriminellen in einen Topf zu werfen. Kriminell ist für mich immer noch jemand, der sich auf miese Art bereichern will und dabei keine Skrupel kennt. Mit Sicherheit keine Leute, die sich bei Wind und Wetter für ihre Überzeugung mit nackten Händen an eine Fahrbahn kleben. Man kann das blöd finden, nicht zielführend oder vermessen, aber nicht kriminell. Entsprechend konsterniert las ich dann die Meldung. Der § 129 a StGB wird von manchen auch «Schnüffelparagraf» genannt. Eine minimale Zahl der geführten Verfahren kommt zur Anklage und noch weniger ziehen Verurteilungen nach sich. Aber im Vorfeld wird der Polizei wie bereits erwähnt über den §§ 100 a ff. StPO ein ganzer Blumenstrauß an Maßnahmen ermöglicht.
Das ist ein massiver Eingriff staatlicher Institutionen in die Freiheiten eines Bürgers. Vielmehr geht kaum noch. Und all dies wurde nach einer Innenministerkonferenz eingeleitet. Entgegen den unwahren Behauptungen vieler Politiker ist die deutsche Justiz nicht unabhängig. Die Staatsanwaltschaft muss den Vorgaben ihres Vorgesetzten, dem Justizministerium, Folge leisten. Und der Weg von Justiz zur Innensicherheit ist wahrlich nicht weit. Es fällt mir schwer, keine Verbindung zwischen der für die Politik unbefriedigende Verweigerung des Verfassungsschutzes, die Aktivisten als umstürzlerische Extremisten zu betrachten und die Eröffnung eines 129 a – Verfahrens zu sehen. De facto erfolgt die Anwendung mit einer politischen Intention. Die missliebigen Protestierer sollen über die Kriminalisierung und Überwachung zur Räson gebracht werden.
Nochmals zurück ins Krankenhaus. Eins wurde mir in diesen Tagen bewusst. Mit der Geburt wird ein Wesen in die Welt gesetzt, welches mit dem ersten Schrei von bereits existierenden Strukturen beschränkt wird, die lange vor diesem Moment von Menschen konstruiert wurden. Der Ort, das Krankenhaus, die Qualifikation des Krankenhauspersonals, die Standards, die Charaktere der Eltern, wirken auf das Kind ein. Für uns, die Eltern, begann es mit der Anwendung von Silbernitrat, welches Neugeborenen zur Prophylaxe vor einer Gonokokken-Infektion (Tripper) ins Auge geträufelt wird. Das Zeug hieß früher im Volksmund Höllenstein. Und genau so brennt es auch. Doch warum diese Qual, wenn vorher eine Erkrankung der Mutter ausgeschlossen wurde? Außerdem wage ich zu bezweifeln, dass dies allen Müttern und Vätern bekannt ist. Später ging es um die Trennung von Mutter und Kind. Im Krankenhaus gab es eine neue Neonatologie-Station. Bereits in den 90ern mussten Krankenhäuser Profite erwirtschaften. Medizinische Werte ändern sich ständig und oftmals kommt einem der Verdacht, dass das weniger medizinische Gründe hat, sondern die Herab – oder Heraufsetzung, welche regelmäßig eine Medikation oder Behandlungsprozedur nach sich ziehen. Damals setzten sie die Werte herunter, welche den Verdacht einer Neugeborenen-Gelbsucht indizierten, woraufhin meine erste Tochter prompt auf der neuen Station landete. Ich konnte mich des Verdachts nicht erwehren, dass das etwas mit meiner privaten Krankenversicherung zu tun hatte, zumal da nicht alle Kinder mit identischen Werten landeten. Neue Station, private Krankenversicherung, Chefarztbehandlung (obwohl die eigentliche Chefin im Ring die Hebamme war), Informationen über die Behandlungsmethoden, all dieses gehört zum Aufbau und Struktur des Gesellschaftssystems, in das Kinder hineingesetzt werden. Außerdem sind es Aspekte, die an einem anderen Ort überhaupt nicht vorhanden sind. Theoretisch müsste ich noch weiter zurückgehen. Vorsorgeuntersuchungen, Lebensumstände der Mutter, Ernährung, Untersuchungen des Fötus, gehören gleichermaßen dazu.
Wenn es heißt, ein Kind wurde geboren, sind wir uns allzu selten dessen bewusst, was das bedeutet. Es ist die Kurzform für: “Vorausgesetzt das Kind ist gesund, wurde ein Lebewesen geboren, welches aufrecht gehen kann, über zwei gegenüberstellte Daumen verfügt, ein Zentrales Nervensystem und Großhirn aufweist, dessen Neokortex es zum Denken und Sprechen befähigt. Somit grundsätzlich zu allem befähigt ist, was jemals ein Mensch tat, jetzt gerade unternimmt oder noch machen wird.” Im Kinderbett liegt eine zukünftige Atomphysikerin, eine Lehrerin, Architektin, Krankenschwester, Tischlerin, eine geldgierige Frau, eine Buddhistin, eine knallharte Geschäftsfrau, eine eher empathisch ausgerichtete Helferin oder eine Querdenkerin, Faschistin, Esoterikerin. Alles ist möglich! Und dann geht es los. Wie alles weiter gehen kann, beschrieb Aldous Huxley in seiner Dystopie “Eine schöne neue Welt”, in dem er es überzeichnete. Bereits im Krabbelalter, werden dort die Kinder für ihre künftige vorgesehene Rolle in der Gesellschaft konditioniert. Wenn ich mir die aktuelle Realität anschaue, bin ich mir nicht sicher, ob wir seine ehemals überzeichnete Darstellung längst überflügelten. Psychologen konnten in Experimenten nachweisen, dass Kinder im Jugendalter nicht mehr unterscheiden können, ob sie ein Ereignis tatsächlich erlebten oder es ihnen mit einer Virtuell Reality Brille suggeriert wurde. Aus älteren Experimenten ist bekannt, wie trügerisch Erinnerungen sein können. Beispielsweise ließ man eingeweihte Geschwister über einen längeren Zeitraum eine frei erfundene Geschichte erzählen. Es dauerte gar nicht lange, bis die unwissenden Schwestern und Brüder glaubten, sie tatsächlich erlebt zu haben. Wende ich dies auf PC-Spiele, dauerhaftes Einwirken von ausgefeilter Werbung, Algorithmen, Manipulationen der Eltern, welche die Ergebnisse an die Kinder weitergeben, an, sind wir längst inmitten der dystopischen Darstellungen. Ich bewundere in diesem Zusammenhang den Anarchisten Francisco Ferrer, welcher lange vor Huxley (Brave New World, 1932) im Jahr 1901 die “Moderne Schule” gründete, in der die Schüler nach anarchistischen Grundsätzen ausgebildet wurden. Von ihm ist die Aussage überliefert, dass von den Absolventen nicht erwartet werden kann, selbst Anarchisten zu werden. Denn dies würde bedeuten, nicht den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden, freien, selbst entscheidenden Menschen einen Lebensweg zu eröffnen.
Frei? Versuch einer Herleitung
Was bedeutet, frei zu leben? Für manche besteht die Freiheit darin, mit einer Harley die Route 66 herunterzufahren. Aber irgendwann ist die auch mal zu Ende. Und dann? Andere halten ein Wohnmobil für die Erfüllung. Auf dem Trip war ich auch mal. Doch erstens sind die Dinger extrem teuer und ich stellte fest, dass man damit an Grenzen schnell lernt, wie kompliziert die Welt geworden ist. Und egal wie man es anstellt, wirklich frei ist man mit solchen Aktionen nie. Das Stichwort lautet: Abhängigkeit! Geld ist in den meisten Systemen durchaus ein gutes Mittel sich einen Lebensstil kaufen zu können, aber ist man deshalb frei?
Wenn ich rein theoretisch vollkommen allein auf der Welt wäre, könnte ich alles tun und lassen, was mir gerade in den Sinn kommt. Jedenfalls so lange, bis sich in mir Bedürfnisse regen. Hunger, Durst, Schlaf, Verdauung erzeugen Notwendigkeiten. Zumindest, wenn ich leben will. Dies würde mich dazu zwingen, etwas zu unternehmen. Damit wäre es bereits in diesem Moment mit der totalen Freiheit vorbei. Hieraus ergibt sich für mich eine weitere logische Schlussfolgerung. Die Anzahl der Bedürfnisse bestimmt schon einmal den Grad der Freiheit, ohne dass überhaupt jemand anderes eine Rolle spielt. Gleichzeitig ist sie davon abhängig, wie viel Aufwand ich insbesondere zur Stillung absolut lebensnotwendiger Aspekte betreiben muss. Zu Hunger, Durst, Schlaf, Notdurft, nehme ich noch den Schutz und soziale Kontakte dazu. Alles zusammen setze ich unter die Überschrift: Lebenswille. Wie sehr sich das praktisch auswirkt, weiß jeder Arme. Wobei ich die echte Armut meine. Sie ist gegeben, wenn ein Mensch objektiv nicht genug zum Leben hat. Relativ ist sie, wenn die Möglichkeiten im Verhältnis zu den gut situierten Mitgliedern einer Gesellschaft arg eingeschränkt sind. Derzeit liegt die absolute Armutsgrenze bei täglichen 1,9 US-Dollar Kaufkapazität. Ich finde diese Art der Bewertung nicht treffend. Sie wird nicht denen gerecht, die ohne Geld leben, aber sich sehr wohl gut versorgen können. Indigene Völker sind, solange sie sich selbst mit Nahrung, Schutz, versorgen können, nicht arm. Gleichfalls sind sie nicht rückständig, sondern leben im Einklang mit dem natürlichen System. Die leben freier als jeder, der sich nur mit finanziellen Mitteln versorgen kann. Die absolute Armut betrifft weltweit rund 700 Millionen Menschen. Davon leben 178.000 in Deutschland. Weil sie monatlich über weniger als 1.162 EUR verfügen können, sind von relativer Armut 13 Millionen Deutsche betroffen.[2]https://moneytransfers.com/de/news/content/armut-weltweit-statistik-2022-fakten-uber-absolute-und-relative-armut#Die-Armutsgrenze-in-Deutschland-2022-liegt-bei-60%-des-Durchschnittseinkommens. Ihre Freiheiten sind in jeder Hinsicht beschränkt. Eine Selbstversorgung ist nicht möglich und sie leben in einem System, in dem man nur mit Geld überleben kann. Früher gab es diese romantische Vorstellung der freien Clochards. Ein Wort, welches besser klingt als Obdachlos. In unseren Breitengraden gibt es bei diesem Leben keine Romantik. Ich will nicht ausschließen, dass indische Asketen oder ohne Besitz lebende buddhistische Mönche so etwas wie echte Freiheit finden. Doch die müssen sich nicht mit bitterer Kälte herumschlagen und werden von der Bevölkerung unterstützt. Allerdings ließ ich mich persönlich bezüglich der Freiheit von der buddhistischen Logik überzeugen. Abhängigkeiten stehen der Freiheit immer im Weg. Und der Hauslose Weg kommt schon ziemlich nah an echte Freiheit heran. Doch an Essen, Trinken und ein paar anderen Bedürfnissen kommt man schwer vorbei. All das ganze Gerede über Leistungsanreize und Sanktionen bei Sozialleistungen ist mir zuwider. Sähen die aufrichtigen Leute realistische Optionen, um aus der Misere herauszukommen, würden sie sie ergreifen. Die echten Ganoven, welche das System für ihre Zwecke benutzen, wissen genau, wie sie sich zu verhalten haben. Getroffen werden alle, die es nicht besser wissen, können oder in Schwierigkeiten sind. Eine Bekannte meinte letztens, dass es nicht sein könne, dass jemand mit Sozialleistungen mehr Geld bekäme, als ein Niedriglöhner. Ist dann eventuell der Niedriglohn zu gering angesetzt? Ich denke schon!
Ich darf auch nicht die Natur des Menschen außer Acht lassen. In uns existiert ein Belohnungssystem, welches mit dem Lebenswillen eng verbunden ist. Es ist wie so vieles andere ein Ergebnis der Evolution. Soziales Verhalten, welches eine erfolgreiche Interaktion als Gruppe/Horde ermöglicht, wird mit angenehm empfundenen Emotionen belohnt. Ebenso war es im Frühstadium der Entwicklung existenziell notwendig, eine Vorratshaltung zu betreiben. Da unterscheidet sich der Homo sapiens nicht im Geringsten von anderen Tieren. Nur, dass die anderen Tiere keine Optionen entwickelten, es damit übertreiben zu können oder rituelle Handlungen zu entwickeln, die mit dem eigentlichen Zweck nichts mehr zu tun haben. Ein verunsichertes Huhn, welches auf dem Boden herum pickt, obwohl es dort gar nichts gibt, wirkt komisch. Ein frustrierter Mensch, der sich in einem Einkaufstempel lauter Dinge kauft, die keinen praktischen Zweck aufweisen, eher traurig. Nicht weniger schräg sind die Hamsterkäufe von Nudeln oder Toilettenpapier. Vor allem im Vergleich zu anderen Ländern. In Frankreich wurden die Kondome knapp. Mehr muss man vermutlich nicht wissen. Ist sich jemand nicht bewusst, was das Belohnungssystem für Folgen haben kann, ist es mit der freien Willensbildung vorbei.
Praktischbin ich nicht allein und lebe auch nicht in einem paradiesischen Milieu, wo mir gebratene Hähnchen vom Himmel entgegenfallen und an den Bäumen Leckereien wachsen. Damit ist klar, dass Freiheit an sich nichts besagt. Vielmehr müssen noch Konkretisierungen hinzukommen. Was ist eigentlich das Gegenteil von einem freien Leben? Wenn man mich daran hindert, dass ich mich meinem Willen folgend bewege, bin ich im absoluten Fall eingesperrt oder im verminderten in meiner Bewegungsfreiheit beschränkt. Dies kann durch ein natürliches Ereignis, Umstände oder durch ein anderes Lebewesen geschehen. Demnach muss ich die zusätzlich benennen. Dies gilt ebenso für die Redefreiheit, Meinungsfreiheit, Kunstfreiheit, Religionsfreiheit, Bildungsfreiheit, usw. Ein besonderer Fall ist für mich die freie Willensbildung. Die kann gemindert werden, in dem mir dafür notwendige Informationen vorenthalten werden oder man mir vorsätzlich falsche gibt. Passe ich nicht auf, werde ich das Opfer von geschickten Manipulationen. Denen zu widerstehen, ist bei uns ermüdend. Egal was wir tun, irgendjemand versucht es immer. Mal sind es visuelle Reize, minimale Abläufe, Gerüche, Gefühlsappelle, alles, was die Ratio ausschaltet, wird angewandt. Nicht einmal, ob wir auf unseren Smartphones nach unten “wischen” oder nach oben ist dem Zufall geschuldet. Mit Probanden wurde untersucht, was den Benutzer länger bei der Stange hält. Oder wie lange welches Bild an welcher Stelle des Bildschirms betrachtet wird. Sie testen einfach alles aus.
Ich kann mir aber auch selbst im Weg stehen. Wenn ich mich von anderen abhängig mache, beschränke ich mich. Dies muss nicht unbedingt negativ sein. Vielleicht ist es der einzige Weg, um andere Hindernisse zu überwinden oder Bedürfnisse zu befriedigen. Mein Gehirn kann sich weit über die notwendigen Grenzen jede Menge Beschränkungen ausdenken. Immerhin sind sie, wenn sie ausschließlich von mir selbst stammen, frei entstanden und die Aufgabe geschah freiwillig. In der Regel sieht es anders aus. Jede Familie hat so ihre eigenen tradierten Verhaltensvorgaben. Nicht selten stammen sie aus längst zurückliegenden Zeiten und besonders erscheinen sie prüfenswert, wenn sie aus alten überkommenen moralischen Konstruktionen entstanden sind oder in Zeiten der Traumata, Not und Wiederaufbau geprägt wurden. Ich kenne noch solche Sprüche, wie: “Gehe nicht zu Deinem Fürsten, wenn Du nicht gerufen wurdest!”; “Lehrjahre sind keine Herrenjahre!”; “Am Abend werden die Faulen fleißig.”; “Müßiggang ist aller Laster Anfang.”; “Das hat noch niemanden geschadet.”, “Was man angefangen hat, muss man auch zu Ende bringen.” Auch die mutwillig entstellten Zitate von griechischen und römischen Philosophen gehören dazu. Eins meiner Favoriten ist “Carpe diem!”. Übersetzt heißt es nicht: “Nutze den Tag!” Und erst recht nicht, ist es eine Aufforderung, die Tagesarbeit zum Abschluss zu bringen, damit der nächste für andere Arbeiten genutzt werden kann. Nicht einmal sich den Tag besonders vollzupacken ist gemeint. Es heißt: “Pflücke den Tag!” Genieße ihn, sei Dir dieses Tages bewusst und lebe im Hier und Jetzt, ist die wahre Bedeutung. Es besteht auch keinerlei Anlass dafür, das Alter zu respektieren. Alt werden wir alle. Rücksicht nehmen ist eine gute Idee. Denn jeder sollte sich bewusst sein, dass einem jeder alte Mensch die eigene mögliche Zukunft zeigt. Und so wie ich mit den Alten umspringe, ergeht es mir möglicherweise selbst, weil ich an der Gestaltung einer rücksichtslosen Welt beteiligt war. Daran muss ich immer denken, wenn mal wieder ein junger erlebnisorientierter Politiker längere Arbeitszeiten fordert. Warte mal ab! Eines Tages werden Dich Deine eigenen Forderungen einholen. Oder wenn die Privatisierung und Produktivität von Krankenhäusern und Pflegestätten angestrebt wird. Es gibt dieses schöne Märchen von den Gebrüdern Grimm, in dem ein alter Mann immer aus einem Holztrog essen muss, weil er mit seinen zittrigen Händen nicht mehr den Teller halten kann. Eines Abends beobachten die am Tisch sitzenden Eltern ihr Kind dabei, wie es an einem Holz schnitzt. Als sie nachfragen, antwortet das Kind: “Ich schnitze für Euch einen hölzernen Trog, aus dem ihr später essen könnt!”
Der Psychoanalytiker, Theologe, Jesuit und Managementberater Rupert Lay fordert in seinem Buch “Führen durch das Wort” dazu auf, eine Liste von den Überzeugungen, Annahmen aufzustellen, die man selbst nie prüfte und einfach nur erzählt bekam. Ich machte es mal und war erschrocken über die Menge. Mit Sicherheit war die Liste nicht vollständig. Ähnlich erging es mir mit dem Buch “Die Kunst des Digitalen Lebens” von Rolf Dobelli.[3]https://www.dobelli.com/de/bucher/die-kunst-des-digitalen-lebens/ – Wir sind immer bestens informiert und wissen doch so wenig. Warum? Weil wir ständig News konsumieren – kleine … Continue reading Ich bin seinem Vorschlag auf Nachrichten zu verzichten nicht gefolgt. Stimme jedoch zu, dass er damit richtig liegt, was die Nachrichten, die eigentlich keine sind, mit uns machen. Was da täglich durch die Medien rauscht, sind Produkte, die entweder verkauft werden müssen oder Mittel zum Zweck sind. Am ehesten wird mir dies bewusst, wenn aus einzelnen Ereignissen eine vermeintlich in sich stimmige Geschichte gestrickt wird. Wir sind so. Unser Gehirn muss Kausalitäten herstellen. Ob die nun vorhanden sind oder nicht. Im Zweifelsfall werden sie halt konstruiert. Machen wir es nicht selbst, sondern kommen sie von anderer Seite, ist Manipulationsalarm angesagt. Objektiv betrachtet gibt es zwischen der Herkunft, Kultur und Straftat eines Täters selten eine Kausalität. Wäre dies der Fall, hätte im jeweiligen Land schon immer Raub, Mord, Totschlag, Vergewaltigungen, Diebstahl, an der Tagesordnung sein müssen. Die Zerstörung der Kultur, der Überlebenskampf, die Ausweglosigkeit, die Umstände der Flucht, die bestehenden Verhältnisse, die Traumata, der Wahnsinn, sind ursächlich. Ich sah einmal ein Flüchtlingsboot mit mehreren hundert Flüchtlingen aus Myanmar an einem Strand anlanden. Ich erfuhr, dass sie ursprünglich mit 250 Leuten mehr starteten, die auf dem fast zwei Monate dauernden Horrortrip verhungerten, verdursteten, ertranken. Was müssen sich auf diesem Boot für unvorstellbare Szenen abgespielt haben? Und welcher Mensch übersteht dies ohne Folgen? Auch die Tat an sich ist völlig irrelevant. Um mich herum finden täglich Straftaten statt: Frauen werden halb tot geschlagen, Kinder misshandelt, Leute prügeln sich, Diebstähle finden statt. Ob Karl-Heinz, Mandy oder Achmed Täter/in ist, hat keinerlei Bedeutung. Und auch nicht, ob das in Bangkok, Tunis, Tirana oder Istanbul geschieht. Dort wo es passiert, muss man sich um die Opfer und Täter kümmern. Eine Abschiebung führt dazu, dass sie/er an einer anderen Stelle der Erde neue Opfer findet und sich das Leid fortsetzt. Sollte irgendjemand ein echtes Interesse an der Verhinderung von Straftaten haben, muss eine Suche nach den Ursachen stattfinden. Im zweiten Schritt könnten sie dann beseitigt werden. Konjunktiv! Die Ursachen sind vielfach bekannt. Aber wenn wir die angingen, käme dies einer Weltrevolution gleich. Wie auch immer. Jene, die da ständig Kausalitäten zusammenbasteln, führen nichts Gutes im Schilde. Vor allem haben sie nicht meine Freiheit, mein freies Denken, im Sinn. Sie wollen mich manipulieren. Ich schaue weiter Nachrichten und höre mir das alles an. Doch mein Ansatz ist ein anderer: Ich will wissen, was mein Gegner macht. Ich achte weniger darauf, was inhaltlich rübergebracht wird. Mich interessiert, wie es geschieht, welche Wörter benutzt werden und zu welchem Zeitpunkt die Nachrichten auftauchen.
Frei, hat eine Menge mit Interaktionen zu tun. Wenn mindestens zwei Personen eine Rolle spielen, ergeben sich logischerweise zwei Perspektiven. Ich will frei sein und der oder die andere ebenfalls. Gleichsam unterliegen wir den gleichen Beschränkungen. Es ist unwahrscheinlich, dass wir beide immer exakt zum gleichen Zeitpunkt identische Bedürfnisse verspüren. Spätestens an der Stelle werden wir Arrangements finden müssen. Ich kann auch davon ausgehen, dass die andere Seite genau registriert, wie ich mich verhalte. Sind wir beide halbwegs intelligent, werden wir beide dies erkennen. Hierzu gehört auch die Erkenntnis, dass es keine absolute Freiheit geben kann. Zu gleichen Teilen müssen wir Einschränkungen hinnehmen. Tun wir es nicht, wird sich unser Verhältnis sehr schwierig gestalten. Übertreibe ich es mit meinen Anforderungen oder Ansprüchen, wird dies nicht ohne Folgen bleiben. Auf der anderen Seite sieht es genauso aus. Ich denke, aus dieser zwingenden Logik heraus ergaben sich in Folge der Evolution diverse Anlagen des Homo sapiens. Allein hatte der Primat Homo sapiens zu keinem Zeitpunkt eine Überlebenschance. Kooperation, gegenseitiges Einverständnis, Rücksichtnahme, Fürsorge, Einfühlungsvermögen, Gerechtigkeitssinn, sind tief in uns verwurzelt und sind auch bei unseren nahen Verwandten zu beobachten.
Hieraus ergeben sich notwendige, natürliche, Beschränkungen der eigenen Freiheit. Das meiste davon, ohne so etwas wie eine Sozialisierung durch Eltern. Die Natur hat es so eingerichtet, dass bereits Säuglinge beginnen, dies mittels Beobachtungen und Ausprobieren zu erlernen (Belohnungssystem!). Das Kind schaut sich, was es tun muss, damit es sich gut fühlt und die Bedürfnisse erfüllt werden oder was bewirkt eher das Gegenteil? Dazu gehört auch die feste Bindung zu einer Bezugsperson, im Regelfall die Mutter, die quasi in Besitz genommen wird. (Hierzu hat Erich Fromm einiges im Buch “Haben oder Sein” ausgeführt.Er ersieht das Loslassen als eine Emanzipation des Erwachsenen, der sich nicht anklammern muss, sondern sich aus eigener Kraft im Leben zurechtfindet.Während das “Klammern” mehr Ausdruck eines infantil stehengebliebenen Menschen ist) Eine Sozialisierung, im Sinne der Anpassung an eine Gesellschaft, bewirkt unter Umständen einiges, was mit Freiheit, Emanzipation, nichts zu tun hat.
Kein menschliches Handeln ohne Motiv! Wird die Freiheit bewusst beschränkt, muss es eins und einen Grund geben. Es ist zweckmäßig, zeitweilig die Anweisungen einer anderen Person zu befolgen. Wer beißenden Hunger verspürt, aber keinerlei Vorstellung hat, wie er sich mit Jagen, Fischen oder Sammeln sein Essen besorgen kann, ist auf Hilfe angewiesen. Sich dann einem erfahrenen Jäger unterzuordnen, seine Kommandos zu befolgen, kann die Rettung sein. Aber wenn die Nummer vorbei ist oder eine andere Situation eintritt, in de man selbst der Wissende ist, hat sich das erledigt. In unserer Gesellschaftsordnung sieht das anders aus. Jemand wird aus den unterschiedlichsten Gründen zur Autorität ernannt. Außerdem bekommt er Machtmittel überreicht. Einmal in der Position bleibt er dort oder steigt stetig weiter auf. Ob er nun kompetent ist oder nicht. Einige behaupten sogar, dass in einer Hierarchie die Beförderung nach oben so lange andauert, bis jemand die Position erreicht, in der die größte mögliche Inkompetenz erreicht ist.[4]„In einer Hierarchie neigt jeder Beschäftigte dazu, bis zu seiner Stufe der Unfähigkeit aufzusteigen.“ Laurence J.Peter/William Morrow, The Peter Principle
Eine Spezialität ist der Fortpflanzungstrieb. Die Evolution denkt nicht, sondern probiert chaotisch aus, was sich als vorteilhaft erweist. In der Natur erwies es sich von Nutzen, wenn sich die Exemplare einer Gruppe paarten, die die vielversprechendsten Gene für einen Fortbestand und Weiterentwicklung einer Art mit sich brachten. Ein hohes Aggressionspotenzial, welches keine Schranken kennt und mit dem Tod des Gegners endet, ist de facto nicht förderlich. Aus diesem Grund entwickelten alle hoch entwickelten Wirbeltiere Turnierkämpfe.[5]Bei Wölfen wurde die Tötung von Welpen beobachtet, die sich im Spiel besonders aggressiv ggü. Rudelmitgliedern verhielten. Exemplare mit anderen Anlagen treten immer mal wieder auf, aber setzen sich, solange die Art Bestand hat, nicht durch. Welches Verhältnis gefährlich wird, kann man mathematisch ausrechnen. Aber an der Stelle bin ich im Biologie-Leistungskurs ausgestiegen. Mathematik war nie mein Ding. Ich denke, nicht einmal der Homo sapiens macht dabei eine Ausnahme. Der Fehler besteht in der Entwicklung des Großhirns, die es möglich machte, dass die Ausnahmefälle über Möglichkeiten verfügen, die mit natürlichen Vorgaben kurzen Prozess machen. Meiner Erfahrung nach verfügen die meisten psychisch gesunden Menschen über instinktive Hemmungen, die sie in einem unmittelbaren körperlichen Kampf mit einer Person, der sie sich in irgendeiner Art verbunden fühlen, bremsen. Erwürgen, vorsätzliches Totschlagen mit Fäusten und Tritten muss erst einmal “erlernt” werden. Anders sieht es aus, wenn Hilfsmittel oder gar Distanzwaffen hinzukommen. Die Folgen eines Messerstichs sind schwer absehbar und bei einer Schusswaffe spielt der Abstand eine Rolle. Alles ändert sich komplett, wenn zur reinen physikalischen Distanz auch noch eine Innere hinzukommt. Je fremder mir ein anderer vorkommt, desto einfach wird alles. Entfremdung ist ein wichtiger Faktor. Instinktiv tun Menschen in Bedrohungslagen eine ganze Menge, um irgendwie eine Beziehung herzustellen, die sie retten könnte. Dazu gehören auch Demutsgesten, die Urinstinkte anspringen lassen. Das Wort Mitleid indiziert es. Dies kann ich nur empfinden, wenn ich mich auf die/den anderen einlasse, womit es auch unwahrscheinlicher wird, dass ich töte oder wenigstens schwer verletze. Man kennt das auch vom Töten anderer Lebewesen. Es ist ein erheblicher Unterschied, ob ich eine Kuh schlachten soll oder die Kuh Elsa, welche meine Kinder so lieb haben. Genau aus diesem Grund empfinde ich z.B. Kampfdrohnen als eine absolute Perversion. Mehr Abstand zwischen einer/einem die/der tötet und dem Opfer kann nicht mehr hergestellt werden. Das Töten wird zu etwas vollkommen Abstrakten. Ich schrieb bewusst: psychisch gesund! Bei jemanden, der im unmittelbaren Kampf mit einem anderen keine Hemmungen besitzt, auf Demutsgebärden nicht reagiert und keinerlei Bezug zu einem Artgenossen herstellen kann, müssen einige Schalter umgelegt sein. Die Hintergründe können sehr unterschiedlich sein. Keinesfalls ersehe ich einen solchen Menschen noch als frei. Es fehlt schlicht am eigenen, freien Willen. Der ist entweder durch vorhergehende Ereignisse abhandengekommen, war aufgrund biologischer Voraussetzungen nie vorhanden, gezielt ausgeschaltet oder die Überwindung wurde antrainiert. Anders sieht es aus, wenn ich unter Zwang handeln muss. Doch allein das Wort impliziert, dass es sich um eine Lage handelt, in der ich nicht mehr frei und aus eigenem Antrieb handle. Wird mein Leben oder das eines anderen, mit mir in Bezug[6]Was jemand darunter versteht, ist ziemlich individuell. Manchen genügt z.B. die gemeinsame Nationalität, während sich andere auf eine unmittelbare Bekanntschaft reduzieren. Bei … Continue reading stehenden Personen bedroht, muss ich mich zwischen Leben und Tod bzw. mindestens Unversehrtheit entscheiden.
In einer Gesellschaft wie der unseren sind in vielen Teilen die körperlichen Voraussetzungen ohnehin sekundär. Die Paarungsbereitschaft kann mittels Kreditkarte und Konto-Deckung erkauft werden. Doch selbst in modernen Gesellschaften mit anderen Planungskriterien schlägt das Affige durch. In Fitnessstudios pumpen sich Männer auf. Frauen versuchen, eine Figur zu modellieren, die dem Zeitgeist entspricht. „Beten sollte man darum, dass ein gesunder Geist in einem gesunden Körper sei.“ Dies schrieb der Römer Juvenal spöttisch beim Anblick seiner Mitbürger, die sich öffentlich mit eingeölten, trainierten Körpern der Öffentlichkeit präsentierten. Doch muss ich mich über die Straftaten von jungen Männern wundern, wenn ich ihnen vermittle, dass sie die Anerkennung über teure Autos, Kleidung, ein dickes Portemonnaie, Kreditkarten bekommen, und sie auf die Art für die ebenso sozialisierten Frauen interessant werden? Vor allem, wenn sie gar keine andere Chancen bekommen? Schnelles Geld mit wenig Aufwand zu verdienen, wird erst zur Straftat, wenn ich illegitime Mittel anwende. Stehen mir legale zur Verfügung, ist alles in Ordnung. Starte ich mit einem ausreichenden Kapital, Bildung, dem notwendigen Wissen darüber, wie ich Leuten das Geld aus der Tasche ziehe oder am Fiskus vorbeibringe, bleiben die legalen Wege nicht lange verschlossen. Hab ich all dies nicht, muss ich andere finden. Wäre es dann für die Gesellschaft nicht zweckdienlicher, Werte höher zu schätzen, die ohne Geld, Statussymbole, auskommen? Gleichzeitig dieses ganze dekadente Gehabe der Reichen, Schönen, Pop – und Filmsternchen zu ächten, statt zu favorisieren? Ich spielte beruflich damit eine Weile herum. Nichts ist in Deutschland einfacher, als mit wenigen gezielt ausgewählten Accessoires, einem passenden Fahrzeug und Auftreten, eine Illusion zu erzeugen. Auch wenn er mich bei Twitter geblockt hat, bin ich ein großer Bewunderer der Fähigkeiten des Hochstaplers Gert Postel. Der Mann bediente 17 Jahre lang all die Vorurteile, Annahmen, Wertvorstellungen, seines Umfelds. Ihm zuzuhören ist eine “böse” Freude. Was wir wertschätzen, findet größten Teils im Kopf statt. Ein indischer Guru beschrieb dies am Beispiel eines kleinen Mädchens, welches mit einem “kostbaren” Diadem spielt. Böte man dem Kind zum Tausch ein schönes Spielzeug an, würde es sicherlich zustimmen. Wenn die Verfechter des Kapitalismus von Verknappung und damit verbundener Wertsteigerung sprechen, lassen sie etwas aus. Zunächst muss ein Bedürfnis danach bestehen. Wenn ich etwas nicht mag, ist es mir vollkommen egal, ob es selten und teuer ist. Anders sieht es aus, wenn ich etwas zum Überleben benötige. Einige Spezialisten leiten davon ab, dass man auch Wasser zu einem Produkt machen sollte. Ihrer Logik nach gingen die Verbraucher dann umsichtiger damit um. Warum dann nicht auch gleich noch die Atemluft? Mit dem Boden wird es ja bereits getan. Trinkwasser wird aufgrund der Umtriebe der Industriestaaten und der globalen Geschäftemacher ohnehin knapp. Bei dem Wasser, welches zur Produktion verwendet wird, unterscheidet man zwischen grünem, grauen und blauen Wasser. Grünes Wasser ist der gute alte Niederschlag, der in den Boden geht. Nur dumm, wenn der sturzartig kommt und weder vom Boden noch von den Pflanzen aufgenommen werden kann. Auch schlecht, wenn er außerhalb der Wachstumsperioden fällt, aber zum richtigen Zeitpunkt ausbleibt. Blaues Wasser wird für alles Mögliche in den Haushalten, der Industrie, Tierhaltung, Plantagen usw. benutzt. Es stammt aus den Oberflächengewässern oder wird aus tieferen Erdschichten hochgepumpt. In vielen Regionen so viel, dass die ökologischen Systeme zusammenbrechen. Graues Wasser wird derart übel verseucht, dass es gereinigt werden muss oder ins Ökosystem gerät, um dort massive Schäden zu verursachen. Spätestens hier grätschen die Verfechter des Produkts Wasser hinein. Sollen sich die Leute doch sauberes Trinkwasser aus Flaschen kaufen. Merkwürdigerweise sind es die gleichen Kandidaten, welche das graue und blaue Wasser exzessiv nutzten. Mit den größten Wasserverbrauch weist die Textilindustrie auf. Jedenfalls, wenn man alles berücksichtigt, was dazu gehört. Chemische Herstellung, Anpflanzung von Baumwolle, Tierhaltung, Färben, Herstellung, Transport, da kommt was zusammen. In einer Jeans stecken 11.000 Liter Wasser. Aber: Ohne Bedürfnisse nach ständig neuer modischer Kleidung, keine Wasserverschwendung, leider auch kein Profit und Wachstum. Was hat das mit Freiheit zu tun? Ich denke, wenn Leute täglich ums Wasser kämpfen müssen, ist es damit schnell vorbei. Und wenn nicht ein paar arme Teufel in einer Region darum kämpfen müssen, sondern ganze Regionen, nennt sich das am Ende Krieg. Und wenn ich zähneknirschend Zugeständnisse an äußerst unethische politische Aktivitäten machen muss, empfinde ich dies auch nicht als frei. Wie brisant die Lage ist, zeigt sich bei den Chinesen. Die zapfen im Himalaya die großen Ströme gleich oben an und sorgen dafür, dass das Wasser bei ihnen und ihrer Industrie landet und nicht am alten Ort. Dies finden wiederum auf Dauer die betroffenen Staaten nicht witzig. Nun, bei uns in Mitteleuropa scheint es langsam auch interessant zu werden.
Ist die Freiheit des Individuums ein Recht oder eine Notwendigkeit?
Die Eigenart von Rechten besteht darin, dass es eine Instanz geben muss, die sie einräumt oder versagen kann. Außerhalb der Vorstellungswelt des Großhirns gibt es in der Natur nichts Vergleichbares. Wir nennen manche Vorgänge so, aber ich stelle dies infrage. In einer Affenhorde übernimmt ein dominierendes Männchen eine naturgegebene Rolle. Nämlich die Begattung der Weibchen zur Weitergabe der Gene, die wiederum den Bestand der Art sichern. Der macht da keine großen Unterschiede. Wie man so schön sagt, alles, was nicht schnell genug auf dem Baum ist, wird besprungen. Ob es allerdings tatsächlich zu einer Befruchtung kommt, entscheidet das Weibchen, im Zweifel mit körperlichen Reaktionen. Die Rolle wird nicht auf Lebenszeit zugeteilt, sondern zu ihr gehört die ständige Verteidigung. Wer gerade welche Rolle übernimmt, entscheiden sich ergebende Notwendigkeiten, welche sich aus seitens des natürlichen Systems vorgegebenen Aufgabenstellungen ergeben. Diverse Primaten leben in einzeln voneinander bestehenden Gruppen, die sich notwendigenfalls zu einem Verband zusammenschließen können. Hierbei wird schlagartig die Gruppenstruktur aufgelöst und eine neue mit anderen Leittieren gebildet, die mit solchen Situationen Erfahrungen haben. Was wir unter Rechten verstehen, ist etwas anderes. Auf jeden Fall wurden Menschenrechte formuliert, die für Mitglieder der Spezies Homo sapiens Geltung haben sollten. Wir wissen, dass dies nicht der Fall ist. In allen Regionen der Erde werden sie dauerhaft missachtet. Aber wie und warum ist man dann überhaupt auf die Idee gekommen, so etwas wie Rechte zu konstruieren? Ich denke, dass das auf der Einsicht beruht, welche Folgen Handlungen haben, die dagegen verstoßen. Es sind Ideale, von denen man weiß, dass sie niemals erreicht werden, aber es sich lohnt, dieses wenigstens zur Maxime des Handelns zu deklarieren.
Jedes wilde Tier versucht erst einmal einer Gefangenschaft zu entkommen. In besonderen Fällen kann es zur Erkenntnis kommen, dass die vorübergehend einen Vorteil bedeutet. Zum Beispiel, wenn es merkt, dass der Mensch eine Verletzung behandeln will. Notwendigkeit! Auch kulturell den Menschen begleitende Tiere, wie zum Beispiel Hunde, sind auf ihren Vorteil bedacht und erkennen im gewissen Sinne die erweiterten Möglichkeiten der Symbiose. Währenddessen ein Kettenhund lediglich ums Überleben kämpft, weil ihn ein spärlich behaarter Affe quält. Schlimmstenfalls verkümmert er und beginnt dahin zu vegetieren. Womit ich schon mal zwei verschiedene Begriffe benutze: Vegetieren und Leben. Das Großhirn befähigt den Homo sapiens zu teilweise unvorstellbaren Leistungen, um aus einer Gefangenschaft, die Beschränkung der Bewegungsfreiheit, auszubrechen. Überhaupt betrachten wir die Fähigkeit, sich zu befreien, als einen Beweis für Intelligenz. Deshalb sind Fluchtversuche aus einer Vollzugsanstalt nicht strafbar. Also nicht wegen der Intelligenz, die hat den Häftling u.U. in die Anstalt gebracht, sondern der Trieb nach Freiheit. Sich nicht frei bewegen zu können, ist tief verankert als ein das Leben bedrohender Zustand, den es mit allen Fähigkeiten zu ändern gilt.
Aber möglicherweise ist es auch ganz anders. Ich denke dabei an einen Vogel in einem Käfig mit einer offenen Tür. Im Käfig besteht eine nicht zu verachtende Sicherheit und gute Versorgungslage. Draußen lauern Raubtiere, der Vogel muss sich sein Fressen und Wasser allein suchen und ein nächtlicher sicherer Platz will auch gefunden werden. Immerhin ist er frei in seiner Entscheidung, ob er bleibt oder nicht. Doch es gibt ein Risiko. Was passiert, wenn die Versorger ihre Dienste einstellen? Wenn er bleibt, muss er darauf vertrauen. Und er muss sich eingestehen, dass er niemals erfahren wird, wie das Leben außerhalb des Käfigs aussieht. Vielleicht haben ihm andere etwas davon berichtet, wissen kann er es nicht. Womit wiederum feststeht, dass er sich, insofern die Fähigkeit vorhanden wäre, einige Gedanken machen müsste, was er sich von seiner Existenz verspricht.
Ich finde, das Käfig-Modell lässt sich in vielen Bereichen auf den Menschen anwenden. Ein fremdes, nicht von mir selbst formuliertes, über Notwendigkeiten hinausgehendes moralisches Konzept, kann einem Käfig gleichgesetzt werden. Gleiches gilt für ein gesellschaftliches Konstrukt mit Vorgaben und Regeln. Verlasse ich es, bin ich u.U. auf mich alleine gestellt und meine Risiken steigen. Oder ich schließe mich einer Gruppe an, womit sich neue Abhängigkeiten und Grenzen ergeben. Die Entscheidung kann nur individuell getroffen werden. Teilweise lege ich damit auch die Notwendigkeiten fest. Sehe ich ein Leben als einen Prozess, der von ständiger Veränderung, Vervollständigung und Verwirklichung des Selbst geprägt ist, muss ich den Käfig verlassen.
Ein anderer Punkt ist, was ich als die Natur des Menschen bezeichnen möchte. Verwirklichung, Gestaltung der Welt und Gerechtigkeit sind im Menschen tief verankert. Verwehre ich ihm dies, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass eine Gegenreaktion stattfindet. Diese hat wiederum Folgen für die Freiheiten der anderen. Oftmals sind die Reaktionen: Frustration, Aggressionen, Gewalttaten, Rache, Vergeltung. Alles Verhalten, die wiederum neue Reaktionen auslösen. Rational, verständig, vernünftig wäre es somit darauf zu achten, dass für alle innerhalb von logischen Grenzen die Freiheit unberührt bleibt. Wobei ich dabei die Gerechtigkeit mit hineinnehme. Wenn zwei jeweils ihr Auskommen haben, aber einer ein wenig mehr hat, kommt es selten zu einem Problem. Verfügt aber einer über zu wenig und muss ständig zwingende Handlungen vollziehen, während der andere im Überfluss lebt, bleibt das nicht lange ohne Konsequenzen. Ist das Angebot dergestalt, dass es bei einer gerechten Verteilung ausreicht, aber bei einer ungerechten eine Seite in die Bredouille gerät, ist der Kampf sicher. Um diesen einigermaßen unter Kontrolle zu halten, wurden u.a. Gesetze erdacht. Helfen die nicht weiter, müssen die mit der Überversorgung aufrüsten. Im Kleinen und im Großen! Die Einzelnen mit Tresoren, Alarmanlagen, Waffen, Polizei, und die Gemeinschaft mit Grenzzäunen, bewaffneten Truppen, Raketen. Man muss kein Kommunist, Sozialist, Anarchist sein, um die logischen Konsequenzen für die Zukunft zu sehen.
Richtig schwierig wird es, wenn die Grundversorgung für beide nicht reicht. Ursprünglich gab es dieses Problem nicht. Über 100.000 Jahre lebte der Homo sapiens in einem sich selbst regenerierenden System. Immer mal wieder gerieten Völker in einen Konflikt. Aber alles spielte sich regional begrenzt ab. Was interessierte es Azteken, Olmeken, wenn sich an einer anderen Stelle der Erde Makedonier, Griechen und Römer prügelten? Wenn sich heutzutage Russen und Ukrainer, China und USA, Indien und Pakistan oder alle gegeneinander und miteinander nicht die Freiheit gönnen, haben alle was davon. Gleichfalls, wenn die Europäer in Saus und Braus leben, während in anderen Regionen, Hunger, Not und Elend herrschen. Doch man muss dabei nicht so weit schauen. In den Metropolen prallen immer heftiger diejenigen, welche bereits von Geburt an keine Chance bekamen, auf jene mit den Privilegien. Für die Chancenlosen ist Freiheit in jeder Form eine Erzählung. Sie wurden an der falschen Stelle der Erde geboren, kamen einst daher oder ihre Eltern nahmen sie hoffnungsvoll mit. Die Privilegierten empören sich über ihre Undankbarkeit, wenn sie auf der Straße randalieren und alles zerstören. Sie verfügen nicht über Gestaltungsfreiheit, die Freiheit sich zu verwirklichen, eine etablierte Identität anzueignen, die sie an der verfassungsgemäßen Freiheit teilhaben ließe. Für die meisten ist ab der Geburt der weitere Lebensverlauf vorgezeichnet und von Fremden gelenkt. Ich persönlich nenne es immer die präsentierte Rechnung für eine lange Party. Über Jahre hinweg ließen es sich die europäischen Staaten auf Kosten diverser anderer Länder gut gehen. Jede Party ist irgendwann zu Ende. Eine/r muss zahlen. Das alte Partypublikum modert vielfach bereits in den Gräbern. Die Folgen der Party müssen nun die Nachkommen der Opfer und der alten Gäste miteinander ausmachen. Man dachte sich, dass es ausreichen würde, sie ins Land kommen zu lassen und in Siedlungen am Rande der Städte vegetieren zu lassen. Es scheint, dass das nicht funktioniert. Man kann vom französischen Werk “Der kommende Aufstand – L’Insurrection qui vient” halten, was man will, aber es gibt ganz gut wieder, wo sich die französischen Randgesellschaften in den Banlieus hinentwickeln oder bereits stehen. Die europaweit immer wieder aufflammenden Riots nicht zur Kenntnis zu nehmen oder falsch als ein Einwanderungsproblem zu interpretieren, wird sich rächen.[7]https://www.spiegel.de/kultur/der-kommende-aufstand-a-8ea7f45e-0002-0001-0000-000075261508?context=issue
Freiheit ist ein Recht, weil Menschen dies so festlegten. Aber sie ist in erster Linie eine Notwendigkeit für ein friedliches Zusammenleben. Jede unmittelbare Beschränkung oder Handlungen, die mittelbar darauf einwirken, starten einen Prozess, in dem es zu Gegenreaktionen, die sich langfristig auf den ursprünglich Akteur auswirken. Anzustreben ist ein Gleichgewicht zwischen allen.
Grenzen der Freiheit
Für mich ergeben sich aus den oben beschriebenen Aspekten,
– logische, zum Überleben notwendige Grenzen, – auferlegte Grenzen, die darüber hinaus gehen und jene, – die sich aus der Interaktion mit Personen ergeben, – die durch über eine übermäßige Anspruchshaltung, die logischen überschreiten.
Hinzugezogen werden muss eine Konkretisierung, inwiefern welche Freiheit eingeschränkt wird. Und es bedarf einer Selbstbetrachtung, ob möglicherweise ich selbst die logischen Grenzlinien verletze.
Die Logik ergibt, dass sich alles in einem zuträglichen und ausgewogenen Verhältnis zwischen Individuum, Zweisamkeit, Gruppe, Gesellschaft, Weltgemeinschaft, bewegen muss. Ist es gestört, gibt es Zoff und alle beschränken sich die Freiheit abhängig von Können und Mitteln gegenseitig. Dabei sollte sich jeder darüber klar sein, dass jede von einem/r ausgehende Grenzüberschreitung eines Tages Folgen für einen selbst bedeuten können. Dass unsere alltägliche Lebensrealität anders aussieht, weiß jeder.
Bewusst einen anderen Menschen mit einer anderen Krankheit zu infizieren, obwohl ich etwas dagegen tun könnte, ist eine Grenzverletzung. Bin ich beispielsweise mit einer übertragbaren Geschlechtskrankheit infiziert, weiß darum, ist es logisch, den anderen nicht in Gefahr zu bringen. Früher, als die Leute nichts über die Übertragungswege wussten und auch wenig Gegenmaßnahmen kannten, doch durchaus die Gefahr eines Kontakts erkannten, separierten sie die Erkrankten. Es sei denn, es herrschte Krieg. Da wurden die Pesttoten schon mal über die Stadtmauer geworfen. Eine andere Abwehrmethode boten die Religionen. Der Unvernunft, Verständnislosigkeit, Egozentrik, wurden Regeln vorgesetzt. Die Kombination Schweinefleisch und Hitze ergaben tödliche Krankheiten, die linke Hand wurde zu unrein und nach der Notdurft durfte nur die rechte Hand mit anderen in Kontakt kommen, Schuhe, die durch den Kot verunreinigt waren, wurden aus dem Zelt verbannt usw. Später ergab sich nach und nach Wissen, wie man einigen Krankheiten anders begegnen konnte. Gleichfalls lernte man zwischen ernsthaft gefährlichen Krankheiten und denen zu unterscheiden, wogegen man Mittel entwickelt hatte. Einige Zeitgenossen übersehen, dass die Masern, Windpocken, Scharlach, Röteln, Keuchhusten, durchaus immer noch die gleichen gefährlichen Krankheiten sind, die einst ganze indigene Völker ausrotteten, aber dank moderner Mittel halbwegs ihre Schrecken verloren. Und nur, weil bei uns aufgrund hygienischer Standards die Cholera, Typhus, Diphtherie oder die Syphilis seltener geworden sind, sind sie nicht weg. Das Verhalten, die Maßnahmen, haben sie eingedämmt! Ohne dem, würde es in Europa anders aussehen.
Vor diesem Hintergrund erscheinen mir Mitmenschen, die simple Eindämmungsmaßnahmen, wie das Tragen einer Maske oder einen von der Wahrscheinlichkeit her geringen Eingriff, wie eine Impfung zum unzulässigen Eingriff in ihre persönliche Freiheit machen, äußerst seltsam strukturiert. Fest steht, dass die Wahl eines geeigneten Mittels der Abwehr eine logische Entscheidung ist, deren Unterlassen sich auch auf meine Freiheit auswirkt. In erster Linie bin ich ein potenzieller Ausscheider und verhindere mit einer Maske die Ansteckung anderer. Erst an zweiter Stelle schütze ich mich vor einer Infektion. Es geht also um die Ausgewogenheit des Verhältnisses zwischen mir und der Gruppe, Gesellschaft. Nehme ich das Risiko einer Infektion anderer billigend in Kauf, kann ich mich nicht beschweren, wenn die dies bei anderer Gelegenheit ebenfalls tun. Jede bewusste, nicht abwendbare Schädigung, legitimiert ein identisches Verhalten beim anderenund wird sich auf mich selbst auswirken. Insofern sollte ich mir dies gut überlegen.
Rücksichtslosigkeit ist kein Akt der Freiheit, sondern eine Grenzüberschreitung, die einen Prozess einleitet. Auf sie kann am Ende nur mit neuen Regeln und Gesetzen reagiert werden.Rücksichtnahme, sich selbst als einen Teil des Ganzen zu sehen, die Wirkungen des eigenen Handelns zu bedenken, sind absolute Grundlagen für die Freiheit.
Doch wie strukturiere ich eine Gesellschaft, in der natürliche, logische Grenzen nicht mehr eingehalten werden? Eine Option ist, dem sich daraus ergebenden Prozess freien Lauf zu lassen und das sich nach den Gesetzen der Logik eintretende Gleichgewicht abzuwarten. Die Verluste werden ziemlich hoch ausfallen, aber es ist am Ende nur eine Frage der Zeit. Eine andere ist das Festlegen von Regeln, Gesetzen und Strafen, die nicht vorhandene bzw. abhandengekommene Vernunft und den Verstand, wenigstens ansatzweise ersetzen. De facto würde man in einer idealen Ausgangslage keinerlei Regeln und Gesetzedieser Art benötigen. Exakt an dieser Stelle ist ein Haken, mit dem sich alle Anarchisten auseinandersetzen müssen. Zwei Faktoren lassen sich nicht bestreiten. Es gibt rücksichtslose Menschen, die nicht weiter denken. Und es existiert eine Struktur, in der dieses mangelnde Denkvermögen stetig auf ein Neues generiert wird. Bis sich das reguliert, müsste eine Phase des Chaos hingenommen werden. Entsteht es von allein, weil sich das System selbst zerlegt, soll es so sein. Aber künstlich kann es nicht erzeugt werden und ist auch nicht individuell zu verantworten. Zumal der Grundsatz gilt, dass alle Handlungen eine Legitimation für jeden anderen darstellen. Übe ich Gewalt aus, warum auch immer, gestehe ich sie im gleichen Atemzuge auch meinem Gegenüber zu. Gewaltsame Revolutionen setzen die Option in die Welt und jeder andere, der mit dem entstandenen Zustand nicht zufrieden ist, kann sich auf die vorhergehende berufen.
Freiheit, Geld, Würde und der Macht dienliche Regeln
Doch Gesetze und Regeln bestimmen noch mehr. Sie dienen außerdem der Strukturierung und Regelung des Systems. In Deutschland ist das System hierarchisch. Der Idee nach wählen mündige, verständige, vernünftige Bürger, sie vertretende und repräsentierende Frauen und Männer. Die sollen Belange regeln, die von einer/einem Einzelnen nicht ohne Koordinierung, Hinzuziehung von Spezialisten, Wissenschaftlern und auch Leuten, die sich mit ethischen sowie theoretischen politischen Fragen auseinandersetzen, angegangen werden können. In dieser Konstruktion ist es notwendig, den temporären Machtinhabern Mittel an die Hand zu geben, mit denen sie ihre Entscheidungen auch gegen einen Widerstand durchsetzen können. Wie und in welcher Form dies geschieht, ist mittels Gesetzen zu regeln, die innerhalb eines regulären Verfahrens entstanden. Jedes Handeln staatlicher Institutionen muss auf der Basis eines solchen Gesetzes erfolgen. Dies ist die Definition des Rechtsstaats und nicht der ganze andere Quatsch, der populistisch verbreitet wird. Soweit die theoretische Vorstellung.
Konsequent trauten auch die Mütter und Väter des Grundgesetzes dem nicht naiv über den Weg und bauten einige Sicherheitsmechanismen ein. Aber nichts ist von ewiger Dauer, auch nicht, wenn man es als Grundlage bezeichnet. Wenn etwas von Dauer ist, dann sind es die erkennbaren Ideen, Motive, Ziele und ethischen Ansprüche, welche ins Grundgesetz einflossen. Ebenfalls darf meiner Meinung nach nicht außer Acht gelassen werden, dass nicht alle damals Beteiligten wirklich freiheitsliebend und dem demokratischen Konzept positiv zugewandt waren. Teilweise kann ich das durchaus nachvollziehen. Bereits Platon hatte Zweifel und brachte Kritik an. Skeptisch fragte er, ob es eine gute Idee wäre, wirklich alle an der Herrschaft über ein Volk zu beteiligen, da dann auch die beteiligt würden, die nur sich selbst sehen, von Trieben gesteuert sind, von Demagogen manipuliert wurden oder aufgrund ihres schlichten Gemüts eher unfähig wären, vernünftige Entscheidungen zu treffen. Er favorisierte deshalb eine Herrschaft der Philosophen (damals hatten die noch Format), die unter Beteiligung von Auserwählten die Entscheidungen treffen. [8]https://freidenker.cc/platons_demokratiekritik/1
Meinem Empfinden nach fand eine Umdeutung statt. Vernünftig und verständig sind nunmehr alle Handlungen, die der Mehrung von Gütern, Steigerung des Profits und der Vergrößerung des Abstands zwischen dem ursprünglichen Leben und einer menschlichen Idee davon dienen. Menschen in industrialisierten Ländern setzten sich in den Mittelpunkt und alles Geschehen hat ihren Bedürfnissen, Vorstellungen, Ideen, zu dienen. Auf Basis dieses Denkens entstanden Begriffe wie Umwelt, Umweltschutz, Umweltzerstörung. Reduziert man dies alles auf eine Welt, in der die Spezies Mensch gleichbedeutender Bestandteil wie alles andere ist, entsteht ein völlig anderer Ansatz. Würde es Wesen geben, welche höher entwickelt sind und die Erde als ihren Garten betrachten, müssten sie gegen uns Vernichtungsmittel einsetzen. Was den Mitgliedern der Industriestaaten möglich ist, darf und wird auch getan. Diese Ignoranz des Wirkungsprinzips, in dem jede Handlung auf das Gesamte hat und sich somit auch auf den Menschen selbst auswirkt, zeigt immer mehr die vorhersehbaren Folgen und wirkt sich vielfältig die Freiheit beschränkend aus. Die eigentlichen Bedeutungen von Vernunft und Verstand und darauf basierende Handlungen sind chancenlos. Nahezu alles ist vorsätzlich zu einem ver- oder käuflichen Produkt geworden. Dinge und Handlungen können einen ideellen oder einen monetären Wert haben. Dabei hat sich insbesondere die Wertbemessung von allem, was mit Leben zu tun hat, zugunsten der toten Sachen verschoben. Berufe, die mit dem Leben zu tun haben, werden deutlich schlechter bezahlt, als die sich mit der Mehrung von Geld, Profiten und Gütern beschäftigen. Leistung bezieht sich nicht mehr auf die zwischenmenschlichen Aspekte, sondern auf die monetäre Wertschöpfung. Wer zwar noch lebt, aber nicht mehr diesem Leistungsprinzip entspricht, ist nicht mehr von Interesse. Das betrifft sogar den viel gepriesenen medizinischen Fortschritt der “Wohlstandsgesellschaften”. Unter dem Deckmantel eines ethischen Dilemmas werden Menschen an profitable Maschinen angeschlossen. Bei Behandlungen wird immer seltener nach den Vorteilen für die Patienten gefragt, sondern die Rentabilität entscheidet. Dies geht so weit, dass Investoren von Präparaten abgeraten wird, die eine schnelle Heilung versprechen, da mit dem längeren Krankheitsverlauf mehr zu verdienen ist. Und wenn die Investitionsriesen wie BlackRock doch mal umschwenken, reagiert das herrschende Kapital äußerst empfindlich. Mit der Begründung, BlackRock setze zu wenig auf Rendite und zu viel auf Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung (ESG), zogen die Bundesstaaten Florida, Missouri und Louisiana erhebliches Kapital ab.[9]https://www.boersen-zeitung.de/florida-zieht-milliarden-von-blackrock-ab-1ce8048a-7210-11ed-8cfa-6235c3898d79 So wie Status, Anerkennung, Identität, soziale Stellung, zum käuflichen Produkt wurden, ist auch die Freiheit eins geworden. Ob dieses Produkt noch etwas mit echter Freiheit zu tun hat, wage ich zu bezweifeln. Autofirmen bewerben ihre Produkte als Mittel für die Erzielung von Freiheit. Nur, dass ich die erstmal aufgeben muss, um es mir leisten zu können und dann eher enttäuscht mit einem SUV über die Dörfer und nicht durch die Weiten nordischer Landschaften kurve. Ich frage mich stets auf ein Neues, welchen Geruch ein Parfum für 100 EUR verströmen soll, wenn es der Duft von Freiheit ist. Das Portemonnaie ist leichter und drückt nicht mehr in der Hosentasche. Allerdings gilt dies nicht, wenn ich eine Kredit-Karte benutze, bei der mir die Werbung ebenfalls Freiheit verspricht. Im Ergebnis sitze ich vor dem tollen neuen Fernseher, bekomme neue Bedürfnisse suggeriert, und jongliere mit den Kreditkarten herum. Der bürgerliche Standardlebensentwurf, bei dem sich junge Leute für ein Haus und Auto verschulden, über Jahre hinweg, für die Bank arbeiten, alles Mögliche auf Ratenzahlung abstottern, deshalb beruflich alles schlucken müssen, um nicht den Job zu verlieren, klingt ebenfalls nicht nach einem selbstbestimmten freien Leben. Auch hier spitzt sich die Situation, auch in Deutschland, zu. Bei vielen, die sich in das Lebensmodell einfügten und mit geringem Eigenkapital und niedrigen Zinsen ein Eigenheim bauten, fällt nach und nach die Zinsbindung weg. Bei der aktuellen Entwicklung werden aus 1000,– EUR monatliche Belastung um die 2000,– EUR. Möglich, dass die Banken schon aus eigenem Interesse eine gute Anschlussfinanzierung anbieten. Aber der Knebel wird fester.
Im Grundgesetz steht: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Wenn ich durch Berlin laufe, bekomme ich einen anderen Eindruck. Würde, muss man sich leisten können. Der Begriff ist schwer zu fassen. Nahezu alle bekannten Philosophen setzten sich damit auseinander. In einem Punkt sind sich alle einig: Der Mensch ist keine Sache und darf deshalb auch nicht als solche behandelt werden. Was macht man alles mit Sachen? Ich kann sie besitzen und insofern ich niemanden damit gefährde oder etwas unerlaubt zerstöre, damit nach Gutdünken anstellen, was ich will. Jedenfalls in einer Gesellschaft, die hierfür wenig ethische Grundsätze kennt und sich ausschließlich auf das Haben konzentriert. Sicher im Artikel 14 des Grundgesetzes steht im zweiten Absatz: Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Aber in der Realität bricht beim Verweis auf diesen Artikel ein bundesweites Geheul und Gezeter aus. Und wenn es nach den Neoliberalen ginge, würden sie diesen Artikel gern ersatzlos streichen lassen. Jedenfalls kann ich ein Urteil fällen, ob ich einen Gegenstand benötige, er einen Zweck erfüllt, mir dienlich sein kann oder ich mich damit schmücke. Das Herzeigen eines Gegenstands, den ich für viel Geld kaufte, kann mir Anerkennung und Ansehen verschaffen. Und wenn ich keinerlei Zweck mehr dafür habe, werfe ich ihn weg. Lese ich mir die vorhergehenden Worte durch, wird es ziemlich eng. Wird eine Frau oder Mann nicht unmittelbar in ihrem Leben oder Unversehrtheit bedroht, wird es mit dem Flüchtlingsstatus schwierig. Verlässt jemand das Geburtsland, weil er im eigenen keine Perspektive sieht (Bewegungsfreiheit), sprechen wir von Aus- bzw. Einwanderern. Diverse Zeitgenossen wollen diese Leute aber nur bei uns sehen, wenn sie einen tatsächlichen nachweisbaren Nutzenfür die Gesellschaft darstellen. Manche reden sogar von einem Mehrwert. Der neoliberale deutsche Politiker Christian Lindner sagte in einem Interview, dass es kein Menschenrecht wäre, sich seinen Aufenthaltsort frei auszusuchen. Damit hat er sogar recht. Die Menschenrechte (Artikel 12 UN-Charta) beziehen sich auf die Freiheit der Ausreise und die Rückkehr. Aber die bisher dokumentierte Geschichte zeigt uns, dass sich größere Wanderungen nicht langfristig aufhalten lassen. Als Flüchtling gilt im Völkerrecht (Genfer Konventionen) jemand, der aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung verfolgt und bedroht wird und darum das Land verlässt. Materielle Notlagen, Hunger, Krieg, gehören nicht dazu. GREENPEACE Studien gehen im Verlauf der nächsten 30 Jahre von 200 Millionen Menschen aus, die sich notgedrungen auf den Weg machen müssen. Die überall aufzuhalten, wird “spannend” und konfliktträchtig. Wie wollen wir es halten? Die mit einem “Nutzen” lassen wir leben und die “nutzlosen” sollen verrecken oder werden in Lagern gesammelt? Oder setzen wir weiter auf die Karte, dass sie es gar nicht bis zu uns schaffen und der EU-Politik geschuldet, im Mittelmeer ersaufen oder es nicht durch die Wüsten schaffen? Immerhin bewiesen die es dann doch noch schaffen, dass sie widerstandsfähig und körperlich fit sind. Ich finde es immer schön, wenn alles schön und sauber dargestellt wird. Seit geraumer Zeit wird die Europäische Außengrenze mit dem System EUROSUR (European border surveillance system) ausgebaut. Dazu gehören der Einsatz von Drohnen, Aufklärungsflügen, Sensoren, Satellitenüberwachung. Natürlich will man damit nicht nur die Grenze dichtmachen. Ganz human sollen auch Menschen in Not gefunden werden. Meine Prognose sieht ein wenig anders aus. Die Tendenz beim Militär geht dahin, die maximale Distanz zu schaffen, damit das gegenseitige Töten seine unmittelbaren Schrecken verliert. Das Mitglied der ultra-rechten (meiner persönlichen Meinung nach, faschistisch geprägten) AfD Gauland sagte unlängst in ein Mikrofon: “Man muss die Grenzen schließen und die entstehenden Bilder sind auszuhalten.” Ganz falsch liegt er damit nicht. Ohne Gewalt lassen sich die Leute nicht dauerhaft abweisen. Aber vielleicht lassen sich die Bilder verhindern? Die Technik, vor allem die “perverse” schreitet unaufhaltsam voran. Zumindest besteht die Option, die brutalen Vorgänge nur wenige Personen auf Monitoren sehen zu lassen. Und was mit Frauen und Männern passiert, die solche Dinge anprangern oder veröffentlichen, wissen wir seit Snowden und Assange. Auch dies hat ein Eskalationspotenzial und wird sich nicht gut auf die Freiheit aller auswirken.
Nun könnte man sich fragen, welchen Anteil der Way of Life in den reicheren Ländern am Umstand der Perspektivlosigkeit hat. Welche Auswirkungen sind auf die politischen Aktivitäten der letzten 200 Jahre, in denen parallel hier Wohlstand und Überverbrauch an Ressourcen stattfand, zurückzuführen? Wie viele Staaten wurden destabilisiert, damit dort niemand auf die Idee kommt, den Industriestaaten gefährlich zu werden? Oder welche Gelder flossen an Despoten, Tyrannen, Oligarchen, Gangster, damit der Zugang zu den Märkten geöffnet und die Rohstoffe exklusiv an die “richtigen” Leute geliefert wurden? Findet nicht gerade eine umstrittene Weltmeisterschaft statt, bei deren Vergabe die Rohstofflieferungen eine entscheidende Rolle spielten? Und das Geld an wenige zweifelhafte Autokraten fließt? Nochmals: Freiheit funktioniert auf Dauer niemals in eine Richtung. Eines Tages rächen sich übermäßige Übervorteilungen.
Wie ausgeführt, muss ein Mensch, der viel Aufwand für sein Überleben leisten muss, erhebliche Abstriche bei der Freiheit machen. Wenn öffentlich kund getan wird, dass jede Hilfe so weit eingeschränkt wird, bis die Empfänger bereit sind für jede Bezahlung auch noch den miesesten Job oder vielleicht besser, schlecht bewerteten, anzunehmen, klingt dies auch nach Zweckmäßigkeit. Und wenn ich auf deren Rücken auch noch Ressentiments für meine eigenen Zwecke schüre, erscheint mir dies als Instrumentalisierung, was nichts anderes bedeutet, als dass ich einen Menschen gegenständlich benutze. Besonders verwerflich wirkt dies auf mich, wenn das von Leuten ausgeht, deren Bezahlung nicht nur in schwindelerregenden Bereichen liegt, sondern auch noch genau wegen solcher Aussagen von Aufsichtsräten ergänzt wird.
Bei oberflächlicher Betrachtung erscheint es ins Absurde zu gehen, wenn ausgerechnet Leute, die sich liberal oder libertär auf die Fahne schreiben, an solchen Prozessen beteiligen. Genauer betrachtet wird es logisch. Hauptsächlich geht es um freie Geldflüsse und eine von menschlichen, ethischen Vorbehalten befreite Wirtschaft. Wobei die Vertreter gern den Begriff Moral vorwerfen. Wolfgang Schäuble, CDU, sagte bei Markus Lanz: “In der moralischen Besserwisserei sind wir Weltspitze”. Wenn ich ihn richtig verstehe, geht dies in die Richtung einer Kritik an eine Werteorientierte Außenpolitik. Auch ihm muss ich zustimmen. Deutschland und jeder andere mitteleuropäische Staat würde deutlich schlechter dastehen, wenn nicht mit jedem Staat, in dem die völkerrechtlich verbürgten Menschenrechte keinerlei Bedeutung besitzen, Geschäftsbeziehungen beständen. Wie sich dies langfristig auswirkt, wird man sehen. Allerdings ist die Kritik daran oder an die Staaten keine moralische Besserwisserei. Bei mir laufen unter Moral alle Regeln des Zusammenlebens, die von der jeweils aktuell dominanten Gruppe der Gesellschaft bestimmt werden. Die ändern sich immer mal wieder. Ethik überdauert die Epochen und entspricht dem roten philosophischen Faden, der sich von der Antike bis heute durch die Geschichte zieht. Vielleicht eine etwas altmodische Unterscheidung. Doch ich finde sie sehr nützlich, um Entgleisungen der Geschichte, in denen auch von Moral gesprochen wurde, von den anderen Betrachtungen abzugrenzen. Wirtschaften diente einst dem Wohl der Leute. Ein Bäcker wollte natürlich Geld verdienen, aber er trug auch eine Verantwortung für die Versorgung. Dies galt für jeden Handwerker oder Händler. Dies funktionierte halbwegs, bis alles komplizierter wurde. Spätestens mit dem Ansatz, dass sich alles über Angebot, Nachfrage, Verfügbarkeit selbst regulieren würde, ging es den Bach herunter. Menschen sind eine stetig nachwachsende Ressource. Und solange ich Typen finde, die für ein paar Vergütungen und ein wenig Besserstellung aufmüpfige Arbeiter/innen zusammenschießen, bin ich meistens auf der sicheren Seite. Problematisch wird es, wenn ich es zur falschen Zeit übertreibe. Ethik und Menschenrechte sind keine moralische Besserwisserei. Und wenn ein Verbrecher sagt: “Wenn ich es nicht mache, macht es ein anderer. Warum soll ich nicht daran verdienen?” ist es eine zusammengeschusterte Rechtfertigung, mit der ich alles gerade biegen kann. Kommt sie von einem, der sich als Christ bezeichnet, ist es Heuchelei. OK, dann sind wir Deutschen schlicht genau solche miesen Kanaillen wie alle anderen auch. Aber dann sollten wir es auch zugeben! Ebenfalls, dass wir an der Architektur einer alles zerstörenden industriellen Welt beteiligt sind. Klare Sache: “Wir haben zusammen mit anderen beschlossen, die Sache mit dem uns bis jetzt bekannten Leben zu Ende zu bringen!” Damit kann jeder etwas anfangen. Aber dieses Herumeiern, ständig irgendwelche Konferenzen abzuhalten, vom Erhalt der Schöpfung zu labern, einigen eine Hoffnung auf eine Zukunft zu suggerieren, ist schlicht schäbig und stillos. Außerdem kann dann jeder, der damit nicht einverstanden ist, seine Handlungen sauber rechtfertigen. Denn spätestens hier geht es um Gegengewalt.
Der amerikanische Ökonom John Maynard Keynes stellte fest: „Der Kapitalismus basiert auf der merkwürdigen Überzeugung, dass widerwärtige Menschen aus widerwärtigen Motiven irgendwie für das allgemeine Wohl sorgen werden.“ So wie ich in meiner Zeit als Kriminalbeamter die Befürworter des Kapitalismus in der aktuellen Ausgestaltung erlebte, kann ich dies bestätigen. Im Gegenzuge bin ich auch kein Freund des Kommunismus. Die angesprochenen Widerwärtigen verschwinden nicht plötzlich von Bildfläche, sie übernehmen nur andere Funktionen. Ich denke, wir müssten irgendwie eine zweigleisige Strategie fahren, in deren Folge, vernünftige und verständige Menschen in der Gesellschaft eine tragende Rolle einnehmen und das wirtschaftliche Handeln wieder einem echten Wohl, Zufriedenheit, echter Freiheit, dient. Dafür müssten alle für die ökologischen Vorgänge und Erträge mit in die Verantwortung genommen werden. Aber woher die Zeit nehmen? Mir ist dabei völlig egal, wie die Argumente für den Kapitalismus oder den Kommunismus lauten. Ich orientiere mich an dem, wie die Realität aussieht und die ist Beweis genug, dass beides nicht funktionierte. Die Bewohner der industrialisierten Regionen haben nicht nur Flora, Fauna, am Boden, in der Luft und im Wasser an die Wand gefahren, sondern auch noch das globale Klima. Dies dürfte Nachweis genug sein, dass mit Teilen der Spezies Homo sapiens etwas aus dem Ruder läuft. Die geschätzten, 477 Millionen Angehörigen indigener Völker trifft keine Schuld.[10]https://de.statista.com/infografik/27934/geschaetzte-anzahl-angehoeriger-indigener-voelker-pro-region-in-2019/ Ganz im Gegenteil! Die melden sich immer mal wieder, zumeist Angehörige der First Nations, mahnend zu Wort. Nützt ihnen aber nichts. Mittlerweile kommt unser Status einem globalen Virus gleich, der sich erst dann nicht weiter ausbreitet, wenn die Wirtspopulation ausgestorben ist.
Liberale und Konservative ersehen Geld, Luxus, Überkonsum, eine gute Versorgung als Ansporn für Leistung. In der Realität ist weniger die echte Lebensleistung ausschlaggebend, sondern dass die richtige Wahl getroffen wurde. Wähle ich einen Beruf oder ein Studium, welches sich mit den Regeln des Systems beschäftigt (z.B. Jura, BWL) steigt die Wahrscheinlichkeit, mit wenig Leistung deutlich mehr Geld verdienen zu können, als ein Beschäftigter im Handwerk, der hart körperlich arbeiten muss. Hinzu kommen all die Vorgaben, die sich bereits bei der Geburt ergeben. Muss man besonders misstrauisch sein, wenn man annimmt, dass Teile des Regelwerks diejenigen bevorteilt, welche sie aufstellen? Und dass die breite Masse gar nichts vom Ausmaß der begünstigenden Regeln hat? Dieses Spezialisten vorbehalten ist, die wiederum Unsummen mit dem kreativen Auslegen der Regeln verdienen? In unserem System ist Geld gleichzeitig Macht. 2017 gaben die Parteien, CDU/CSU 71,0 Mio. Euro, SPD 56,2 Mio. Euro, FDP 17,5 Mio. Euro, Grüne 15,8 Mio. Euro, AfD 13,0 Mio. Euro, Die Linke 10,5 Mio. Euro aus.[11]https://www.t-online.de/region/berlin/news/id_90757944/so-viel-kostet-wahlkampf-fuenf-bundestagskandidaten-legen-ihr-budget-offen.html Unter anderen fließt das Geld an die Kandidaten, die damit Termine, Plakate, Flyer, pp., finanzieren. Das Geld muss irgendwo herkommen. Spannend ist beispielsweise der Besuch von Parteiveranstaltungen, bei denen Tafeln mit den Sponsoren aufgestellt werden. Allein für die Erwähnung auf der Tafel, zahlen die genannten Firmen horrende Summen, die in die Parteikassen fließen. Im Ergebnis können Mandy, Silvio, Karl-Heinz, Gabi, nur hoffen, dass der Reigen der besser Gestellten auch manchmal an sie denkt.
Der Kraftaufwand für ein freies Leben wird immer höher
Wichtige Steuerungselemente für Massengesellschaften ergeben sich aus den psychologischen Effekten, die sich aus dem Zusammenleben in der Gruppe ergeben. Individuelle Werte, Moral, Vorstellungen, Anschauungen, Geschmack, Traditionen, Rituale werden zugunsten der Gruppe aufgegeben. Also wieder zurück zur alten Horde, die das Überleben sicherte und somit alles, was den Zusammenhalt stärkte, evolutionär zweckmäßig war. Mit einem wichtigen Unterschied: Heute nutzen diese alten Anlagen gewiefte Leute, um die Massen nach ihren Vorstellungen zu lenken. Im etwas kleineren Rahmen und lange nicht so ausgefeilt taten dies bereits früher große Heerführer, Herrscher, Pharaonen, Imperatoren und Cäsare. Heute bestehen zu allen Industrienationen umfangreiche Datenbanken. Einige behaupten, dass Daten mittlerweile finanziell wertvoller sind, als Edelmetalle, Öl oder andere Ressourcen. Datenbanken können mit Kriterien abgefragt werden. Suche ich nach Übereinstimmungen oder Ähnlichkeiten, bekomme ich Gruppen geliefert. Alter, Geschlecht, Bildung, Tätigkeiten, Hobbys, Musikgeschmack, Ernährungsweise, Krankheiten, Bewegungsmuster, bevorzugte Fortbewegungsmittel, die Möglichkeiten sind schier unbegrenzt. Damit kann man arbeiten. Ich kann diesen Gruppen gezielt griffige Schlagwörter zur Verfügung stellen, Bedürfnisse wecken oder bedienen, Versprechungen machen, gemeinsame Außenfeinde zur Erzeugung einer stärkeren inneren Einigkeit anbieten, falsche oder echte Informationen zuspielen, sie treffsicher mit Werbung ansprechen, verunsichern, Fakten entkräften, in dem ich einfach jede Menge Alternativen präsentiere und alle Präsentierer gleich unglaubwürdig erscheinen lasse. Um mich mit anderen austauschen zu können, benötige ich eine gemeinsame Sprache und es wichtig, dass wir zu einem Begriff, identische Vorstellungen, positive, negative Konnotationen, Emotionen, innehaben. Doch alles darf nicht zu kompliziert sein. Differenzierungen, Trennschärfe, Konkretisierungen sind unerwünscht und regen lästiges Nachdenken an. Wenn bestimmte Worte benutzt werden, muss ich sofort erkennen: Das sind meine Leute oder meine Gegner! Menschen benötigen eine Identität, mit der sie sich auf einer sinnbildlichen Landkarte verankern können. Ich bin ein Deutscher (Gruppe) – aufrecht, pünktlich, fleißig, zuverlässig, ehrlich, verwurzelt in der deutschen Geschichtserzählung (Gruppenmoral). Leistung ist wichtig. Der Mensch an sich ist faul und wenn er nicht gefordert wird, passiert gar nichts. Anerkennung muss man sich verdienen (Gruppendenken). Frauen und Männer aus kulturfremden Regionen (Schlagwort – grauslich, was einem da alles entgegenkommt, wenn man es bei einer Suchmaschine eingibt) wollen nur in unser Sozialsystem einwandern (Außenfeind). Will man seinem eigenen Algorithmus entkommen bzw. verstehen, wie man selbst angesteuert wird, benötigt man lediglich den TOR – Browser, der bei der Suche im Internet eine andere zufällige Identität vorgaukelt. Die Unterschiede bei den Suchergebnissen sind bisweilen verstörend.
Die engagierten Klima-Aktivisten und ein Jan Böhmermann haben in letzter Zeit einige aus der Deckung gelockt. Bereits die Anfänge, als es mit Fridays for Future losging, gestalteten sich spannend und aufschlussreich. Es war beeindruckend, wie viele vermeintliche wissenschaftliche Koryphäen plötzlich aus den staubigen Hinterzimmern gezerrt wurden. Gleichzeitig tauchten Studien auf, die in den 30 Jahren zuvor niemand zur Kenntnis nahm, weil sie in der seriösen Wissenschaftswelt im gleichen Papierkorb landeten, wo auch die Discounterwerbung hinkommt. Hinzu kam ein Stakkato an Schlagwörtern. Parallel wurden die GRÜNEN und LINKEN aufs Korn genommen. GRÜN ist mittlerweile links. Was eine an ökologischen Aspekten ausgerichtete Politik zum Sozialismus oder Kommunismus werden lässt, erschließt sich mir nicht. Noch weniger, wenn ich an die alten Konflikte zwischen Realos und Fundis denke, der damals eindeutig von den Realos entschieden wurde, die unter dem Strich zu großen Teilen aus Konservativen mit schlechtem Gewissen bestehen. Aber die Strategen haben es hinbekommen, dass Leute, die Kraftfahrzeuge kritisch sehen, zu Linken werden. Dem alten Ford und Rockefeller würde dies gefallen. Deutsche haben es nicht so mit religiösen Eiferern und Sekten (es sei denn, sie kommen aus der Umgebung Freiburg im Breisgau). Da war es naheliegend, Greta zur religiösen Ikone werden zu lassen und alle anderen als Jünger, Gefolge, zu diffamieren. Religion, Glaube, ist anders als wissenschaftliche Fakten, passt! Nahezu orchestriert streuten große Zeitungen die Kampagnen unter die Leute, woran wiederum der Godfather der PR–Strategien Edward Bernaysseine Freude gehabt hätte. Hinter Lindner, Söder, Scholz,Dobrindt, Laschet, der kompletten Parteiführungsriege konnte man förmlich die grauen Schatten der Ghost Negotiator und Spin-Doktors sehen. Zu dieser Zeit zeichnete sich ab: Wenn die bereits bei Schülern aus vollen Rohren feuern, kommt bei der nächsten Stufe mehr.
Bei den aktuellen Klima-Aktivisten und denen, die sich mit RWE anlegen, wird die Gangart härter. Bei letzteren ging es sofort in die alte, bewährte Richtung. Spinner, Langhaarige, mit Exkrementen werfende Freaks, die auch noch in Bäumen sitzen. Wer denkt da nicht an Affen? Bei Laschet’s Fauxpas, bei dem er falsche Tatsachen in die Welt setzte, um noch rechtzeitig Ruhe ins Spiel zu bringen, hätte für ihn normalerweise Schluss sein müssen. Doch still ruhte der mediale Blätterwald. Von Extremisten war es nicht weit bis zur Kriminellen Vereinigung und danach zum deutschen Schreckgespenst RAF. Da muss bei Böhmermann und Crew der Kragen geplatzt sein. Zuvor zündete die lang vorbereitete Bombe, als in Berlin auf tragische Weise eine Frau ums Leben kam. Ich persönlich erwartete eine schief gehende Geburt. Ein mehr als billiges Tor. Sie mussten nur auf etwas ansatzweise Passendes warten. Mit dem Fahndungsplakat und Rückzahlung in gleicher Münze war Böhmermann vielleicht nicht sonderlich kreativ, aber sehr erfolgreich. Selbst Leute, die man nicht unbedingt auf dem Zettel hatte, zeigten sich, in dem sie sich brav künstlich empörten und ihr Geld und Gefallen abarbeiteten. Man darf auf die Fortsetzung gespannt sein. Auch wenn alles einen bitterernsten Hintergrund hat. Besonders, wenn man sich vor Augen hält, dass in Deutschland 2022 politische Aktivisten in eine seit 1945 nie dagewesene lange Vorbeugehaft genommen wurden.
Eine vollkommen zweckfreie Reaktion der Macht. Was soll passieren? Die sind überzeugt! Drinnen waren sie nun ohnehin, alle Eintragungen bestehen und die Zahlungen kommen weitestgehend aus Spendengeldern. Wenn sie nicht die Kriminelle Vereinigung durchbekommen, wovon ich ausgehe, ist das Pulver verschossen. Wer sich im Winter auf die Straße setzt, macht es im Sommer erst recht. Und es soll auch noch andere Protestformen geben. Wenn es für die Sicherheitsbehörden ganz dumm läuft, wurde mit der Reaktion die derzeit tief schlafende Autonome Szene getriggert. Ich weiß auch nicht, was die sich alle denken. Glauben, die ernsthaft an eine wieder einschlafende Bewegung? Morgen haben alle das Klima wieder vergessen?
Vorbeugehaft und Bußgelder sind bürgerliche Reaktionen, die auf etwas hinweisen. Das eine ist ein Eingriff in die Bewegungsfreiheit und das andere soll den Geldbeutel treffen, mit dem man sich die Ersatzprodukte kaufen kann. Blöd, wenn die Betroffenen vollkommen anders unterwegs sind. Die Haft ist mehr Ehrung und Signal, den richtigen Nerv getroffen zu haben. Einem biederen Bürger wäre sie peinlich. Und Leuten, die sich über Aktionen, Widerstand, Ungehorsam und Auflehnung gegen das dröge Establishment identifizieren, mit Geldstrafen zu kommen, kann nicht funktionieren. Da wurde aus Sicht der Macht bei FFF einiges richtig gemacht. In dem man sie auf Veranstaltungen einlud und einfach reden ließ, nahm man ihnen das Feuer unter dem Kessel weg. Sie wurden nett beklatscht, alle machten betroffene Gesichter, das war’s.
Offensichtlich erkennbare Autorität, die die Freiheit beschneidet, ist fair und ihr kann mit Widerstand begegnet werden. Viel schwieriger gestaltet sich die versteckte. Meiner Auffassung nach hatten einige Querdenker recht und unrecht zugleich. Was sie als Meinung bezeichneten, war keine. Denn die ist eine ansatzweise vertretbare, für wahr angenommene Aussage, ohne dass ein Beweis angebracht werden kann. Mir fällt nichts ein, wie man Chips in Spritzenkanülen, eine Weltverschwörung oder eine international organisierte Bevölkerungsreduzierung vertreten soll. Dann wäre alles, auch 2+2=7 eine Meinung. Nein, dies ist schlicht Quatsch. Ebenso wie diese LSD Fantasien, in den Kindern das Blut abgezapft wird oder die QAnon-Verschwörung, bei der sich einige sogar die Mühe machten, den Ursprung zu ermitteln. Doch wäre es eine Meinung gewesen, hätten sie es mit der versteckten Autorität zu tun bekommen. “Natürlich darfst Du alles sagen. Aber dann wird es wohl nichts mit der neuen Stelle.” Kinder lernen die anders kennen. “Wir können Dich nicht daran hindern, aber dann sind Mama und Papa von Dir enttäuscht.” In diversen Abwandlungen begegnet sie uns täglich. Vor allem steht die Sicherheit gebende Gruppenzugehörigkeit auf dem Spiel. Bedingt durch die Social Media wird dieser Druck und die Wirkung der versteckten Autorität immer heftiger.
Beschränkungen der Freiheit, jenseits der logischen Grenzen, können nur von Autoritäten mit den passenden Macht – und Druckmitteln vorgenommen werden. Insofern ist das ganze Gerede einer angeblichen “links-diktatorischen Tendenz” Humbug bzw. reine PR-Strategie. Die Macht befindet sich in den Händen derjenigen mit den notwendigen finanziellen Mitteln, jenen in den Aufsichtsräten, Banken, den besten Einflussmöglichkeiten auf die Medien, dem größten Budget für PR-Kampagnen, besten Netzwerken und etablierten Seilschaften. Und all dies sind nicht die Linken oder die Grünen. Die mit der Macht haben beispielsweise einen Robert Habeck sauber auflaufen lassen. Es sind die gleichen, welche eine Diffamierungskampagne nach der anderen durchziehen und Argumente damit vom Tisch schaffen, in dem sie die primitiven Areale aktivieren. Einfach zu behaupten, die anderen würden über die Macht verfügen, ist schon wieder so einfach, dass man beleidigt sein müsste. Ähnlich simpel sind diese lächerlichen Geplänkel bezüglich des Genderns.
Weltweit verdienen sich gerade einige an den aktuellen Krisen eine goldene Nase und schalten zusätzlich Konkurrenten aus. Die wenigen deutschen Kritiker müssen mehr oder weniger hilflos zuschauen. Wichtige Staaten bereiten sich auf die kommenden Klima-Ereignisse vor und sichern sich Ressourcen, wo sie nur können. Auf kurz oder lang setzen sich ganze Völker in Bewegung. Länder, die gesellschaftlich nicht darauf vorbereitet sind und Deutschland, ein Land, in dem einige immer noch den provinziellen Traum der Bonner-Republik träumen und die vorgegaukelte Illusion der DDR nicht hinter blickt haben, ist alles, aber nicht bereit. Immer mehr Arbeitsplätze werden der Digitalisierung zum Opfer fallen und altbackene Konservative setzen auf längere Lebensarbeitszeiten. In welchen Berufen wird es wohl richtig knapp? Richtig, in denen, wo noch körperlich hart gearbeitet wird. Viel Freude mit dem 72-jährigen Dachdecker oder Bauarbeiter, wobei die selten geworden sind, weil sie durch Osteuropäer ersetzt wurden. Überall wird wieder aufgerüstet und Drohszenarien werden entworfen.
Und was passiert in Deutschland in puncto freier Meinungsbildung, Informationsbeschaffung, Grundlagenausbildung? Fußball, Gendern, Kriminalisierung von eher harmlosen Aktivisten, eine organisierte Diffamierung aller missliebigen Wissenschaftler, die noch nicht mitbekamen, dass es nicht mehr um die Abwendung einer Klima-Krise geht, sondern um den verzweifelten Versuch eine Anpassung hinzubekommen, bis ihnen was anderes einfällt. Und alle, die noch nicht genug verblödet sind, bekommen ihre tägliche Dosis Gefühls-Appelle, an denen sie sich abarbeiten können. Ganz nebenbei tobt ein Krieg, in dem die NATO-Staaten mit Waffenlieferungen mitspielen. Auch da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen und schon gar nicht alles Safe. Wenn es um Kriege geht, glaube ich persönlich erst einmal gar nichts. Russland hat die Ukraine angegriffen, so viel ist sicher. Doch wer da jetzt welche Pläne schmiedet oder vielleicht seinen Tag gekommen sieht, wird sich noch herausstellen. Na ja, und wie die Sache mit dem Finger auf andere zeigen wirkt, schrieb ich bereits. Putin hat doch vielen Leuten einen Gefallen getan. Eine Milliarde EURO liegen allein in Deutschland im Pott. Die anderen rüsten auch auf. Für diverse Konzerne hat er den Platz geräumt und die übernehmen jetzt das Energiegeschäft. Die Ukraine war gut entwickelt. Da sind sie unsere kompatiblen zweckdienlichen Einwanderer. Diverse andere geopolitische Sauereien lassen sich wunderschön begründen. Was will man mehr, wenn man keine Skrupel kennt und nicht moralischer Besserwisser spielen will?
Sich alledem zu entziehen, ist auf Dauer nahezu unmöglich. Mir kommt es vor wie ein Boxkampf, bei dem man rechtzeitig den Zeitpunkt zum Handtuch werfen erkennen sollte. Innerhalb des Systems wird es eine echte Freiheit nicht mehr lange geben. Wer sie dennoch leben will, muss sich nach Außen begeben. Und wer Spaß dran hat, kann versuchen es zu hacken. Eine aus meiner Sicht unterschätzte Gefahr. Innerhalb der kommenden 15 Jahre, wird der Cyber-Krieg völlig neue Dimensionen annehmen. Offizielle untereinander, die “Anarchisten” und die Kriminellen werden eine explosive Mischung ergeben. Da kommen dann die ins Staunen, die einen Rechner an und aus machen können, oder ahnungslos in einer virtuellen Welt leben. Was ist eine Truppe Klima-Aktivisten im Verhältnis zu Hackern, die einfach mal ein paar Versorgungsstationen oder ganz simpel alle Kreuzungen auf Grün schalten?
Überwachung und Repression
“Wer nichts zu verbergen hat, braucht die Überwachung nicht zu fürchten!” Die in dieser Behauptung innewohnende Rhetorik kommt aus der Hierarchie von ganz oben. Zunächst einmal gibt es welche, die die Überwachung anordnen, weil sie etwas wissen wollen, was sie anders nicht in Erfahrung bringen können. Hinzu kommen die überwachenden Personen, sowie die Überwachten. Überwacht werden aber nicht alle, sondern eine Auswahl. Treffe ich eine Auswahl, muss es Kriterien geben. Ich schaue mir an, wie der Versuch endet, Vorstandssitzungen eines großen Konzerns zu überwachen. Gleichfalls ist es unwahrscheinlich, dass die überwacht werden, welche selbst die Anordnungen aussprachen. Da ist schon mal ein Haken. Wer davon ausgehen muss, dass eine Überwachung stattfindet, bewegt und handelt instinktiv nicht mehr frei. Man fühlt sich schlicht beobachtet und eine Menge findet im Unterbewusstsein statt. Insbesondere gilt dies, wenn ich nur eine vage Vorstellung von den Möglichkeiten habe. An dem Punkt findet eine Veränderung statt. Lange Zeit nahmen die Leute mehr an, als es Möglichkeiten gab. Mittlerweile ist dieser Punkt überschritten und es ist mehr machbar, wie sich die meisten vorstellen. Und die Entwicklung dauert an. Doch auch die Klassiker genügen völlig aus. Zum Leben eines Kriminellen gehört eine gesunde Paranoia dazu. Ständig muss er oder sie auf der Hut davor sein, am Telefon nichts Kompromittierendes von sich zu geben, seinen Mitmenschen zu sehr zu vertrauen, neue Bekannte ins Leben zu lassen, weil es ein Spitzel oder ein eingeschleuster Verdeckter Ermittler sein kann. Politische Aktivisten kennen dieses Lebensgefühl ebenfalls. Denn wer tatsächlich Extremist oder Radikaler ist, bestimmen sie nicht selbst, sondern andere aus höheren Bereichen der offiziellen und inoffiziellen Hierarchie. Besonders diejenigen, welche sich in einer als linke Szene definierten Umfeld bewegen, kennen dies zur Genüge. Doch auch die andere Seite, weiß darum. Man denke dabei nur an die NPD, von der aus ein geschickter Schachzug ausging. Der Vorstand ließ alle antreten und unterbreitete ein Angebot. “Es ist nicht schlimm, wenn ihr mit dem Verfassungsschutz redet. Geld kann jeder gebrauchen. Aber es wäre nett, wenn ihr uns unterschreibt, dass ihr bei denen auf der Liste steht.” Eben jene Liste legten sie dann im Rahmen des Verbotsverfahrens auf den Tisch und behaupteten, dass alles gar nicht so wäre, weil es größten Teils wegen der Unterwanderung passierte. Chapeau! Bedingt durch die neuesten Entwicklungen können sich alle Klimaaktivisten darauf einrichten, dass Teilnehmer an den Aktionen u.U. auf der Gehaltsliste von Sicherheitsbehörden stehen. So wie jeder, der mit einem/einer Aktivisten/ in telefoniert, sich des unbekümmerten Privaten nicht mehr sicher sein kann. Gleichfalls können sich alle Eltern, die ihre Kinder bei sich gemeldet haben, auf einen Besuch der Polizei einrichten. Und wie sich in der Vergangenheit zeigte, sind dies keine Besuche von zwei freundlich auftretenden, gesitteten Kriminalbeamten, sondern das Besteck, was früher bei Schwerverbrechern anrückte. Damit meine ich nicht das SEK. Sechs finster dreinblickende Beamte/innen des polizeilichen Staatsschutzes tun es auch.
Letztens fragte mich ein Beschäftigter der BSR, wie ich als Fachmann die Aktionen der Klimaaktivisten sehen würde. Ich antwortete: “Ich gebe Dir keine Antwort, als KHK a.D., sondern als Vater von zwei Töchtern im Alter von 27 und 30 Jahren, die, wenn es für sie gut läuft, noch um die 40 – 50 Jahre leben.Alle unsere Proteste, Wählerstimmen, politische Diskussionen, sind in den vergangenen 30 Jahren schlicht im leeren Raum verhallt. Vielleicht sah ich nicht viel von Welt, aber genug, um zu wissen, was wir anrichten. Ich sah die Folgen in den Dolomiten, in den Pyrenäen, in der Mongolei, in Laos, Thailand und Malaysia. Der Gletscher, wo ich mit meinen Eltern zum Skilaufen war, ist fast weg. In den Bergen sah ich beim Wandern die Mondlandschaften, die der Skizirkus hinterlässt.Im Mittelmeer den Müll und am Strand die Reste von angespülten gekenterten Booten und Rettungswesten von Kindern.In Osteuropa sah ich, was dort alles angerichtet wird. In Laos den Raubbau am Dschungel, die Verstümmelten von den Hinterlassenschaften des Vietnam-Kriegs und die Folgen der veränderten Regenzeiten. In Malaysia den europäischen Müll. In der Mongolei die Folgen des Klimawandels, weil im Sommer die brütende Hitze die Steppe ausdorrt und im Winter das zu schwache Vieh in der Extrem-Kälte verendet. Ebenso die Folgen des Raubbaus durch die Minengesellschaften. An der Nord – und Ostsee bin ich Öl-Brocken getreten. Als Vater sage ich Dir: Die haben schlicht und ergreifend recht.” Und ausnahmsweise wirkte mein Wortschwall überzeugend.
Die Aktionen der Klima-Protestbewegungen werfen alte Fragen neu auf. Die Aktivisten greifen in die Bewegungsfreiheit ihrer Mitbürger ein, um ihrer Überzeugung nach, eben genau weiteren Aspekten der Freiheit aller zu dienen. Sie beziehen sich auf den wissenschaftlichen Konsens, dass innerhalb kürzester Zeit weltweite massive und radikale Maßnahmen nötig sind, um die sich ohnehin bereits katastrophal entwickelnde Situation abzuschwächen oder zu stoppen. [12]https://www.de-ipcc.de/355.phpJedes Land auf der Erde ist dazu aufgefordert, seinen Beitrag zu leisten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich jede Maßnahme erst in ca. 60 Jahren signifikant auswirkt. Die Aktivisten haben sich den Namen “Letzte Generation” gegeben, weil alles während ihrer Existenz passieren muss. Eins ist klar, die tatsächliche Handlungsmacht liegt derzeit nicht bei ihnen. Die Gewalt gegen das ökologische System und alle Lebewesen auf der Erde, geht von allen wirtschaftlichen Unternehmungen aus, die in irgendeiner Form das ökologische System schädigen. Sei es durch Produktion, Finanzierung oder Bewerbung dieser Produkte. Hinzu kommen die Frauen und Männer in der Politik, den Machtmittel zugestanden wurden, sie aber nicht zur Abwendung der Gefahren benutzen, sondern die Profite, Umsätze, höherwertiger einschätzen. Ihrer Argumentation nach können nur mit ihnen Lebenssysteme gehalten und erschaffen werden. Heute kam eine Meldung über die Ticker, dass US-amerikanische Wissenschaftler einen kleinen Erfolg beim Heiligen Gral der Energiegewinnung der Wasserstofffusion erzielten. Erstmalig wurde minimal mehr Energie gewonnen, als man hineinsteckte. Doch sie vermeldeten gleichzeitig, dass sie Jahrzehnte von einem echten Durchbruch entfernt sind. Solche Meldungen sind seit dem Ende der 70er immer mal wieder zu vernehmen. Es ist fraglich, ob die Fusion jemals funktionieren wird. Davon bekommt man bereits in der Oberschule zu hören. Aber Christian Lindner, seines Zeichens einer dieser von vernünftigen, verständigen, mündigen Bürgern als repräsentativer Vertreter gewählter Mann, frohlockt bei Twitter, dass dieser “Durchbruch” zeigen würde, wie sehr Innovation wirkt. Alles, was ich dazu gern äußern würde, ist strafbar. Immerhin sagte er selbst: “Wenn man in der Schule sitzt und man sitzt seine Zeit ab, weiß, dass man telefonieren, den Kunden besuchen oder Arbeit erledigen müsste, dann kommt man sich so vor, als wäre die Zeit durch den Schredder gelaufen.”[13]https://www.buzzfeed.de/buzz/inspirierende-zitate-des-18-jaehrigen-christian-lindners-als-motivationsposter-zum-teilen-90143553.htmlIch tippe, er meinte seinen Physikunterricht.
Bei den Blockaden kommt es zu einer sogenannten Praktischen Konkordanz. Die ist gegeben, wenn mehrere Grundrechte aufeinanderprallen. Die Leute, welche in ihrem Fahrzeug sitzen und in der im Grundgesetz verbürgten Bewegungsfreiheit beschränkt sind, treffen auf die Leute, welche vom Recht Gebrauch machen, zu protestieren. Allerdings tun sie dies in der Regel nicht innerhalb der gesetzlichen Vorgaben. Unter Umständen aber genauso, wie sich dies manche Mütter und Väter des Grundgesetzes einst vorstellten. Seit den 80ern werden Sitzblockaden als eine Form der Gewalt interpretiert. Der Philosoph Herbert Marcuse wies in einem Gespräch mit Ivo Frenzel und Willy Hochkeppel darauf hin, dass der Begriff Gewalt alleinstehend keine Bedeutung innehat, sondern zu klären ist, wogegen sie sich richtet (im verlinkten Video ab 12:38) Legitim kann sie sein, wenn sie sich gegen vorhergehende unterdrückende Gewalt ausgehend von einer Machtposition als Gegengewalt richtet. Dies ist nicht beliebig, sondern kann analysiert werden. Wer sich faktisch in keiner Machtposition befindet, kann nicht unterdrücken. Insofern kann seitens der Klimaaktivisten/innen nachweislich keinerlei unterdrückende Gewalt ausgehen und schon überhaupt nicht mittels auf die Straße setzen. Fraglich ist lediglich, ob die seitens untätiger oder aus wissenschaftlicher Perspektive unverantwortlich agierende Politik, unterdrückende Gewalt ausübt. Schwierig! Immerhin scheint es, dass mittels der vorgesehenen Mittel der wissenschaftlichen Vernunft nicht Geltung verschafft werden kann, sondern das Irrationale regiert. Nunmehr kommt es mit der Perversion des Begriffes “kriminell” und darauf basierender Maßnahmen untrüglich zu einer unterdrückenden Gewaltanwendung. Perversion allein schon, weil man sich fragen muss, welche neuen Begriffe man sich für Mafiosi, bewaffnete Räuber, russische Banden und andere Zeitgenossen ausdenkt.
Als sich die Innenminister/innen trafen und erstmalig das Thema “Kriminelle Vereinigung” angeschnitten wurde, dachte ich noch an das übliche populistische Gerede am Rednerpult. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass jemand ernsthaft auf diesen Zug aufspringen würde. Wie gesagt, müssen immerhin mehrere Staatsanwälte/innen gewillt sein, dieses Verfahren zu eröffnen und auch richterliche Beschlüsse einholen. Wobei gewillt nicht korrekt ist. Im Gerichtsverfassungsgesetz steht seit 1879: „Die Beamten der Staatsanwaltschaft haben den dienstlichen Anweisungen ihres Vorgesetzten nachzukommen.“ Und diese Vorgesetzten sind die Justizminister/innen. Bleibt noch die Hürde: Unabhängige/r Richter/in. Doch auch die beugten sich offenkundig dem politischen Willen. An der Stelle war ich fassungslos. Dies sind Zustände aus dem Kaiserreich, Volksgerichtshof bis hin zur DDR. Ja, ich weiß, darüber mokierte ich mich bereits am Anfang.
Ein anderer Begriff, der ebenfalls viel mit der Freiheit innerhalb eines Ordnungssystems zu tun hat, ist der Zivile Widerstand. Wie soll sich ein freier Geist, der mittels vernünftiger und verständiger Überlegung zum Ergebnis kommt, dass die innerhalb von ihm akzeptierten Ordnung installierte Macht/Herrschaft nachvollziehbar unethisch handelt, verhalten? Schweigen? Hinnehmen? Diesem Problem widmeten sich schon griechische und römische Denker. Eine vollkommen andere Nummer steht zur Betrachtung, wenn jemand die Ordnung an sich nicht akzeptiert, oder massive Gewalt anwendet, um klarzustellen, wen es treffen soll. Dann wäre man grob in Richtung Propaganda der Tat und Rote Armee Fraktion unterwegs.
Es bleibt nur die Entscheidung, schweigend dem ethischen Verstoß zuzusehen und sich damit individuell zum Mitwisser oder Mitläufer zu machen, oder sich dagegenzustemmen und dabei niederrangige Regelverstöße der Ordnung in Kauf zu nehmen.
“Der Satz ‘man muss Gott mehr gehorchen, als den Menschen’ bedeutet nur, dass, wenn die letzten etwas gebieten, was an sich böse (dem Sittengesetz unmittelbar zuwider) ist, ihnen nicht gehorcht werden darf und soll.” Immanuel Kant: “Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft.” 1793
Ich denke, es ist nicht unzulässig, wenn ich als jemand, der kein Christ ist, an Stelle von Gott, die Ethik einsetze. Meinem Verständnis nach muss man auch nicht in einem Unrechtsstaat leben, von dem unmittelbar erkennbare unsittliche Handlungen begangen werden, um sittliche Zuwiderhandlungen begründen zu können. Wenn das staatliche Handeln oder einzelner Institutionen, geeignet ist, sich an der gemeinschaftlichen Herbeiführung einer alle Lebewesen betreffenden Katastrophe zu beteiligen, ersehe ich die Unsittlichkeit erfüllt. Noch weniger ist es relevant, ob nur Deutschland oder andere Staaten mit beteiligt sind. Ein/e Staatsbürger/in ist in erster Linie dem eigenen Staat gegenüber verpflichtet. Das unsittliche Handeln weiterer Staaten kann die nicht die Rechtfertigung meines eigenen sein.
Ob man richtig liegt oder nicht, entscheidet in der Regel die Zukunft. Wer sich gegen die Proteste stellt und vehement empört reagiert, aber gleichzeitig zustimmt, dass die Klimamaßnahmen nicht ansatzweise ausreichen und wir tatsächlich auf eine Katastrophe zu laufen, befindet sich auf dünnem Eis. Denn dann ist absehbar, dass das Unterlassen Folgen haben wird. Die Menschen aus den Regionen, die es in naher Zeit trifft, werden dies zu interpretieren wissen und als Grenzüberschreitung empfinden. Denn unsere übermäßige, rücksichtslose “freie” Nutzung der Ressourcen und Emissionen, greifen massiv in ihre Freiheiten ein. In den Social Media machen sich einige darüber lustig, in dem sie schreiben: “Und Opa, was hast Du gegen die Klimakatastrophe getan? Ich klebte mich auf der Straße fest!” Immerhin! Die das lustig finden, können nur antworten: “Außer Rumpöbeln und lustig machen, hab ich gar nichts getan.”
Ganz nebenbei ist das Klima, eine von vielen Baustellen. Draußen sinken die Temperaturen witterungsbedingt auf – 7 Grad. In den Wäldern, Flüchtlingscamps, harren Frauen, Kinder, Männer, in Zelten aus. Sie leiden, erfrieren oder kommen gerade noch irgendwie durch. Was wird da wohl in den Köpfen entstehen, wenn sie es doch noch irgendwie schaffen, um dann im “gelobten” Land festzustellen, dass sie hier auch nicht wirklich eine Chance bekommen? Dankbarkeit? Ich kann Riots, Übergriffe, psychisch Kranke, die meine Freiheiten und die meiner Kinder einschränken, nicht auf den oder die Einzelne herunterbrechen. Ich muss es auf die gesamte Welt gesehen analysieren und nach Ursachen, Wirkungen, Ausschau halten.
Dies ist ein sehr langer Text geworden. Aber immerhin kein Buch. Danke, wenn Du bis zum Ende gelesen hast. Vielleicht ist es mir gelungen, die eine oder andere gedankliche Anregung zu geben. Mir waren die geschriebenen Worte wichtig. Ich lernte, dass man sich nur distanzieren kann, wenn man zuvor an einem Punkt war. Als Kriminalbeamter war ich bezüglich einiger angerissener Punkte an Stellen, wo ich für die Ordnung eintrat. Mit dem, was heute passiert, dem Missbrauch der Polizei, Einspannen der Justiz für die Politik, den Zeitgenossen, die dumpf darauf pochen “frei” mit ihren Autos fahren zu können, Politikern/innen, die ihre Macht nicht zu nutzen wissen, einer Ordnung, die als glänzende Schale das Grundgesetz besitzt, aber innen immer mehr verfault, all den Konservativen, die längst auf den Pfaden der Neuen Rechten wandeln und stetigen Zulauf bekommen, will ich nichts zu tun haben – ich distanziere mich. Dies gilt auch für all die Technokraten, die auf die Buchstaben des Gesetzes zeigen. Gesetze sollen den Menschen und ihren Bedürfnissen dienen. Wenn der Mensch zum Gegenstand der Gesetze wird, er mithilfe von Rechtsgelehrten instrumentalisiert wird, läuft einiges böse schief.
Der dominierende Teil der Gesellschaft ergeht sich in Rücksichtslosigkeit und verwechselt die übermäßige Erfüllung der eigenen Bedürfnisse mit Freiheit. Außerdem wird die Freiheit auf dem Altar des Mammons geopfert. Für viele ist sie gleichbedeutend mit Geld. Wer es hat, hat viel Freiheit und wer wenig hat, kann sie sich halt nicht leisten. Nein, das ist nicht meine Vorstellung von einer gesellschaftlichen Ordnung, für die ich gewillt bin einzutreten. Da sollen sich andere im aktiven Dienst die Hände mit schmutzig machen. Aber ich tue auch nichts dagegen. Schon allein deshalb nicht, weil dies ein zweckloses Unterfangen ist. Gegen die tumbe Masse kann man nichts ausrichten. Da bleibt einem nur das eigene freie Leben, mit persönlichen Maximen. Heute wurden mit den angesprochenen Durchsuchungen ein deutliches Zeichen gesetzt. Jeder kann sehen, wer die Herrschaft hat und wie sie gedenken, sie auszuüben. Dies sind keine freiheitsliebenden Leute, sondern Anhänger einer autoritären Ordnung. Was sie hassen, ist Unruhe. Sie wollen, dass ihre Entscheidungen kommentarlos hingenommen werden, da sie angeblich wissen, was gut ist. Alles soll seinen geordneten Gang gehen. Im Zweifel diszipliniert in den Abgrund. Ich kenne sie und ihre Denkart. Oben buckeln und nach unten treten ist ihre Erfüllung. In der Behörde, wo ich herkomme, herrschte lange ein Kampf, wer die Oberhand gewinnt. Die Sieger scheinen festzustehen. Es wird immer von Spaltung der Gesellschaft gesprochen. Nun, jetzt vollzieht sie sich. Auch die Klimaaktivisten/innen haben Leute hinter sich. Da geht es nicht nur ums Klima, sondern auch um Skepsis gegenüber der Arroganz der Macht. Und all diejenigen erhielten in diesen Tagen eine unmissverständliche Botschaft.
In Deutschland ist vieles besser und freier, als in anderen Ländern. Doch kann dies mein Maßstab sein? Ich denke nicht. Die Menschen, die andere Länder unfreier gestalten, sind mit denen hier identisch. Nur haben sie dort andere Möglichkeiten. Gebietet man ihnen nicht Einhalt, hält sie in Zaum, werden sie sich immer mehr durchsetzen. All die Aktivisten, als links bezeichneten Gesellschaftskritiker, die Intellektuellen, welche keine Kompromisse mit der Macht eingehen, sind nicht die, welche die Freiheit bedrohen, sondern das Gegengewicht. Wer auf die Rhetorik hineinfällt, dass Reichsbürger, Querdenker, Mitglieder der AfD, Neue Rechte, systemkritische Freiheitsdenker sind, hat schon im Ansatz verloren. Sie wollen, dass die Macht noch mehr einschränkend eingreifen kann, eine strikte Ordnung besteht, die sie beherrschen und strukturieren.
Alle menschlichen Ordnungen liegen auf einer Strecke, die durch die Punkte totale Freiheit und maximale Beschränkung durch den Menschen selbst gebildet wird. Eine totale Freiheit kann es aus den dargelegten Gründen nicht geben. Also wird sich das menschliche Dasein immer ein paar Zentimeter von diesem Punkt entfernt befinden. Danach kommen alle Ordnungen, deren Standort sich anhand der Beschränkungen ermitteln lässt.Und alle Systemtheoretiker finden Gründe dafür, warum und welche Beschränkungen notwendig sind. Diese gilt es ständig zu hinterfragen und zu prüfen. Die Verortung des Menschen in der Mitte des Geschehens, halte ich für einen grundlegenden und schwerwiegenden Fehler, besonders wenn sie dazu führt, dass die Grundregeln missachtet werden: Jede Handlung hat eine Wirkung und löst weitere Reaktionen aus. Der Mensch ist eingebettet in eine Welt und sie ist damit auch Teil von ihm. Alles, was ein Lebewesen tut, hat Folgen für sich selbst und die gesamte Welt. Der Homo sapiens besitzt ein Bewusstsein, woraus nicht nur eine Einsicht in diese Regeln resultiert, sondern auch die Verpflichtung, sie zu beachten.
https://www.dobelli.com/de/bucher/die-kunst-des-digitalen-lebens/ – Wir sind immer bestens informiert und wissen doch so wenig. Warum? Weil wir ständig News konsumieren – kleine Häppchen trivialer Geschichten, schreiende Bilder, aufsehenerregende „Fakten“. Doch News tun uns nicht gut: Sie vernebeln unseren Geist, verstellen uns den Blick für das wirklich Wichtige, rauben uns Zeit, machen uns depressiv und lähmen unsere Willenskraft. Rolf Dobelli lebt seit zehn Jahren gänzlich ohne News – und kann die befreiende Wirkung dieser Freiheit aus erster Hand schildern. Machen Sie es wie er: Klinken Sie sich aus. Radikal. Und genießen Sie ein Leben mit klarerem Denken, wertvolleren Einsichten und besseren Entscheidungen.
„In einer Hierarchie neigt jeder Beschäftigte dazu, bis zu seiner Stufe der Unfähigkeit aufzusteigen.“ Laurence J.Peter/William Morrow, The Peter Principle
Was jemand darunter versteht, ist ziemlich individuell. Manchen genügt z.B. die gemeinsame Nationalität, während sich andere auf eine unmittelbare Bekanntschaft reduzieren. Bei Versuchen mit Kleinkindern wurde festgestellt, dass sie grundsätzlich ein instinktives Beistandsverhalten und einen Gerechtigkeitssinn innehaben. Wurden ihnen Situationen gezeigt, in denen von einem Versuchsleiter erkennbare ungerechte oder gewalttätige Handlungen vollzogen wurden, reagierten sie auf diesen später negativ. Allerdings gab es Abstufungen. Umso mehr die/der Betroffene sich von ihnen selbst unterschied, je geringer war die Intensität der Ablehnung
Statt zu sagen: Sitz nicht einfach nur da – tu irgendetwas, sollten wir das Gegenteil fordern: Tu nicht einfach irgendetwas – sitz nur da.
Thích Nhất Hạnh, buddhistischer Mönch und Schriftsteller
Es ist eine banale Erkenntnis, dass das Leben in westlichen Industriestaaten deutlich schneller getaktet ist, als dies z.B. noch vor 100 Jahren vor sich ging. Die Verheißung hieß einst: Maschinen übernehmen die Arbeit der Menschen und die können sich dann um andere Dinge kümmern. Wobei sich da bereits die Frage eröffnet: Was sind denn diese anderen Dinge? Schaue ich im eigenen Leben zurück, lebte ich gefühlt um ein Doppeltes schneller, denn ich es heute tue. Und schon wieder bin ich in einer Formulierungsfalle gelandet. Leben ist Leben! Man kann es nicht schneller leben. Präziser formuliert, will der Mensch, innerhalb der gleichen Zeitspanne mehr erledigen, wahrnehmen, verarbeiten, gestalten, kommunizieren. Begleitet wird das von der Überzeugung, dass ein Mensch dazu imstande ist. Ist das so? Seit geraumer Zeit stehen uns technische Möglichkeiten zur Verfügung, die uns dabei unterstützen. Was war zuerst da? Der Wille mehr in eine Zeitspanne packen zu können oder die Technik? Ich denke, es war der Wille. Bei Wille denke ich sofort an Motivation. Die alte Phrase: “Zeit ist Geld!” wird allgemein Benjamin Franklin zugeschrieben, weil er diese Worte 1748 in einem Ratgeber für junge Kaufleute niederschrieb. Etwas tiefer schürfende Texte führen einen auf eine weitere Fährte. Allgemein werden die Worte zum Antreiben benutzt. Wer im Akkord arbeitet, kann viele Produkte herstellen, welche wiederum veräußert werden können. Ganz anders sieht die Interpretation aus, wenn man die Worte auf die Texte des Römers Seneca anwendet. Er fordert dazu auf, Zeit mit Geld gleichzusetzen. Eine Schatztruhe mit Münzen kann sich jeder vorstellen. Ist sie gut gefüllt, sind Ausgaben leicht. Oftmals ist man dazu geneigt, jedenfalls wenn man nicht geizig ist, das Geld auch für Dinge auszugeben, die absolut unnötig sind. Leert sich die Kiste allmählich, wird man bedächtiger. Die Wertschätzung wird immer mehr zum Thema. Seneca setzt die Münzen mit der Lebenszeit gleich. Ständig veräußern wir Sekunden, Minuten, für irgendwelche Aktionen. Wenige Menschen wissen den Schlaf zu schätzen, obwohl er der Gesundheit dient. Tatsächlich geben wir damit einige Stunden für unseren Körper aus. Unterhalten wir uns, geben wir Lebenszeit aus und kassieren gleichzeitig die Zeit eines anderen Menschen. Denken wir über etwas oder einen anderen nach, stellt dies eine Ausgabe dar. An der Stelle kritisiert Seneca, wie oft Zeit für Smalltalk ohne Inhalt verschwendet wird oder wie wenig Wertschätzung die Menschen für die Zeit aufbringen, die andere für sie investieren. Auch jetzt in diesem Augenblick gebe ich Zeit aus. Wenn ich den Text fertig habe, wird Zeit vergangen sein und was da am Ende herauskommt, ist ein Produkt, aber keins, welches ich gegen Geld verkaufen kann. Hieraus ergibt sich wiederum, dass ich dabei andere Aspekte heranziehen muss. Was hat für mich einen derart großen Wert, dass ich bereit bin, hierfür Lebenszeit zu veräußern? Andersherum investiert ein anderer Mensch beim Lesen Zeile für Zeile Lebenszeit. Eine Ausgabe, die ich wertschätzen sollte.
Klassische Produkte besitzen in der Regel die unangenehme Eigenschaft der Vergänglichkeit oder wir verlieren sie mit absoluter Sicherheit beim Sterben. Noch spannender wird es beim Thema Geld. Geld an sich, also gegenständlich, hat absolut keinerlei eigenen Nutzen. Der Nährwert eines Geldscheins ist nicht sonderlich hoch. Auch wenn ich Scheine verbrenne, komme ich nicht weit. Papier brennt schnell ab und ist für eine längerfristige Wärmeabgabe vollkommen ungeeignet. Münzen bestehen immerhin noch aus Metall, welches sich zu nützlichen Dingen umfunktionieren lässt. Erst durch die Ausgabe, den Tausch Ware-gegen-Geld, erfährt das Geld einen Wert. So lautete jedenfalls der Grundgedanke. Geld, welches nur noch digital existiert, sprengt alles. Ich treibe die Überlegung mal auf die Spitze. Bei uns ist ein großer Teil des Lebens ist davon bestimmt, dass für Geld gearbeitet wird. Vollkommen anders zu sehen ist die Zeit, welche für Arbeit an etwas verausgabt wird, was man selbst nutzt und in den Händen hält. Die Arbeitszeit, welche mit Geld entlohnt wird, führt im Prinzip zu einer Transformation. Schaue ich auf das Geld, sehe ich meine dafür benutzte Lebenszeit. Liegt das Geld auf dem Konto, schaue ich auf die Tage, Wochen, Monate oder bisweilen Jahrzehnte, die ich dafür hergab. Erst, wenn ich etwas kaufe, erfolgt eine weitere Umwandlung. Betrachte ich die neu gekaufte modische Jacke, ist dies u.U. jene Zeit, die ich nicht mit meinen Kindern verbrachte, mir nicht dafür nahm, um mich selbst zu regenerieren oder einfach mal alles baumeln ließ. Doch auch hier gibt es einen Haken. Manche Leute bekommen als Gegenleistung für einen halben Tag, gerade mal eine warme Mahlzeit und andere einen Betrag, mit dem sie sofort eine Luxuslimousine kaufen könnten.
Konsequent muss die Erkenntnis lauten: Bei dieser Konstellation hat die Lebenszeit des einen weniger Wert, als die eines anderen.
Theoretisch kann sich jemand, der für wenig Lebenszeit viel Geld bekommt, entspannt zurücklehnen und es sich leisten, nicht alles gleichzeitig zu machen. Nicht von ungefähr sagt man auch: Der oder die lässt das Geld für sich arbeiten. Gleichsam könnte sich so ergeben, dass finanziell gut gestellte Zeitgenossen genügend Zeit haben, sich über all die Aspekte des Lebens Gedanken zu machen, zu denen die anderen nicht kommen. Meinem Eindruck nach funktioniert dies nicht. Ganz im Gegenteil! Häufig sind es die, welche hart für jeden EURO arbeiten und erheblichen Zeitaufwand betreiben müssen, um über die Runden zu kommen, diejenigen mit den weiseren Aussagen. Wo ist der Haken? Mir scheint, dass es etwas mit der Wertschätzung zu tun hat. Eine Betrachtung, die auf dem direkten Weg in die Tiefen des menschlichen Daseins führt.
Ohne die Kooperation ist der Mensch nichts und wäre nicht einmal ansatzweise so weit gekommen, wo er heute steht. Angefangen bei der Horde, die einst durch die Gegend streifte, und später bei der ersten Arbeits- und Wissensteilung. Damit ist die gegenseitige Hilfe, Unterstützung, Kommunikation, voneinander Lernen, sehr weit oben angesiedelt. Dies gilt selbst beim Plündern. Was habe ich davon, wenn ich mir gewaltsam etwas aneigne, dessen Funktion ich nicht verstehe? Nur Völker, die dies verstanden, konnten sich weiter entwickeln. Griechen, Römer, Theben, Phönizier, Perser, Karthager, Makedonier, gründeten in der europäischen Antike große Reiche und machten sich darüber Gedanken. Nicht anders sah es in anderen Teilen der Welt aus. Immer schwang dabei auch die Überlegung mit, was einem mehr einbringt. Der Krieg oder der Frieden? Lange friedliche Phasen brachten stets Entwicklungsschübe mit sich. Und dazu gehörte auch, über das Dasein, das Wesen des Menschen, die Art und Weise, wie man die begrenzte Lebenszeit zufriedenstellend nutzt, nachzudenken. Schlicht, weil der Mensch in der Evolution etwas entwickelte, was er selbst als Denken bezeichnete. Rückschlüsse aus dem ziehen, was gesehen, gehört, gerochen und gefühlt wird. All diese Denkprozesse werden als Verstand definiert. Man nimmt seine Umwelt wahr und wertet sie passend aus. Hinzu kommt die Fähigkeit, nicht sinnlich Erfassbares anzunehmen, logisch abzuleiten oder für die Zukunft zu prognostizieren. Jenes nennen wir die Vernunft.
Aber welchen Wert bemessen wir diesen existenziellen Fähigkeiten bei? Vor allem, wie will man sie anwenden, wenn dafür gar keine Zeit bleibt? Wäre es nicht zweckmäßig, für die Fähigkeiten, welche den Menschen von anderen Spezies unterscheidet, Lebenszeit zu verwenden? Was unterscheidet uns sonst von einem Bonobo-Schimpansen, der den Entwicklungsstand eines vierjährigen Menschen erreichen kann? In einer dekadenten Wohlstandsgesellschaft komme ich grundsätzlich mit wenig Benutzung von Vernunft und Verstand durch. Bei sehr vielen Vorgängen verstehe ich überhaupt nicht, was da gerade passiert. Ich kann stundenlang auf einen modernen Motor starren und werde trotzdem nicht nachvollziehen können, was da in diesem kunstvoll zusammengeschraubten Wirrwarr aus Gummi, Metall, Kunststoff, vor sich geht. Erst recht nicht, wie dieser Laptop vor mir funktioniert, aus welchen Bestandteilen das Ding im Einzelnen besteht und wie es möglich ist, dass das Geschriebene im Internet landet. Ich benutze es einfach, ohne es zu verstehen. Die Überlegung ist simpel. Träte jetzt im nächsten Moment eine Dystopische Situation ein und ich wäre auf mich alleine gestellt, würde sich zeigen, über welche Fähigkeiten ich wirklich verfüge. Kann ich ein Feuer machen? Nahrung herbei schaffen? Mich mit anderen zusammen tun? Wäre ich vernünftig, empathisch, kooperativ genug, um in einem Zusammenschluss mit anderen Menschen agieren zu können?
Doch die Überlegungen gehen darüber hinaus. Welchen Wert bemesse ich persönlich meinem Dasein über den Tod hinaus bei? Ist es mir wichtig, wie die Menschen danach über mein Wirken denken oder es bewerten? Möglicherweise ist es mir egal. “Nach mir die Sintflut!”, wie einige sagen, denken und vor allem handeln. Oder was ist meinem Wirken in der Gegenwart? Erfüllt es mich oder gibt es mir eine Befriedigung, wenn ich in meinem Sinne Einfluss nehme? Einfluss nehme ich immer, dagegen kann ich mich nicht wehren. Egal was ich tue, es hat eine Wirkung, fraglich ist nur, wie es vonstattengeht und inwieweit ich eine Kontrolle darüber habe. Bin ich aggressiv unterwegs, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich diese Aggression über mehrere Stationen fortsetzt. Maule ich die Kassiererin oder den Kassierer im Supermarkt an, wird das Folgen nach sich ziehen. Ich lege auf dieses immer mehr Wert. Was genau bewirke ich jetzt gerade?
Für diese Überlegungen benötige ich Zeit, die ich mir nehmen muss. So wie ich sie mir gönnen musste, um überhaupt auf diesen Stand zu kommen. Schenke ich dem Augenblick keinerlei Beachtung, werde ich auch nicht erkennen, was gerade passiert. Wer schnell “lebt”, reiht eine ganze Kette von Handlungen aneinander, ohne sich der Wirkung bewusst zu sein. Gleichzeitig kommt es zu jeder Menge Fehlern beim Denken. Das Gehirn erzählt sich innerhalb von Sekunden lauter kleine Geschichten, die immer weiter miteinander verkettet werden. Gern werden dabei Umstände miteinander verbunden, die objektiv nichts miteinander zu tun haben. Nimmt man sich die Zeit, nachträglich nochmals alles sauber auseinanderzunehmen und zu analysieren, nennen wir diesen Prozess “Nach/denken”, woraufhin eventuell andere Ergebnisse zustande kommen. Das meiste, was wir bei Mitmenschen als Dummheit bezeichnen, ist die Folge vom falschen Zusammenziehen mehrerer Ereignisse zu einer Geschichte, die schlicht unstimmig ist, aber leider die Basis für weitere Handlungen darstellt. Im Ergebnis steigt aufgrund der Schnelligkeit, dem übermäßigen Füllen eines Zeitraums mit Handlungen, die Gefahr Dummes zu tun oder verbal abzusondern. Dem lässt sich nur mit Nachdenken begegnen, ein Vorgang, wenn er sich auf das bezieht, was wir den lieben “langen” Tag so anstellen, als Selbstreflexion bezeichnet wird. Ich will davon nicht zwingend ableiten, dass hektische Menschen, Leute, die alles gleichzeitig machen wollen, sich stets “busy” geben, dumm sind. Aber die Wahrscheinlichkeit steigt an. Parallel wird es unwahrscheinlich, dass sich die Menschen selbst reflektieren.
Warum sie sich nicht die Zeit nehmen, steht auf einem anderen Blatt.
Bei einigen ist es die Gier. Andere sehen sich verpflichtet, von anderer Seite her gestellte Aufgaben bzw. Anforderungen zu erfüllen. Vielleicht sind es subjektive Existenzängste oder oftmals tatsächlich bestehende Gefahren, weil man z.B. sonst seinen Job verliert. Ebenso kann es das Heischen nach Anerkennung sein oder eine angenommene moralische Verpflichtung. Als Mensch komme ich nicht daran vorbei, ein gesundes Verhältnis zur Ausgabe meiner Lebenszeit zu finden. Unter gesund verstehe ich dabei eine dem Leben zuträgliche Taktung, mit anderen Worten zu einem Zustand der Ausgeglichenheit führt. Schaue ich in die Wildnis, kann ich eine ganze Menge ableiten. Prädatoren sind auf Effizienz angewiesen. Eine Löwin kann es sich nicht leisten, unzählige halbherzige Versuche zu unternehmen. Jeder neue Ansatz erfordert immense Energie und zu viele erfolglose führen zum Tod. Zur Steigerung der Chancen tun sie sich im Rudel zusammen. Im gewissen Sinne wird vorher genau überlegt und im Fall des Scheiterns ausgewertet. Die meisten kleinen, hektischen Lebewesen werden nicht sonderlich alt. Die ältesten Lebewesen des Planeten sind eher behäbig. Tiere in Gefangenschaft, die ausreichend und ihrer Art angepasst versorgt werden, sind vom nervenaufreibenden Beschaffen von Nahrung befreit, werden oftmals älter als ihre Artgenossen in der Wildnis. Dies gilt auch für diejenigen, welche kaum Fressfeinde zu fürchten haben. Verkürzend wirkt sich allerdings die Verkümmerung aus, wenn sie nicht wie gewohnt agieren können oder in Interaktion treten können. Auch für letzteres benötigen sie und auch wir: Zeit!
Zeit ist ein kostbares Gut, nicht komprimierbar und im Fall des Daseins eine unbestimmbare Größe. Was habe ich davon, wenn sie auf meinem Konto in Form einer Zahl dargestellt wird und ich die Transformation, die eigentlich eine Art bestimmungsgemäße Rückführung darstellt, zu einem Zeitpunkt in die Zukunft verschiebe, den ich u.U. gar nicht erlebe? Oder was ist mit der Zeit, die ich in Produkte investiere, von denen die Gesellschaft, in die ich hineingeboren wurde, behauptet, dass sie wichtig sind, während ich andere Prioritäten setze? Letztens hatte ich darüber mit einer Frau einen interessanten Austausch. Unser Einstieg war die Frage nach dem Sinn eines Lebens und die Gefahr eines Suizids, wenn man eben diesen nicht mehr sieht. Vorab: Für mich gibt es keinen fremdbestimmten Sinn eines Lebens. Würde ich dies akzeptieren, müsste ich auch irgendjemanden die Definitionshoheit zugestehen. Was mache ich, wenn ich diese Definition nicht erfülle? Ist mein Leben dann sinnlos? Kann ich es dann nicht auch beenden? Meiner eigenen Vorstellung nach, ist keine Existenz, wie auch immer sie sich darstellt, aus dem Gesamten zu entfernen. Gäbe es nichts, was ich als böse ansehe, würde auch alles Gute wegfallen. Alles Negative, ist gleichzeitig geeignet, eine positive Gegenreaktion auszulösen. Selbst ein früher Tod erinnert andere Menschen an die mögliche Kürze des Lebens. Bei allem gilt: Es steht nicht in meiner Macht, hierüber die Kontrolle zu haben. Mir bleibt tatsächlich nur der Versuch, eventuell mit der eigenen Lebensart über die Gesetze der Wechselwirkung eine von mir erwünschte Richtung, Struktur, zu begründen. Ein Suizid setzt für andere eine Lösung in die Welt. Aber er wird nichts daran ändern, was mich mein Leben als nicht lebenswert empfinden ließ. Wenn ich den anderen zeigen will, dass es so ist, bitte, aber dies ist ohnehin bereits allgemein bekannt. Ergo, kann ich es auch lassen und weiter leben, um anderes auszuprobieren. Richtig kompliziert wird es bei Schmerzen. Beispielsweise wird im Buddhismus der dem Tod vorangehende Schmerz als eine Zeit für die Vorbereitung des nächsten Lebens betrachtet, während der plötzliche Tod eher unglücklich ist, weil der oder die Betroffene, das Leben nicht bewusst zu Ende brachte.
All diese Gedankengänge setzen voraus, dass ich in einem Leben mehr sehe, als wirtschaftliche Produktivität, Mehrung des allgemeinen materiellen Wohlstands, Erfüllung vorgefertigter gesellschaftlicher Vorgaben oder Ansprüchen, die andere an mich richten.
Der von der Gesellschaft ausgehende Druck ist immens. Hinsichtlich des Zeitmanagements bestehen Vorgaben, deren Erfüllung erwartet werden und wer sich dagegen stellt, muss dafür Kraft aufbringen. Hierfür ein alltägliches Beispiel. Wer einen Supermarkt betritt, soll darin Zeit verbringen, die irgendwann in Konsum mündet. Das ändert sich schlagartig, wenn die Sachen auf dem Laufband landen. Geschwindigkeit und Länge sind kein Zufall, sondern ein ausgetüfteltes Forschungsergebnis[1]https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/der-deutsche-testmarkt-das-hassloch-experiment-1.907694. Spätestens wenn das Geld von A nach B transferiert wurde, ist der oder die Kunde/in uninteressant. Die Leute sind darauf konditioniert. Hungrig nach Befriedigung hineingehen, Beute machen, befriedigt sein, bezahlen, schnell weg. Es ist interessant, wer in kleineren Märkten lautstark als Erstes die Öffnung einer weiteren Kasse fordert. Entweder es sind von ihren Kindern genervte Eltern oder Zeitgenossen mit oder nur Spirituosen im Einkaufswagen. Die einen wollen den Nachwuchs ruhig stellen und die anderen haben die tägliche Dosis schon vor Augen. Schwierig wird es, wenn ältere Leute, die noch auf die alte Taktung konditioniert sind oder körperlich nicht schneller können, ins Spiel kommen. Richtig übel sind Kandidaten, wie meine Wenigkeit. Registriere ich allzu ungehaltene Personen, die auch noch pöbeln, kommt bei mir die Rebellion zum Vorschein. Es ist nicht verboten, seinen Einkauf zu Dritteln und einzeln zu bezahlen oder lange das Kleingeld zu zählen, um dann doch mit Karte zu bezahlen. Schon dem Druck standzuhalten, bereitet mir Vergnügen.
Ähnliches lernte ich in letzter Zeit über Onlinebanking. Ein Konto eröffnet man heutzutage sehr einfach. Mit wenigen Klicks ist alles erledigt. Zack, Zack, hat die Bank Geld verdient. Um so komplizierter wird die Auflösung. Mich würde mal interessieren, wie viele Senioren aufgeben, nachdem sie sich stundenlang im Dschungel der Untermenüs verirrten. Auch das ist Druck. Es ist nahezu unmöglich, sich all der Onlineportale, Apps, Digitalisierung zu entziehen, die einzig einen Zweck erfüllen: Beschleunigung! Um so schneller und einfacher sich zum Beispiel eine Ratenzahlung abschließen lässt, desto unüberlegter wird die Ausgabe nebst ihrer langfristigen Folgen. Wer sich nicht übers Ohr hauen lassen will, muss ständig auf der Höhe der Entwicklung bleiben.
Entschleunigung, Achtsamkeit, Bewusstes Leben
All die oben genannten Begriffe haben in der breiten Gesellschaft einen zweifelhaften Ruf. Das geht bei esoterischer Spinnerei los, zumeist als Modeerscheinung abgetan und spült viel Geld in Kassen von Therapeuten/innen. Gut, wenn es sich dabei nicht um Scharlatane handelt. Aus meiner Haltung und Sicht auf die Gesellschaft heraus ist dies nicht verwunderlich. In einer Zeit, die von Zahlen, Geld, Statistiken, Daten, bestimmt ist, sind diese Begriffe die Bezeichnungen für Schadprogramme. Machen wir uns nichts vor. Selbst mit Burnout-Patienten/innen, Depressiven, psychosomatischen Erkrankungen, lässt sich ein gutes Geschäft machen. Erst recht gilt dies für alles, was entweder beschleunigt oder die Grenzüberschreitung des dem Menschen möglichen Tempos ermöglicht. Die Grauzone zwischen illegalen “Drogenmissbrauch” (der in dem Fall streng genommen nicht einmal ein Missbrauch ist) und Medikamenten-Behandlung ist riesig. Jede Menge therapeutische Maßnahmen sind mehr Perversion, als wirklich hilfreich. Wie sonst sollte man die Aufforderung zu meditieren verstehen, damit man im Sinne der Gesellschaft mehr leisten kann? Wie viele Ärzte, Psychiater, Psychologen, versuchen Menschen zur Geschwindigkeit kompatibel umzugestalten?
Passend zum Thema Geschwindigkeit, tobt in Deutschland eine Debatte über ein Tempolimit, welches selbst US-Medienvertreter zum Staunen bringt. Was genau passiert eigentlich mit dem oder der Fahrer/in bei einer hohen Geschwindigkeit? Geht es wirklich um das schnellere Ankommen? Dies lässt sich überprüfen und das Ergebnis ist reine Mathematik. Selbst bei halsbrecherischer Fahrt, sind die Zeitgewinne nicht der Rede wert und ob ein Meeting zehn Minuten früher oder später stattfindet, ist objektiv egal. Wenn überhaupt Geschwindigkeit eine Rolle spielt, dann bei den Hochgeschwindigkeitstransfers im Finanzwesen. Etwa innerhalb des Intervalls zwischen 100 und 120 km/h steigt der normale untrainierte Mensch aus und Technik, Zufall, Glück, übernehmen. Es macht Klack im Kopf und der/die Fahrer/in schaltet ab. Befragte nennen dies oftmals Entspannung. Eine Alternative wäre, den Zug zu nehmen. Prompt sitzen viele dort vor einem Laptop und “nutzen” die Zeit, um Geschäftliches zu erledigen. Ich nehme für mich in Anspruch, dabei ein wenig mitreden zu können. Schlicht, weil beides Bestandteile meines Lebens waren. Was das bei mir verursachte, wird mir erst danach immer mehr bewusst. Alles passierte, mein Gehirn speicherte, der Körper speicherte, aber kaum etwas davon, drang wirklich in das mir zugängliche Bewusstsein vor. Dennoch ist, wie ich im Nachgang feststellte, alles da. Kaum befand ich mich in einer längeren, vom Körper erzwungenen Ruhephase, ging es mit den Flashbacks los. Mal in Form von plötzlich auftauchenden Erinnerungen, manchmal nur Bilder, Emotionen, die nicht im Zusammenhang mit dem gegenwärtigen Geschehen standen oder körperlichen Reaktionen, die unpassend bzw. zusammenhanglos erschienen. Wer nicht auf solche Selbstexperimente steht, sollte rechtzeitig die Notbremse ziehen. Man muss es nicht gleich übertreiben, aber ich möchte anmerken, dass es im ZEN – Buddhismus eine schöne Betrachtung gibt. Wie lange dauert ein Leben? Exakt einen Atemzug. Der Mensch, welcher dazu ansetzte, ist beim Ausatmen ein anderer. Nach dieser Betrachtung ist ein Mensch, der sich am Tag nur einige Minuten Zeit des Bedenkens zugesteht oder meditativ den Synapsen ein wenig Ruhe gönnt, hektisch. Bedenkenswert ist ebenso, ob eine/r, die/der einfach nur dasitzt und denkt, wirklich untätig ist. Der vorhergehende Doppler ist gewollt. Folge ich den Vorgaben der Gesellschaft, in der ich lebe, müsste ich von Faulheit, Untätigkeit, ausgehen. Doch wie bewerte ich dann das Verhalten von Gläubigen, wenn sie längere Zeit beten oder buddhistische Mönche, wenn sie mehrfach am Tag stundenlang meditieren? Ist das auch Faulheit? Wie wäre es mit einem Vergleich zu jemanden, der sich 1,5 Stunden lang einen mehr oder weniger belanglosen Film ansieht? Ich sehe da Unterschiede.
Je enger das Leben getaktet wird, hektisch zu geht, Versuche unternommen werden, die Zeit zu komprimieren, um so mehr Lebensqualität, Bewusstsein, gehen verloren und Dummheit breitet sich aus. Mal ganz davon abgesehen, dass damit körperliche und geistige Krankheiten, Drogenkonsum und Aggressionen, gefördert werden. Wie bereits beschrieben, könnten all die tollen technischen Innovationen der Entschleunigung dienen. Tun sie aber nicht, weil eine andere Vorgabe herrscht. Ich sehe in der stetig zunehmenden Geschwindigkeit einen von mehreren Sargnägeln der Zivilisation. Sich seiner Handlungen bewusst zu sein, sich selbst zu sehen und einordnen zu können, sind unabdingbare Voraussetzungen des Einzelnen, um Mensch zu sein. Viele Einzelne bilden dann eine Gesellschaft, in der Vernunft, Verstand, Kooperation, Kommunikation, Bewusstsein, verantwortliches Handeln, einander ergänzen und erzeugen, was als Kultur und Zivilisation bezeichnet wird. Eine funktionierende Menge an Individuen, die nach funktionalen Regeln zuverlässig, produktiv, zusammen agieren, erinnert mich eher an einen Insektenstaat. Zumindest für mich selbst, strebe ich jeden Tag an, ein wenig mehr Tempo herauszunehmen. Einfach ist das nicht, da ich mich leider immer wieder in einem Kontext bewege, innerhalb dessen mir anderes aufgedrückt wird. Aber es ist besser geworden.
Lesedauer13Minuten„Der klügste Krieger ist der, der niemals kämpfen muss.“ Sun Zi
Chinesischer General, vermutl. 543 v. Chr. – 495 v. Chr.
Eine Weltanschauung, wie der Pazifismus, hat derzeit keinen leichten Stand. Da hilft es es auch nicht, wenn die Christen zu Ostern die Auferstehung eines Heilands oder den Sohn Gottes feiern. Wobei sich in den letzten Tagen wieder einmal zeigte, wie wenig Christen ihre eigene Religion verstehen. Sich Gott als eine Figur vorzustellen, daraus einen Mann, einen Vater zu machen, am besten noch als einen alten Mann mit weißen Haaren und dann darüber auch noch eine Gender-Diskussion anzustreben, ist freundlich ausgedrückt ziemlich simpel. Auf diese Art brachte man damals seitens der katholischen Kirche dem einfachen Volk die christliche Weltanschauung bei. Gott ist abstrakt, ein Neutrum und Sohn bedeutet im eigentlichen Sinne, dass sich das Abstrakte in Menschengestalt manifestierte. Michelangelo war ein Genie, aber bei den Bildern im Kopf, auch Kind seiner Zeit. Dieser Exkurs nur am Rande zur Darstellung, wo sich Teile der Gesellschaft derzeit befinden.
Das dialektische Gegenteil oder auch Antonym des Pazifismus ist der Bellizismus. Einmal die Ablehnung des Krieges und auf der anderen Seite die Befürwortung. Die vollkommene Ablehnung von Gewalt, auch in einer Notwehr – oder Nothilfesituation, ist eine Spielart des Pazifismus. Wie immer, wenn Gedankengänge unter einem einzigen Begriff zusammengefasst werden, wird es unscharf. Also worum geht es denn eigentlich? Seit tausenden von Jahren machen sich Menschen Gedanken über Krieg und Gewalt. Lao Tze soll beispielsweise gesagt haben: “Ich kann nicht viel voraussagen, aber wer die Gewalt bevorzugt, wird eines gewalttätigen Todes sterben.” Ich bleibe an der Stelle die Quelle schuldig. Es steht irgendwo im “Tao des Lebens”. Er und diverse andere, inklusive Buddha und Konfuzius, wiesen stets auf die Wechselwirkung hin. Bin ich gewalttätig, löse ich weitere Gewalt aus. Das ist logisch nachvollziehbar und bedeutet in der Konsequenz, dass ich für den Fall, dass ich keine Gewalt haben will, selbst keine ausüben darf. In einem idealen theoretischen Gedankenmodell, endet die Gewalt, wenn sich alle daran halten. Nicht mehr oder weniger besagt der Pazifismus. Fraglich ist, wie ich mich verhalte, wenn ich angegriffen werde, also ein anderer die Wechselwirkung nicht berücksichtigt. Selbst Sun Zi, der General und Schöpfer des Werks “Die Kunst des Krieges” hatte einen gesunden Respekt davor. Doch er sah auch die Notwendigkeit, unter Umständen in den Krieg zu ziehen.
Folge ich der Logik, erfolgt durch die Wechselwirkung weitere Gewalt. Nehme ich mir einen gedanklichen Nullpunkt, startet die Gewalt also nicht mit dem Pazifismus, sondern mit dem Bellizismus. Es ist ein sich verzweigendes Ablaufdiagramm, bei dem an der obersten Position zwei Entscheidungen möglich sind. Entscheide ich mich zusammen mit allen anderen für den Pazifismus, endet damit auch schon alles und jeder lebt in Frieden. Der Bellizismus wird sich über eine lange Strecke nach unten weiter verzweigen. Demnach kann der Pazifismus bis hierin für friedliebende Menschen die einzig richtige Entscheidung sein. Aber verpflichtet mich diese Haltung zum Verzicht auf eine Gegenwehr?
In jeder Religion stößt man dabei schnell auf Widersprüche. Zum Beispiel ist für Buddhisten das jetzt geführte Leben lediglich eine Art Episode, somit eine flüchtige Begebenheit innerhalb eines größeren Zusammenhangs, innerhalb derer, wie auch in allen anderen vorhergehenden und noch kommenden, das Karma geformt wird. Solange, bis man es salopp gesagt: Endlich verstanden hat! Jeder kennt die sagenhaften Kampfkünste der Shaolin. Alles was sie tun ist auf Verteidigung ausgerichtet. Sie haben nicht die Ursache gesetzt, aber sind durchaus in der Lage sich zu verteidigen. Doch wäre es nicht konsequent für das eigene Karma auf eine Gewaltanwendung, zu verzichten, um dann in der nächsten “Episode” auf einem neuen höheren Level, weiterzumachen? Im christlichen Glauben sieht es nicht viel anders aus. Einerseits soll man nicht töten und im Zweifel die andere Wange hinhalten, andererseits ist die Rede von Auge um Auge, Zahn um Zahn. Im alten Testament ist eine Menge legitime Gewalt geschildert. Hauptsache, Gott hatte sie irgendjemand befohlen. Dann ging es immer richtig zur Sache. An sich eine schlüssige Konzeption. Was man auch bei ein paar tausend Jahren Entwicklungszeit erwarten darf. Töte ich konsequent alle, die sich nicht an die Vorgabe Pazifismus halten, setze ich alles wieder auf Null. Sollte ich es als Laie in Sachen Christentum richtig verstanden haben, läuft es in der Bibel darauf immer hinaus. Beim Propheten Hesekiel spricht Gott von all dem Gräuel und fordert, dass alle, die damit ein Problem haben, gekennzeichnet werden sollen und alle ohne Zeichen im Nachgang erwürgt werden müssen. Warum nicht alles belassen, wie es ist und den Job Satan in der Hölle überlassen. Ja, ich weiß, die Hölle ist eine recht späte Erfindung des Christentums und der Teufel, Luzifer, der gefallene Engel, noch später. Wie einfach hatten es da doch die Wikinger? Ein ordentlicher Tod im Kampf war eine gute Sache. Die Griechen setzten auf die Nachkommen. Bei der Erzählung über die Irrfahrten des Odysseus tröstet Achilles den Helden in der Unterwelt mit dem Hinweis, dass die Lebenden respektvoll über ihn sprechen. All dies scheinen mir Ideen von Typen zu sein, die irgendwie den Krieg, den keiner wirklich wollte, schmackhaft zu machen. Da fand ich die Episode bei Sketch History, in der Alexander der Große versucht seine Armee zu motivieren, während die nicht so richtig wollen, ziemlich amüsant. Machen wir uns nichts vor, wenn um Dich herum die ersten Leichen verwesen, Leute mit heraushängenden Gedärmen unter Stöhnen verrecken, gehen Achilles die Argumente aus.
Ich habe mir zu diesen Ungereimtheiten meine eigene These zu Recht gelegt. Buddha soll zu seinen Schülern gesagt haben, dass sie die Letzten wären, welche seine tatsächlichen Worte zu hören bekommen. Später werden sie aufgeschrieben werden und jeder fügt seine Interpretation hinzu oder ergänzt im eigenen Sinne. Selbst wenn er es nicht gesagt haben sollte, hat der Urheber dieser Worte Wahres gesprochen. Immer, wenn etwas nicht mit der Grundidee zusammen passen will, besteht der Verdacht einer nachträglichen Änderung. Selbst Buddha, der Lehrer, war nicht frei von Zwängen. In einem hinduistisch geprägten Gesellschaftsgefüge radikal alles auf den Kopf zu stellen, wäre äußerst unklug gewesen. Seine Botschaften wären in Empörung untergegangen.
Die Nummer mit dem Sterben, vor allem im Krieg, und den Religionen ist ohnehin eine eher zweifelhafte Angelegenheit. Wenn es mir zu Lebzeiten dreckig geht, alldieweil sich eine wenige ein gutes Leben gönnen und dafür über Leichen gehen, wird mir unterdessen eine bessere Zukunft im Jenseits vorausgesagt, während der sündige “Brutalinski” oder “Despot”, nach seinem Tod in der Hölle schmort, riecht verdächtig nach einer Konstruktion, die von Typen erfunden wurde, welche zu Lebzeiten unbehelligt andere ausbeuten wollten. Im Ursprung nachvollziehbar. Wenn ich als Sklave (Hebräer/Ägypten) geboren werde, brauche ich irgendetwas, woran ich mich hochziehen kann. Später kam dies einigen sehr entgegen (Absolutismus/Katholische Kirche). Der Buddhismus erscheint einem auch erstmal ziemlich suspekt. Nichts zu besitzen, soll besser sein als Reichtum? Klingt erst einmal nach Christian Lindner & Friends, weil sie damit dem unvermögenden Pöbel die Lebenssituation attraktiv machen wollen, während sie sich mit kreativen Wirtschaftsmodellen bedienen. Wenn man etwas tiefer einsteigt, wird es logisch. An vergänglichen Dingen festzuhalten und das Leben an ihnen auszurichten, führt zwingend zu einer Frustration (Leid), die spätestens mit der konkreten Erkenntnis, dass das letzte Hemd keine Taschen hat, eintritt. Hinzu kommt, dass viele Kulturen in Abwandlungen die Weisheit “Wer Wind sät, wird Sturm ernten!”, kennen. In Asien heißt es: “Wer einen Mangobaum pflanzt, darf keine Bananenstauden erwarten.”
Der Übeltäter mag ja glücklich sein, solange er nicht erntet, was er gesät hat, aber sobald es ans Ernten geht, übermannt ihn der Kummer. Der Gute mag ja leiden, solange er nicht erntet, was er gesät hat, aber sobald es ans Ernten geht, übermannt ihn die Freude.
Siddhartha Gautama, Buddha
Aus dem Dhammapada
Voreilig auf Pazifisten zu schimpfen ist demnach ein unüberlegter Schnellschuss aus der Hüfte. Spirituell wird es zu einer ziemlich komplizierten Angelegenheit. Zu welcher Überzeugung kommt man? Einen feuchten Dreck darauf, wenn mich jemand tötet? Wir werden sehen, was danach passiert? Hat jemand mit einer spirituellen Einstellung, jenseits der Griechen, Römer, Wikinger u.a., auf das richtige Pferd gesetzt, ist Putin sozusagen richtig am Arsch. Entweder hat er in der nächsten Episode innerhalb des Universums eine richtig miese Zeit oder in der Vorstellung eines Hieronymus Bosch, eine sehr lange BDSM-Nummer vor sich, die ihm wenig Spaß bereiten wird.
Im Krieg zu sterben, gewalttätig, vor Ablauf der natürlichen/schicksalhaften Ablaufzeit, kommt immer mit der Erklärung eines Sinns daher. Auch eins dieser Wörter, mit denen ich ein wenig hadere. Im Besonderen gilt dies für den Sinn des Lebens. Wer soll darüber bestimmen, was einen Sinn stiftet und was nicht? Und wird meine Existenz sinnlos, wenn ich mit meinem Leben nicht den Vorgaben entspreche? Ein wenig griffiger ist der Zweck. So oder so müssen Kriege seitens desjenigen, welcher in den Krieg ziehen will, begründet werden. Man stirbt für die Freiheit, um einen oder eine Wahn|sinnige zu stoppen, einen Irr|sinn zu beenden oder das eigene Volk gegenüber einem anderen Volk zu verteidigen (anders: eine Gemeinschaft von x-Mitgliedern der Spezies Homo sapiens gegen eine andere Gemeinschaft von x-Mitgliedern derselben Spezies). Ganz abstrakt wird es, wenn das Vaterland und Schutz desselben herangezogen wird. Ein Gedankenkonstrukt, welches meiner Auffassung nach, vollkommen daneben ist. Es stammt noch aus der Zeit, in der der besetzte Boden die Einnahmequelle für Klerus und Adelige war. Ob nun durch Zufall oder eine Fügung des Universums in Verbindung mit angenommen inneren Regeln, habe ich mir die Geburt an einer konkreten Stelle des Planeten Erde nicht ausgesucht. Erweitert gesehen, gilt dies auch für den Planeten.
Der Erste, der ein Stück Land mit einem Zaun umgab und auf den Gedanken kam zu sagen: “Das gehört mir” und der Leute fand, die einfältig genug waren, ihm zu glauben, war der eigentliche Begründer der bürgerlichen Gesellschaft. Wie viele Verbrechen, Morde, Kriege, wie viel Elend und Schrecken wäre dem Menschengeschlecht erspart geblieben, wenn jemand seine Pfähle ausgerissen und seinen Mitmenschen zugerufen hätte: “Hütet Euch, dem Betrüger Glauben zu schenken; ihr seid verloren,
wenn ihr vergesst, dass zwar die Früchte allen, aber die Erde niemanden gehört.”
Rousseau gilt als einer der wichtigsten Wegbereiter der Französischen Revolution. Heutzutage würden sie ihn als Linksextremisten einordnen. Die “Heilige Schrift” des Kapitalismus, Der Wohlstand der Nationen – Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen, wurde noch zu Lebzeiten Rousseaus von Adam Smith 1776 veröffentlicht.Es ist interessant, wie weit einige am Vorabend der Revolution waren und wem am Ende zugestimmt wurde.
Was scheren mich die Interessen eines Kaisers, Königs, Diktators oder des Managers eines Konzerns? Nehmen wir an, dass der Ukraine-Krieg sich ausweitet und der Dritte Weltkrieg ausbricht, wofür sollte ich kämpfen? Für die Freiheit? Werde ich getötet, hat sich das Thema für mich ultimativ erledigt. Für die Freiheit der anderen? Erstens, was hab ich damit zu tun und zweitens, haben große Teile ohnehin merkwürdige Vorstellungen von Freiheit. Für die Freiheit meiner Nachkommen? OK, da ist eine Klippe. Fraglich ist, ob mein Kampf wirklich zu Freiheit führt oder einfach nur einigen anderen, die auch nichts davon halten, Vorteile verschaffen.
Der Krieg, derzeit noch in der Ukraine, bringt existenzielle Fragen mit sich. Wir schauen auf einen Diktator mit imperialistischen Ideen. Ein Thema, das nie vom Tisch war. Nicht nur Putin trauert einem Imperium nach. Konservative Briten sind traurig, die Franzosen ebenso, mongolische Rockbands sinnieren in Texten darüber, was eigentlich schiefgelaufen ist, Chinesen aus der politischen Führung hätten gern ihr altes Reich in Gänze zurück, die USA, ehemals selbst Kolonie, würden gern, wenn es nach den Republikanern geht, ihren Großmacht-Status behalten, die Türken, insofern sie Anhänger von Erdogan sind, trauern ebenfalls, und bei einigen Deutschen bin ich mir nicht sicher. Zumindest bin ich mir nicht klar darüber, ob es eine gute Idee anderer europäischer Staaten ist, von Deutschland eine Führungsrolle einzufordern. Von der grundlegenden Mentalität her können wir das. Allein schon sprachlich und via Sprachmelodie (Schwaben ausgenommen) sind wir militärisch klar im Vorteil. In keiner anderen europäischen Sprache klingen Befehle so überzeugend, wie auf Deutsch. Aber gleichzeitig ist Deutsch eine sehr präzise Sprache. Was einem bei Befehlen entgegenkommt. Paradox ist dabei, dass sie damit auch der Philosophie zuträglich ist.
Imperialismus ist aktuell eine durchaus nachvollziehbare Idee. Die Ressourcen werden knapp, der Hunger nach Energie steigt ins Unermessliche und um innerhalb der sich abzeichnenden Klimakatastrophe überlebensfähig zu bleiben, braucht es Technologie, Rohstoffe, Energie und profane Landgebiete, die entweder ausgebeutet werden können oder sichere Transportwege für kostbare Güter gewährleisten. Die Alternative wäre eine sich einig werdende Weltgemeinschaft. Ich nehme an, den Glauben haben nahezu alle aufgegeben. Allerdings muss ich für mich sagen, dass ich hierfür tatsächlich zur Waffe greifen würde. Für das, was sich aktuell abzeichnet, eher nicht.
Ferndiagnosen funktionieren in der Regel nicht. Aber man kann es trotzdem versuchen. Zumindest ist es nicht verboten. Putin ist ein Mensch mit einem Großhirn. Also, was geht da vor? Pazifist ist er schon einmal nicht. Die Antwort hat er gegeben. Ich denke, er glaubt an eine globale Lösung so wenig wie ich. Ich gehe davon aus, weil er ein intelligenter Mann ist, gibt er nichts auf diese ganzen Klimaleugner. Ist er ein spiritueller Typ? Glaube ich persönlich nicht. Eher sieht er Religionen, spirituelle Betrachtungen als etwas für Leute an, die sich nicht der Lebensrealität stellen wollen. Ich denke, er gibt auch nicht sonderlich viel auf das Leben anderer Menschen. Jeder, der sich zur verfügbaren Masse machen lässt, ist in seinen Augen selbst schuld. Jetzt in diesem Moment habe ich ihn gerade als nackten Mann, ohne all den ganzen Mist, den man ihm unvorsichtig in die Hand gab, vor Augen. Denn das ist Krieg. “Arschloch, Du willst mich umbringen? Zeig mal, was Du drauf hast!” Das ist die Dschungel-Lage! Versuch ich Kontakt aufzunehmen? Werden wir uns irgendwie einig? Oder geht es wirklich nur ums gegenseitige Töten?
Menschen ist in solchen Momenten seit Urzeiten eine Menge durch den Kopf gegangen. Was ist die beste Strategie? Lange, hat bestimmt funktioniert: “Alter, ich will auch nur leben!” An der Front in der Ukraine passiert dies mit Sicherheit auch. Aber nicht bei einem Biden, einem Putin oder einem Xi Ping. Die leben in einer anderen Welt, die ihnen das Großhirn suggeriert. Jeder Schritt nach weiter oben bedeutet mehr Abstand vom anfassbaren Leben. Blut hat einen Geruch, Leben, was aus den Augen weicht, kann man sehen, Schreie kann man nicht ignorieren, den vorwurfsvollen Blick, der bedeutet, was machst Du mit mir, wird man nie wieder los. Es sei denn, man hat zugelassen, dass ein paar Aspekte, die den Menschen ausmachen, abgeschaltet wurden. Aber dann sei die Frage erlaubt, ob man dann noch die Bezeichnung “Mensch” verdient?
Ich persönlich bin dem Bundeskanzler, den ich nicht gewählt habe, für seine als zögerlich betrachtete Haltung dankbar. Eskaliert alles in einen konventionellen Krieg, was nicht realistisch ist, würde er nicht darin kämpfen. Kommt es zu einem nuklearen Krieg, stirbt er ein paar Monate nach dem gemeinen Volk. Steht einem ein Homo sapiens gegenüber, der das Großhirn nicht übermäßig nutzt, ist grundsätzlich der erste Schlag eine gute Idee. Trage ich die Verantwortung für ein ganzes Volk, sollte ich einen Gedanken mehr verschwenden. Denn dann gehen eine Menge Menschen in den Tod, die ich nicht einmal kenne. Putin hat sich von den Möglichkeiten des Homo sapiens verabschiedet. Er wird seine Gründe haben. Spirituell muss ich mir von ihm nicht aufs Auge drücken lassen, wo ich stehe. Dies gilt auch für die Ethik. Hätte ich die Möglichkeit, Gelegenheit und eine 9 mm zur Hand, gäbe es für mich auf seine Person bezogen kein Problem. Aber was kann Andrej, 25 Jahre, russischer Bürger, dafür?
In den letzten Tagen melden sich vehement diejenigen zu Wort, die es angeblich schon immer besser wussten. Putin wäre schon immer ein Potentat, Diktator, Despot, mit imperialistischen Zielen gewesen, und die “Dummen” hätten dies nur nicht erkannt. Es sei ein Fehler gewesen, mit ihm Verträge im Sinne der von Kanzler Schmidt geprägten Worte an Jimmy Carter: “Wer miteinander Handel treibt, schießt nicht aufeinander!”, einzugehen. Rückblickend sei bereits die Ost-Politik von Kanzler Willy Brandt ein Schritt in die falsche Richtung gewesen. Allen, die da so reden, unterläuft ein Gedankenfehler. Zu jeder Entscheidung gibt es sogenannte alternative Pfade. [1]Rolf Dobelli, Die Kunst des klaren Denkens, 52 Denkfehler, die Sie besser anderen überlassen, dtv-Verlag, 2014, S.57, der Rückschaufehler, engl. hindsight bias Niemand kann auch nur ansatzweise mit Sicherheit sagen, wohin andere Entscheidungen geführt hätten bzw. wohin die alternativen Pfade geführt hätten. Die Kritiker setzen sich rückwärtig in die Position eines perfekten Prognostikers oder Propheten. Die damaligen Entscheidungen waren getragen von der Hoffnung, dass sie Gutes bewirken und schlechte Verläufe, wie einen erneuten Krieg, verhindern. Keiner kann sagen, ob andere Optionen nicht bereits vor 20 Jahren in einem Weltkrieg gemündet wären. Unter Umständen hätte es keine Wiedervereinigung gegeben? Oder die Wirtschaft hätte sich vollkommen anderes entwickelt. Die einzige existente Realität findet jetzt in diesem Moment statt. Selbstredend gilt dies für ebenfalls für die NATO-OST Erweiterung und die damit in Verbindung stehenden Verträge.
Aus guten Gründen lassen sich Zukunftsforscher und ganz nebenbei auch gute Einsatzleiter nicht auf Prognosen ein, sondern Szenarien, in denen die wahrscheinlichsten Ergebnisse aufgestellt werden. Für den Ukraine-Krieg habe ich dazu auf der Seite des stark von der Spieltheorie geprägten Zukunftsinstituts 8 mögliche Szenarien gefunden. [2] Future War: 8 Szenarios über den Ausgang eines unvorhersehbaren Krieges, https://www.zukunftsinstitut.de/artikel/szenarien-ukraine-krieg-matthias-horx/ , . Interessant ist dabei, dass im Netzwerk des Instituts Prof. Christian Riek mitwirkt, dessen YouTube-Channel “Spieltheorie” ich in meiner Link-Liste habe. [3]https://www.youtube.com/channel/UCSExr_QUT6h-4sGW5hGjrCA Vor dem Ukraine-Krieg kam er zum Ergebnis, dass Putin den Krieg nicht führen wird, weil der Krieg ein “dummer” Spielzug ist. Allerdings wurde er damit nicht zum Scharlatan, da er immer wieder betont keine Prognosen zu erstellen, sondern Szenarien analysiert.
Im März analysierte er die öffentlich übelst bepöbelte Aussage des Philosophen Precht, in der er die Aufgabe der Ukraine als eine Option darstellte. Es ist und bleibt ein denkbares Szenario. Aber rational ist es nur bei zwei Annahmen zu favorisieren. 1. Russland gewinnt auf kurz oder lang den Krieg. 2. Bei einer Kapitulation lässt Putin die Bevölkerung in Ruhe. Im Falle eines sich anschließenden Terrorregimes (wovon ich persönlich ausgehe), scheidet die Kapitulation aus.
In die Kategorie Denkfehler fällt für mich auch die Aussage, dass “Schwere Waffen” zu einer Provokation führen, die Putin zum Anlass für einen Atomschlag nehmen könnte. Nicht seine Gegner bestimmen, was eine Provokation ist, sondern er ganz alleine. Fraglich ist, wie er sie anderen in seinem Umfeld überzeugend verkauft. Ob ein Justizminister Buschmann, FDP nach rechtlicher Prüfung meint, dass die Lieferung der Waffen völkerrechtlich gedeckt ist oder nicht, geht einem Putin am bekannten Allerwertesten vorbei. Wie seine Haltung zu Völkerrecht ist, hat er brachial bewiesen. Zumindest ist zu Bedenken, dass die Lieferung als ein möglicher Anlass geeignet ist. Allerdings kann genauso gut angenommen werden, dass Putins Masterplan ohnehin die Eskalation in einen Atomkrieg ist oder blufft. Wir wissen es nicht.
Das Gebaren einiger Politiker finde ich nicht sonderlich hilfreich. Die Situation ist kein Brettspiel zur Unterhaltung gelangweilter Vorstädter in Einfamilienhäusern. Überall läuft alles auf Hochtouren. Die Nachrichtendienste, ihre Berichterstatter, Analysten, arbeiten Rund-um-Uhr. Ein Heer von hoch qualifizierten Beratern aus den militärischen Bereichen, den Think-Tanks, erarbeiten verschiedene Szenarien und versuchen zu ermitteln, wie man hierauf am erfolgreichsten reagieren kann. Wer glaubt, dass ein Kanzler oder andere Regierungsführer einsam und alleine ihre Ideen umsetzen, ist naiv. Dem normalen Volk sei dies zugestanden, aber nicht Politikern und schon gar nicht, die Manipulation für irgendwelche Machtspielchen. Keiner von den Gegnern Putins ruft ihn einfach mal an und reist ohne Absprachen nach Russland. Gleichsam trifft Deutschland die Entscheidung über die schweren Waffen nicht ohne Absprache mit den NATO-Partnern. Was wäre, wenn die für den Fall eines Übergriffs auf andere Staaten in den Vorhalt genommen werden? Jeder, der mal in einem Führungsgeschehen involviert war, weiß um die Rollenverteilungen. Eine pöbelt, ein anderer macht auf verbindlich, die nächste gibt die Verständnisvolle, alles orchestriert für ein gemeinsames Ziel. Wenn Scholz weniger Präsenz zeigt, wird dies Gründe haben.
Ich habe bei Putin einen Eindruck, der den Pazifismus gegenstandslos werden lässt. In meinen Augen ist er kein politisch denkender Mann, sondern mich erinnert er an einen Schwerkriminellen. Was wäre zum Beispiel, wenn er tatsächlich Anschläge initiierte, bei denen russische Bürger starben und die dann den Tschetschenen untergeschoben wurden? Was, wenn die Welt es bei Putin mit einem Psychopathen zu tun hat, der keinerlei Skrupel, Hemmungen oder irgendetwas in dieser Richtung empfindet? Da bleibt jedem von uns nur noch die spirituelle Sicht und die sich daraus ergebende Frage: Was lade ich auf mich, wenn ich töte? Einem Politiker kann man mit Geld, Staatsbankrott, die Aussicht auf die Vernichtung des eigenen Volkes kommen. Doch was war z.B. mit Adolf Hitler? Der war vom Volk enttäuscht und kam zum Ergebnis, dass es dann auch keine Überlebensberechtigung hat. Es sind keine einfachen Zeiten angebrochen. Am Ende bleibt dem “normalen” Menschen nur das hilflose Zusehen und darauf zu hoffen, dass nicht das 8te Szenario [4]Das Ende der Welt oder: Das UnvorstellbareEin lang anhaltender Mehrfrontenkrieg bricht aus, der sich atomar hochschaukelt.Große Teile des eurasischen Kontinents und Amerikas werden … Continue reading eintritt. Zumindest sollte man dies berücksichtigen.
Rolf Dobelli, Die Kunst des klaren Denkens, 52 Denkfehler, die Sie besser anderen überlassen, dtv-Verlag, 2014, S.57, der Rückschaufehler, engl. hindsight bias
Das Ende der Welt oder: Das Unvorstellbare Ein lang anhaltender Mehrfrontenkrieg bricht aus, der sich atomar hochschaukelt. Große Teile des eurasischen Kontinents und Amerikas werden verwüstet, 200 Millionen Menschen sterben sofort, weitere 300 Millionen an Hunger und den Folgeschäden. Trotzdem stirbt die Menschheit nicht aus, Afrika und Südamerika, China sowie die pazifischen Räume sind weitgehend verschont geblieben. Im Jahr 2035 eröffnet Elon Musk die erste Aussiedler-Stadt auf dem Mars mit dem Namen Newkraine. https://www.zukunftsinstitut.de/artikel/szenarien-ukraine-krieg-matthias-horx/ , abgerufen am 19.4.2022, 23:00 Uhr
“Ick kann janich so viel fressen, wie ick kotzen möchte!”
Max Liebermann
Zum oben genannten Zitat gibt es verschiedene Entstehungsgeschichten. In einigen soll es der Maler gesagt haben, als er vom Balkon aus einen Fackelmarsch der SA beobachtete, in anderen sagte er dies zu Käthe Kollwitz. Sehe ich die aktuellen Demonstrationen, längst an der Spitze angeführt von Hooligans, die “Bock” auf einen Kampf mit der Polizei haben und Kampfgruppen der rechten Szene, geht es mir ähnlich. Frauen und Männer, die sich der Leute bedienen und aufgrund einer Schwäche der Republik ins Parlament gelangten, machen es nicht besser. Doch richtig ekelhaft wird es, wenn Leute aus Parteien, denen traditionell eine Verfassungstreue unterstellt wird, die Geschehnisse für ihr Ziel benutzen, Deutschland wieder in die alten konservativen, autoritären, Strukturen, zurückzuführen. Ich fühle mich bei denen unangenehm an eine Zeit erinnert, in der ausländische Milliardäre, deutsche Stahl – Barone und Industrielle aus der Chemiebranche, mittels Zahlungen ihre Günstlinge in Stellung brachten. Doch gleichzeitig habe ich mir vorgenommen, mich vom Geschehen nicht treiben zu lassen, sondern auf die Suche zu gehen, warum alles ist, wie es ist. Mir persönlich hilft es, wenn ich verstehen und nachvollziehen kann. Wenn man die Folgen von Verbrechen sieht, besonders wenn sie Kinder betreffen, gibt es im Kopf eine verzweifelte Frage: Warum? Erklärungen sind keine Rechtfertigung oder Relativierung, sondern entsprechen dem Bedürfnis des Großhirns aus allem eine nachvollziehbare Erzählung zu stricken. Darum soll es hier gehen! Was passiert meiner Auffassung nach gerade.
Wir befinden uns täglich in verschiedenen inneren Zuständen und wechseln diese je nach Einwirkung innerhalb von Sekundenbruchteilen. Vom Lebensalter her als Erwachsene einzuschätzende Menschen verhalten sich mal rational, vernünftig und verständig, während sie im nächsten Augenblick infantil, bockig oder pubertär wirken. Einige Psychologen sehen die Begründung in der Wechselwirkung zwischen zwei Personen. Tritt beispielsweise eine Person gegenüber einer anderen mit einem paternalistischen Gebaren auf, landet die andere schnell in einem kindlichen Zustand und wird sich auch entsprechend verhalten. Andererseits kann sich eine/r kindlich, hilflos präsentieren und damit das Eltern – ICH auf der anderen Seite erwecken.
Mir begegnete diese Herangehensweise an einige psychologische Phänomene vor etwa 25 Jahren. Bis zum Streit wirkt sie banal, doch nach einem Streit, denkt man häufig: “Verdammt, da ist etwas dran!” Seither habe ich mich unzählige Male gefragt: “Moment, in welchem Zustand befinde ich mich gerade?” Oftmals musste ich einräumen, dass da ein wütendes, bockiges Kind agierte. Warum auch nicht? Wenn es um nichts Existenzielles oder wenigstens ansatzweise wichtiges geht, kann man sich das leisten. Entscheidend ist das Erkennen und die Option auf andere Zustände umschalten zu können. Besonders, wenn einem etwas grundlegend falsch kommuniziert wird, aber deshalb noch lange nicht inhaltlich verkehrt sein muss. Es ist unklug, bockig in ein Minenfeld zu laufen, nur weil einem ein Posten eine unfreundliche autoritäre Ansage machte. Ja, er hätte es anders sagen können, aber das interessiert die Mine nicht, so wie ich und nicht der Posten sterben wird. Das Beispiel klingt etwas drastisch, doch es ist nicht allzu realitätsfern. Wenn die Polizei wegen eines Bombenfunds ein Gebiet absperrt, passiert dies häufig. “Ich möchte da nur schnell mit meinem Fahrrad durchfahren! Lassen sie mich gefälligst durch.”
Gut, die Bombe hat es seit dem Krieg nicht notwendig erachtet hochzugehen. Dies verleitet zur Annahme, dass sie es weitere 10 Minuten nicht tun wird. Tatsächlich ist es ein Gedankenfehler. Seit sie dort landete, hätte sie es jederzeit tun können und in jeder Minute war die Wahrscheinlichkeit gleich hoch. Eine Nachschau könnte technische Details zeigen, die eine Explosion verhinderten, doch davon weiß erstmal niemand etwas. All dieses zu verdrängen, ist nicht rational und damit auch nicht das, was wir unter einem erwachsenen Denken verstehen.
Verhielten sich alle Erwachsenen vernünftig und verständig, könnten wir den Hauptteil aller bestehenden Regeln und Gesetze streichen. Jeder weiß, dass dies nicht der Fall ist, also wurden schon im Altertum Gesetze erlassen. Eine an sich spannende Sache. Immer und überall bestand ein Bewusstsein dafür, dass der Mensch es zwar besser weiß, aber nicht danach handelt. Bei uns werden häufig die Leistungen des Großhirns vollständig umgangen. Es gilt: Was nicht in einem Gesetz explizit verboten wurde, ist erlaubt und wird auch gemacht. Erlaubt ist ein logisches Gegenteil von verboten, aber ob ich etwas mache, sollte nach anderen Kriterien entschieden werden. Im Alltagsleben ist dies kaum ein Thema. Anders sieht es aus, wenn es um Wirtschaft und Produktionsverfahren geht. Obwohl genau erkennbar ist, dass andere geschädigt werden oder massiv zerstörerisch in die Lebensgrundlagen eingegriffen wird, lautet die Frage einzig: Ist es irgendwo verboten? Nein? Dann tun wir es. Da helfen nicht noch mehr Regeln, sondern nur ein Umdenken.
Ich sehe Deutschland als ein überreguliertes Land. Dies ist ein Zustand, der sich aus einem langen Prozess ergeben hat. Hinzu kommt ein meiner Auffassung der beschriebene problematische Umgang mit den Regeln. An sich sind sie richtig angewandt etwas Zweckmäßiges. Jedes komplexes System benötigt sie. In einem Motor oder einem Computer müssen mehrere Komponenten mit speziellen Aufgaben kommunizieren und nach Regeln zusammenspielen, damit sie ihre bestimmungsgemäßen Ergebnisse produzieren können. Gleichermaßen sieht es mit Spielen aus. In ihnen gibt es Spieler mit Rollenzuweisungen, die unter Beachtung von Regeln miteinander agieren. Spontan denkt man dabei an Spiele wie beim Sport oder Gesellschaftsspiele. Doch bei genauerer Betrachtung spielen wir täglich mit anderen Zeitgenossen Spiele mit immer wiederkehrenden Abläufen.
Wo sehe ich die Probleme? Wenn beim Fußball ein Schiedsrichter nicht mit Augenmaß und Spielverstand jeden minimalen Regelverstoß pfeift, wird aus dem Spiel nichts. Ebenfalls schwierig wird es, wenn Menschen zu viele Entscheidungen mittels irgendwann festgelegter Regeln abgenommen oder vorgegeben werden. Noch die geringste Folge ist der Verlust der Kreativität. In Behörden ist nahezu alles vorgegeben, besonders wenn es um die Verwaltung und die Schriftsätze geht. Zeilenabstand, Schrifttyp, Position der Absätze, Grußformeln und wann etwas zu verfassen ist, werden nicht den Verfassern überlassen, sondern haben sich an Vorschriften zu orientieren. Das Ergebnis sind oftmals sperrige, unverständliche und vor allem überflüssige Vermerke, Berichte, interne Rundschreiben. Im Alltag ist das hinzunehmen, doch wenn es darum geht, komplizierte Themen abzuhandeln, wird es schwierig. Deshalb scheren Sachbearbeiter/innen immer mal wieder aus, was dann regelmäßig einen Rüffel von weiter oben nach sich zieht. Im Verlauf von Jahrzehnten werden Menschen in solchen überregulierten Systemen sozialisiert. Die Regeln werden zu etwas diktatorischen. Das eigene Denken schwindet und die Regeln werden zu einem Selbstzweck, während ihre ursprüngliche Intention und der Vorgang, welcher einst zur Aufstellung führte, völlig in den Hintergrund gerät. Im Zuge dessen passiert noch etwas anderes. Regeln, deren Sinn wir nicht verstehen oder nicht verstehen wollen, kennen wir aus der Kindheit. Einst lernten wir, dass das Befolgen einerseits bequem ist und gleichzeitig Ärger vermeidet. Doch wir ließen es uns nicht nehmen, wenn es auch unvernünftig und jenseits allen Verstandes war, sie zu brechen. Allerdings hatte es auch Vorteile, sich unliebsame Entscheidungen von den Eltern abnehmen zu lassen. Immerhin konnte man dann den Misserfolg ihnen aufbürden und musste sich nicht selbst Fragen stellen.
Bei einigen Mitmenschen scheint sich dieser infantile Zustand manifestiert zu haben. Egal wie gut oder schlecht in der aktuell herrschenden Pandemie die Lage und das Regelwerk zur Abwehr der Gefahren kommuniziert wurde, kommt keiner an der Existenz eines Virus vorbei. Ebenfalls nicht am Umstand, dass man mit Viren weder verhandeln noch diskutieren kann. Gleiches gilt für die Prozesse rund um das Klimageschehen. Ich gehe auch davon aus, dass bei der Mehrheit der Erwachsenen ein Verständnis für die Logik besteht, der nach ein/e Einzelner für sich selbst mittels der ihr/ihm bekannten Informationen eine Risikobewertung vornehmen kann, hingegen bei einer Zugehörigkeit zu einer Gruppe, auf eine Koordination der Gruppenmitglieder angewiesen ist. Jede Dorfgemeinschaft funktionierte früher danach. Der Schmied hat nichts gewonnen, wenn es seinem Holzlieferanten oder dem Müller schlecht geht. Im Prinzip begann die Pandemie mit einer ambitionierten optimistischen Hoffnung. Böse treffen würde es “nur” Schwächere, bereits Kranke und Alte. Weniger nett formuliert, könnte man es als die Arroganz der Leistungsgesellschaft sehen, dass alle “Starken” lediglich einen Schnupfen bekämen. Davon sind wir mittlerweile weit entfernt. Augenscheinlich scheinen die Mediziner im Dunkeln zu tappen, wer denn de facto anfällig für einen schweren Verlauf ist. Die Überlebenschancen steigen, wenn man bei einer Hospitalisierung kräftig ist, das ist aber auch alles. Was wir wissen ist die Wahrscheinlichkeit, geimpft einem schweren Verlauf zu entkommen.
Es erscheint legitim, wenn jemand dieses Risiko eines schweren Verlaufs auf sich nimmt. Doch dann bitte in der Tradition des Mittelalters. Zurückziehen und irgendwo isoliert sterben. Anderen, die aus welchen Gründen auch immer eine intensive medizinische Behandlung benötigen und sie in Anspruch nehmen wollen, den Platz wegzunehmen, scheidet dann aus. Neuerdings wird auf die Situation von Zeitgenossen/innen hingewiesen, die rauchen, übergewichtig sind oder Extremsportarten betreiben. Ganz ohne kognitive Dissonanz meinerseits ist dabei ein wenig differenzieren angesagt. Die Angesprochenen schädigen sich nicht erst seit gestern und zumeist bereits lange Jahre vor der Pandemie und darauf haben wir uns eingestellt. Seuchen nehmen eine Sonderstellung ein. Corona ist eine unter vielen. Weltweit wütet immer noch die Cholera, immer mal wieder meldet sich die Pest zurück, die Syphilis, Aids, Lepra, Ebola, usw. Andere, teilweise noch unerforschte befinden sich in Lauerstellung. Ich schätze, ganz werden wir weltweit Corona nicht mehr loswerden. Die 7. Pandemie der Cholera dauert seit 1961! an. Es läuft also immer auf ein Eindämmen, Zurückdrängen und rechtzeitige Reaktionen hinaus. Hierfür sind Maßnahmen erforderlich, die Opfer verschiedener Art fordern.
Es fällt auf, dass Anhänger und Aktive der AfD, sich immer zu Wort melden, wenn es unlogisch wird oder es gilt komplexe Sachverhalte wenigstens ansatzweise nachzuvollziehen. Aktuell wettern sie gegen die Maßnahmen zur Pandemie – Bekämpfung, weil die Zahlen sinken würden und wieder Bettenkapazitäten beständen. Dabei ist es nicht einmal sonderlich kompliziert. Man stelle sich ein defektes Wasserohr vor, welches man notdürftig mit Isolierband geflickt hat. Es wird immer noch ein wenig lecken, aber eben nicht heraussprudeln und alles unter Wasser setzen. Jetzt besteht Zeit eine passende Schelle zu organisieren, ein neues Rohr vorzubereiten und vor allem auf die Suche nach dem Absperrhahn zu gehen. Wenn nicht ein Depp von der AfD vorbeikommt, der das Klebeband abmacht. Nun sind aber bei der AfD nicht nur Deppen unterwegs. Also stellt sich die Frage, warum sie diesen Unsinn verbreiten. Ich denke, sie kalkulieren die Schäden ein. Sie bedienen das Infantile und wiegeln gegen die bestehende Autorität auf. “Mama und Papa sind doof! Die verbieten Dir immer nur alles. Schau mal, ich habe tolles Spielzeug im Auto, Du kannst mir vertrauen, ICH, gebe Dir alles, was Du willst.”
Damit dies funktioniert, benötige ich Kinder, die darauf hereinfallen, sich ködern lassen, die Verbote der Eltern nicht nachvollziehen können, vielleicht weil es nicht gut erklärt wurde, die Gefahr, welche vom lockenden Täter ausgeht, nicht erkennen und anfällig für das Lockmittel sind.
Mit allem im Überfluss ausgestattete Wohlstandsgesellschaften verlieren augenscheinlich irgendwann den Bodenkontakt. Essen, gern auch mit allen Raffinessen, Trinken, sauberes Trinkwasser, selbst zum Wegspülen von Fäkalien oder Körperhygiene, wohltemperierte Behausungen, eine all umsorgende Gesellschaft, die den Einzelnen in jeder Lebenslage auffängt, die Übertragung jeglicher Verantwortung an staatliche Institutionen, teilweise sogar das Abnehmen von Denken, sowie die Abwehr aller nur erdenklichen Gefahren durch eigens hierfür bezahlte Sicherheitskräfte und deren Entscheider, werden zur absoluten Selbstverständlichkeit. Ein indischer Wanderarbeiter muss in einer Pandemie völlig andere Bewertungen und Entscheidungen vornehmen. Medizinische Versorgung ist bei ihm ein Glücksfall. Corona ist neben Verhungern, Katastrophen, anderen Seuchen, wie die Cholera, eine zusätzliche Bedrohung. Eindämmende Maßnahmen, können den sicheren Tod bedeuten, während Corona möglicherweise das Leben beendet. Streetkitchen – Besitzer, sind auf ihre komplette Familie angewiesen. Da kann nicht mal eben die gesamte Familie in Quarantäne gehen, weil eins der Kinder erkrankt ist. Ähnlich sieht es bei Leuten aus, die in abgelegenen Gegenden leben, wie zum Beispiel auf Inseln im hohen Norden Skandinaviens. Ein Corona – Ausbruch wäre eine Katastrophe, besonders wenn es keinerlei Schutz gegen einen schweren Verlauf gibt. Dort gibt es keinerlei Diskussionen, wenn die Chance auf eine Impfung besteht. Leugner der Pandemie, Impfskeptiker oder Verweigerer, die Propagandisten des Profits und Wirtschaftswachstums auf Kosten der Sterbenden, sind in erster Linie ein Problem der satten Wohlstandsgesellschaften.
Mitglieder von Wohlstandsgesellschaften leben in einer Illusion. Sie glauben sich freikaufen zu können. Alles Böse und Schlechte findet irgendwo anders statt. Die unerfreulichen Sachen, sind entweder die Fehler von Institutionen, die Machenschaften dunkler Mächte im Hintergrund oder wenn es gar nicht anders geht, das Unvermögen der Betroffenen. Seuchen, Naturkatastrophen alter Art oder neue Szenarien, die vom hausgemachten Klimawandel und Massensterben der das biologische System tragenden Arten, passen nicht ins Konzept. Hierzu müsste zu viel infrage gestellt werden. Fragen, die sich auf Zeiten vor dem Wohlstand beziehen.
Nach und nach schwindet die Illusion und es zeigt sich die Verletzlichkeit. Dies kommt einer Demütigung gleich. Jahrzehntelang wurde den Menschen etwas anderes vorgegaukelt. Versicherungen suggerierten, dass man gegen die Zahlung eines monatlichen Betrags alles abfangen könne. Politiker und Politikerinnen traten vor die Mikrofone, warfen alles Negative den gerade Regierenden vor und behaupteten, sie würden alles, bis hin zum Ausbruch eines Vulkans oder Erdbeben verhindern können, wenn man sie nur wählte. Selbst Philosophen und Naturwissenschaftler propagieren eine Zukunft, in der alles mittels Technik, medizinischen Fortschritt, weiteren Wissen, gelöst werden kann. Selbstverständlich bräuchte man hierfür jede Menge Geld, doch dies würde sich quasi durch die Technik selbst ergeben.
Was wäre, wenn es sich völlig anders verhält? Alles unterliegt einer Wechselwirkung. Ich kann nichts tun, ohne dass eine Wirkung bzw. Veränderung, Reaktion, erfolgt. Die Wechselwirkungen auf dem Planeten sind derart komplex, dass der Mensch sie vermutlich niemals vollständig erfassen kann. Selbst wenn wir die Momentaufnahme aller Prozesse verständen, wäre das nächste Problem das Nachvollziehen aller Folgen, die durch eine einzige minimale Veränderung entstehen. Eins haben wir bei den Prozessen mittlerweile verstanden. Das globale System strebt seit der Stunde Null ein Gleichgewicht an. Selbst nach Phasen des Chaos findet es sich immer wieder in ein stabiles Gleichgewicht ein.
Auf der Erde existieren diverse Missverhältnisse, die sich stetig weiter von einem Gleichgewicht entfernen. Früher, in den ausgehenden 60ern sahen einige Philosophen eine Zukunft, in der nach und nach die Unterschiede wenigstens auf ein akzeptables Maß reduziert würden (u.a. Adorno, Marcuse, Horkheimer). Als größte Gefahr machten sie einen Atomkrieg aus. Diese Prognose hat sich nicht bestätigt. Sie übersahen die negativen Auswirkungen der Industrialisierung, welche sich heute im Wandel des Klimas und Zerstörung der Lebensgrundlagen bis zum Armageddon (Zitat: Mark Benecke) aller neben dem Menschen existierenden Lebewesen, zeigen. Die nördliche Hemisphäre steht in einem krassen Gegensatz zum Süden und der Äquatorlinie. Der jetzt bestehende Wohlstand könnte das absolute Maximum des Möglichen sein und zum Zenit werden. Wie bei einem hochgeschossenen Ball, der irgendwann dem Reibungswiderstand und der Schwerkraft nicht mehr trotzen kann und herunterfällt. Dies könnte bedeuten, dass die Wohlstandsgesellschaften fallen, während die anderen einen Aufstieg erfahren und sich alle im günstigen Fall auf einem Gleichgewicht einfinden. Vorausgesetzt, es kommt nicht zu schwerwiegenden Ereignissen, die alle gemeinsam in den Abgrund reißen. Denn zum Gleichgewicht gehören auch alle anderen Lebewesen und Gegebenheiten des bisher einzigen bekannten belebten Planeten. Es wird noch andere geben, aber die kennen wir halt nicht.
Wie auch immer, ich persönlich schließe mich denen an, die von einem Zenit und einem bereits begonnenen langsamen Abstieg ausgehen. (Dafür sprechen z.B. Untersuchungen bezüglich eines seit den 70ern sinkenden Durchschnitts – IQ. Bitter amüsant ist hierbei, dass sich die Forscher wieder einmal zur Aussage “Menschheit” hinreißen lassen. Ihnen dürfte Vergleichsmaterial von z.B. indigenen Völkern fehlen.) Das aktuelle Geschehen entspricht einem Abstiegskampf. Kleine Kinder stampfen empört mit den Füßen auf, weil sie glauben, jemand nähme ihnen den Lutscher weg. Doch dieser Jemand existiert genauer betrachtet nicht. Das übergeordnete Lebenssystem des Planeten beginnt zu wirken. Viren, Bakterien, Anstieg des Meeresspiegels, Süßwasserverknappungen, Überschwemmungen, entfesselte Stürme, hieraus resultierende Änderungen der Bevölkerungsverteilung, sind zwingende unaufhaltsame Folgen, denen wir wenig entgegensetzen zu haben. Diesbezüglich haben wir uns, die Mitglieder von im Überfluss lebender Wohlstandsgesellschaften überschätzt. Man könnte dies knurrend anerkennen und sich fügen. Gemeinsam mit allen anderen gelte es dann vernünftige und verständige globale Lösungen zu finden. Oder sie greifen zur Alternative, was ich für wahrscheinlich halte, in dem sie sich mit Waffen gegenseitig töten. Wie das ausgeht, kennt jeder vom Buddelkasten. Eine oder einer fängt an, die Sandkuchen der anderen kaputtzumachen und alle gehen am Ende heulend nach Hause. Dies wird alles noch ein wenig dauern. Doch die Anfänge sehen wir bereits auf unseren Straßen und mit dem Erstarken der Erz – Konservativen, religiösen Fanatikern und der Neuen Rechten, die geschichtlich immer eine Folge von Demütigungen, Untergang und verletzten Stolz waren.
Manches erscheint mir derzeit wie ein Ballspiel, bei dem mehrere Mannschaften gegeneinander antreten und einen Gewinner ermitteln wollen. Oder sollte ich besser schreiben Gewinnerin? Ich weiß es nicht und mit Verlaub, es ist mir egal. Im Hintergrund agieren Trainer/innen, die versuchen mit den geeigneten Spielern ihre Taktiken zu verändern. Und wie beim Fußball hat die Spielweise und die Taktik nichts mehr mit den 60ern, 70ern, 80ern zu tun. Also braucht neue Taktiker/innen und Spieler/innen. Allein was ich hier gerade tue, die Erweiterung des generischen Maskulinum, ist Teil der neuen Spielart. Verwende ich es, wird dieses als entweder als Haltung wahrgenommen oder mir wird unterstellt, mir lediglich einen Mann in der Rolle eines Taktikers vorstellen zu können. Die Motivation, den Text lesbar zu gestalten wird mir von vorn hinein abgesprochen. Die alten Spieler haben ausgedient und werden teilweise mit Schimpf – und Schande in die Umkleidekabine geschickt. Den Freunden der alten Spielart tut das weh. Wenn aktuell Wolfgang Thierse oder Gesine Schwan seitens der Queer und LGBTQ+ Gruppen angegangen werden, geht es nicht um ihre Person, sondern wofür sie stehen und wie sie zusammen mit anderen bisher das Spiel spielten. Ein wesentlicher Unterschied zu früher ist bereits das Ziel. Beide spielten nicht auf Gewinn. Ihnen ging es vielmehr um den Sinn des Spiels an sich, so als würden ein paar Spieler den Ball zur Unterhaltung, für die Fitness oder Aggressionsabbau kicken. Dann gingen alle mit einem gemeinsamen Erlebnis und einem guten Gefühl vom Platz. Das Ziel wäre dann die Funktion des menschlichen Spiels. Aber es geht auch darum zu wissen, wo der eigentliche Gegner steht.
Wie unterschiedlich die Mitglieder der Personengruppe sein mögen, die auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland leben, gibt es dennoch Gemeinsamkeiten und Ziele, die nicht auf das Individuum beschränkt sind. Sie sind Teil des menschlichen Verhaltens. Und immer, wenn es gemeinsame Ziele, kann über den Weg zum Erreichen diskutiert werden. Im Unterschied dazu können über Standpunkte nur debattiert werden. Ich verstehe den Begriff Gesellschaft als die Bezeichnung für ein Netzwerk. Unterschiedliche Gruppen kommunizieren miteinander. Doch wie häufig in Netzwerken sind nicht alle Endgeräte und Ebenen gleichberechtigt. Ich kann innerhalb dieses Netzwerks das Ziel verfolgen, eine Ebene höher zu gelangen und die bisher dort Anwesenden hinnehmen. Ich kann sie aber auch herunterstufen oder gleich eine Ebene darüber gehen. Es bliebe noch offen, die Ebenen völlig abzuschaffen oder wenigstens auf ein Minimum des eventuell Notwendigen zu reduzieren.
Wie auch immer, ich komme nicht an einer Betrachtung des bestehenden Netzwerks, seiner Regeln, Programmabläufe, Kommunikationswege und Zuweisungen der Berechtigungen vorbei. Bevor ich etwas ändere, muss ich es verstehen. Und bevor ich etwas ändere, gilt der Grundsatz: Never change a running System! Dabei hilft es mir nicht, ausschließlich die eigene Position anzuschauen. Ich muss die Position des alles überblickenden Systemadministrators einnehmen. Jeder Eingriff will gut überlegt sein und mindestens zehn weitere Schritte im Voraus durchdacht sein.
Schöne Worte, schöne Überlegungen, aber eben jenes passiert alles nicht. Wir haben längst nicht mehr ein Netzwerk, sondern eine Vielzahl, die keinerlei kompatible Kommunikationsschnittstellen aufweisen oder selbst wenn sie vorhanden wären, aufgrund des Verlusts einer gemeinsamen Sprache, gar keine Chance einer Kommunikation haben. Selbst die oberste Ebene verfügt nur noch über wenige miteinander verbundene Netze und Schnittstellen.
Wir arbeiten tagtäglich mit Programmbefehlen, die jeder nach eigenem Gutdünken interpretiert und darauf beharrt, dass die eigene Interpretation die einzig ultimative richtige ist. Dummerweise verhält es sich dabei in der Realität, als wenn drei den Befehl “Print” eingeben und der eine davon ausgeht, dass der Drucker anspringt, der nächste auf das Programmfenster für das Brennen einer CD wartet, während wiederum eine andere den Dateimanager erwartet, um in eine Print – Datei zu drucken.
Die Leute knallen sich jeden Tag Schlagworte vor den Latz, ohne dabei zu berücksichtigen, dass sie vollkommen unzureichende Überschriften für komplexe Verhaltensmuster, psychologische Aspekte, historisch abgeschlossene oder noch in die Gegenwart hineinreichende Prozesse und vieles mehr benutzen. Wenn ich damit einen Standpunkt markieren will und einfach schreie: “Komm auf meine Plattform oder Mannschaft!”, mag das angehen. Wenn ich aber etwas erreichen will, in dem ich Denkprozesse anstoße, Perspektivwechsel ermögliche, neue Überzeugungen begründen will, muss ich mehr tun. Erfahrungsgemäß ist es eine blöde Idee ein Gespräch mit einem Angriff, statt einem Aufmacher, zu beginnen.
Wer sich dazu berufen fühlt etwas zu verändern, befindet sich im übertragenen Sinne in der Situation eines Generals. Ich benötige das volle Programm. Späher, Spione, speziell ausgebildete Truppenteile, eine taktisch kluge Formation, eine Lagebeurteilung, die Einschätzung des Gegners, die Psychoanalyse der “feindlichen” Generalität, einen festen Rückhalt in der Bevölkerung, einen Überblick über die Moral und das Leistungsvermögen meiner Truppe, ein taktisches Konzept, innerhalb dessen ich Täusche, Angebote unterbreite, zu Verhandlungen bereit bin, und vieles mehr. Ich kann aber auch den Kopf senken und laut brüllend in die Formation des Gegners hineinrennen. Auf diese Art und Weise kämpften über Jahrhunderte unorganisierte Stämme gegen die römische Armee – und sie verloren! Hätten sie damals schon einen globalen Austausch gehabt, hätten sie mal bei den Chinesen nachfragen können, die hätten sie auf Sun Zi, die Kunst des Krieges hingewiesen. LGBTQ+, Queer, Anti – Diskriminierung, Aktivisten aller Couleur, Anti – Rassisten, sie alle rennen wie die Wandalen, Sachsen, Gallier, Goten, Turkmenen, und wen die Römer noch so alles vor sich hatten, mit gesenkten Kopf in die taktisch gute aufgestellte gegnerische Formation. Da ist es nicht verwunderlich, wenn die restlichen Teile der Bevölkerung darüber nachdenken, auf welcher Seite für sie die meisten Vorteile herausspringen. Taktisch klug wäre es, die hinter sich zu bringen. Hierfür wäre eine gemeinsame Sprache, vor allem eine, die meine Zielgruppe versteht, die eigenen Leute verstehen mich ohnehin, notwendig. Es gilt auch zu berücksichtigen, dass ich Leute am ehesten auf meine Seite bekomme, wenn ich neben einem überzeugenden Konzept für alle, die Vorteile herausarbeite. Dabei befinde ich mich natürlich in Konkurrenz zu meinem Gegner. Extrem kontraproduktiv ist es, wenn die Leute den Eindruck bekommen, dass letztlich zwei Diktatoren miteinander ringen, und sie beidseitig nichts zu erwarten haben.
Überhebliche, von sich selbst zu sehr überzeugte Generäle scheitern auf kurz oder lang. Ich bin teilweise auf der Seite von Wolfgang Thierse. Seit längeren zeichnet sich ein erweitertes ICH, statt eines WIR ab. Uneinig bin ich mit ihm bezüglich der sozialen Nation. Wer meinen BLOG mitliest, weiß über meine Einstellung zu den Themen Klima und Zerstörung der Lebensgrundlagen Bescheid. Ein nationales WIR, auch wenn es ein Soziales ist, greift zu kurz und wird sich als Schwäche erweisen, mit der der Kampf verloren geht. Wenn ich, bei den Begriffen einer kriegerischen Auseinandersetzung bleibe, muss ich die Gegner benennen und den Frontverlauf kennen. Auf der einen Seite stehen die Zögerlichen, die Skeptiker und die Leugner, welche den sich abzeichnenden globalen Prozess aus teils unterschiedlichen Motiven heraus, ignorieren, weiter machen wollen, wie bisher oder maximal zu geringfügigen Korrekturen bereit sind. Eine Teilgruppe hat längst eine Rettung des alten Bestehenden aufgegeben und rüstet sich für das kommende Szenario. Ihnen gegenüber stehen diejenigen, welche die Hoffnung nicht aufgeben wollen, Lösungsansätze sehen, hierfür aber erhebliche Umstrukturierungen als notwendig erachten.
Die zuerst Genannten sind die Habenden, die entweder etwas bereits Vorhandenes verlieren könnten oder am kommenden Szenario selbst nebst Nachfahren etwas verdienen können, bis Schluss ist. Am Krieg beteiligt sind die, welche bisher nichts haben, diesen Zustand an sich ändern wollen, aber keinerlei Interesse an einer Umstrukturierung des Ganzen haben. Sie wollen auch einfach weitermachen, doch mit Gewinnbeteiligung. Die lassen sich mit dem Versprechen, im Falle eines Sieges, noch für ein paar Jahre am Gewinn beteiligt zu werden, zu Kombattanten machen. Dieser Truppe stehen die sich untereinander streitenden Gallier, bei Abwesenheit von Miraculix, Majestix, Asterix und Obelix gegenüber. Cäsar sitzt, sich die Hände reibend, auf seinem Pferd und ist darüber erfreut, dass sich weltweit Anti – Rassisten, LGBQT+, Klimaaktivisten, Querdenker, Esoteriker, Sozialisten, Kommunisten, Intellektuelle, Hartz IV Empfänger, ums finanzielle Überleben kämpfende, religiöse Fanatiker, Feministen, ja, sogar Rassisten, Chauvinisten, Machos, gegenseitig auseinandernehmen, statt sich erst einmal den gemeinsamen Gegner vorzuknöpfen, um dann zu schauen, ob die eine oder andere Zwietracht, nicht die Folge der taktischen Kriegskunst der anderen Seite war. Um bei Caesar zu bleiben: “Divide et impere!” zu deutsch: “Teile und herrsche”.
Allein der Schachzug, viele der Genannten unter “links” einzufassen ist nahezu genial. So als würde weltweit der Besitz von gigantischen Summen allein von der Hautfarbe, oder Progressivität vom Geschlecht bzw. der sexuellen Ausrichtung abhängen. Hierüber können afrikanische Diktatoren herzhaft Lachen und man sollte Persönlichkeiten wie Röhm, oder heutzutage Michael Kühnen nicht vergessen. Weltweit geht es um einen Faktor: Hautfarbe, Herkunft, Geschlecht, sexuelle Neigungen, Charakter, Religion, sind vollkommen unerheblich, wenn ausreichend Geld vorhanden ist. Die Frontlinien liegen zwischen sehr viel Haben, Haben und nichts Haben.
Thierse sprach von Identitätspolitik und die Angesprochenen sahen sich heruntergesetzt. Es ist im Angesicht dessen, gegen wen und wofür es zu kämpfen gilt, tatsächlich lächerlich, wer sich alles für wichtig nimmt. Die meisten übersehen, dass es keine Rechte mehr zu erkämpfen oder verteidigen gibt, wenn es ans richtig Eingemachte geht. Abschließend noch eine persönliche Erfahrung. Meine Töchter maulten, wie eigentlich jeder deutsche Schüler über die Unfähigkeit der Lehrerin. Ihre Argumentationsstrategie, dass ihre Noten deshalb in Keller gingen hatte eine entscheidende Lücke. Beide hatten Mitschüler aus Deutsch – Russischen Familien, und deren Noten waren sehr gut. In Mathematik, Physik, Chemie, hatten die keinerlei Schwierigkeiten, in Deutsch, Geschichte, Erdkunde, also den Fächern, in denen man sich ausdrücken muss, gab es kleinere Probleme. Warum? Weil die hungrig waren! Die hatten erkannt, worum es geht! Wir, die Deutschen, leben längst in einer Enklave. Ich will Warren Buffett mit seinem Zitat über den Krieg zwischen Arm und Reich nicht überstrapazieren, doch darum geht es! Was juckt es mich, wenn ich nicht gerade etwas wie Verantwortung und Spiritualität entdecke, das Schicksal von Menschen, die ich weder kenne oder noch nicht einmal geboren sind? Ob sich jemand Perücken aufsetzt, mit dem gleichen Geschlecht Sex hat oder sich nirgendwo zugehörig fühlt, ist denen so etwas von egal. Genauso wenig interessiert es die, wenn ihnen Leute mit Skrupeln ohne Taktik und Biss versuchen auf die Füße zu treten. Kloppt Euch mal brav untereinander und wenn die Welt untergeht, habe ich wenigstens tteuren Whisky in der Hand. Das ist ein Originalzitat! Aber macht mal weiter …
Menschliches Handeln basiert immer auf einem Motiv. Was umtreibt die Macher und Autoren der konservativen bis rechts-konservativen Plattformen? Eine Auseinandersetzung mit ihrem Selbstverständnis, mögliche Hintergründe und der Vorgehensweise.
Eine politische Debatte oder Diskussion ist ohne eine Sortierung in eine beschriftete Schublade kaum noch möglich. Dabei muss in keiner das sein, was außen auf einem Etikett steht und bisweilen sind die Aufschriften kryptisch. Eine weitere Eigenart ist der Umstand, dass sich manch eine/r klar erkennbar positioniert und keinerlei Fragen offen lässt, wofür sie/er politisch steht. Wenn jemand von sich behauptet ein überzeugter Kommunist zu sein, glaube ich das zunächst einmal. Besteht dann noch eine Mitgliedschaft in der DKP oder im Spartakus Bund, bestehen kaum noch Zweifel. Dies gilt genauso für Anarchisten. Faschisten sind etwas heikel, weil sie sich positionieren könnten, aber es sich selten trauen. Wobei ich denke, eine Mitgliedschaft in der NPD kann man durchaus gelten lassen. Bei vielen anderen wird es unscharf. Konservativ, reaktionär, rechts – konservativ, sozialistisch, links, ökologisch, kapitalismuskritisch, sind Strömungen und eher Sammelsurien, denn sie eine klare Position beschreiben. Und wie im im anfassbaren Leben, landen Dinge, die man nicht so recht klar zuordnen kann, in verkramten Schubläden. Bei Diskussionen oder Debatten kommt es dann gewollt oder ungewollt zu Missverständnissen. Seit Jahrzehnten steckt bei der Verwendung von Schubladen, meistens ein propagandistisches, Kalkül dahinter. Habe ich es mit einer/m zu tun, die unangenehm auf die für jeden sichtbaren Anzeichen eines Klimawandels oder die Zerstörung der Umwelt hinweist, ist es praktisch die Schublade links aufzuziehen und alles Gesagte mit dem durchscheinenden Lack einer vermeintlichen Sympathie für Kommunismus oder Sozialismus zu versehen. Menschen, die die Gewinner des Kapitalismus, vornehmlich des Neoliberalismus sind, mögen keine Kommunisten. Noch größer ist die Antipathie bei ehemaligen DDR – Bürgern, denen vom ZK der SED ihr Treiben als Sozialismus verkauft wurde. Auf der anderen Seite wird wild mit den Etiketten Rassismus, Nazi, rechtsradikal, rechtsextrem, geklebt.
Woran erkennt man Faschismus?
Der italienische Schriftsteller, Kolumnist, Philosoph, Medienwissenschaftler Umberto ECO hat sich intensiv mit dem Faschismus auseinandergesetzt:
„Faschismus wurde zu einem „Allzweckbegriff“, weil man aus faschistischen Regimen Merkmale eliminieren kann und es trotzdem noch als faschistisch erkennbar sein wird.“ schrieb Umberto Eco 1995. „Nehmen Sie den Imperialismus vom Faschismus und Sie haben noch Franco und Salazar. Nehmen Sie den Kolonialismus weg und sie haben noch den Balkanfaschismus der Ustascha. Fügen Sie dem italienischen Faschismus einen radikalen Antikapitalismus hinzu, (der Mussolini nie fasziniert hat) und Sie haben Ezra Pound. Addieren Sie einen Kult der keltischen Mythologie und die Gral-Mystik (völlig fremd dem offiziellen Faschismus) und Sie haben einen der angesehensten faschistischen Gurus, Julius Evola.“ Viele Namen sagen uns heute kaum noch was. Sie sind im Kontext von Umberto Ecos Zeit zu sehen. In der Konsequenz können sich faschistische Regime deutlich unterscheiden.
1. Traditionenkult. Der Traditionalismus als Gegenbewegung zum Synkretismus (Vermischung verschiedener Religionen, Konfessionen, philosophischer Lehren) → „Es kann keinen Fortschritt der Erkenntnis geben, die Wahrheit ist ein für allemal verlautbart“. 2. Ablehnung der Moderne: Trotz Technikverehrung fußt die Ideologie auf Blut und Boden. Im Grunde werden die Aufklärung und die Werte von 1789 abgelehnt. 3. Irrationalismus: „Denken als Form der Kastration“. Kultur wird verdächtigt, sobald sie kritisch wird. Misstrauen gegenüber dem Intellekt. 4. Ablehnung der analytischen Kritik: Wenn die Wissenschaft mangelnde Übereinstimmung als nützlich ansieht, ist es für den Ur-Faschismus Verrat. 5. Ablehnung von Meinungsvielfalt und Pluralismus: Die natürliche Angst vor Unterschieden wird ausgebeutet und verschärft. Der erste Appell des Faschismus oder Vorfaschismus richtet sich gegen Eindringlinge. 6. Entstehen durch individuelle oder soziale Frustration: Der Appell an die frustrierte Mittelklasse in einer ökonomischen Krise oder bei politischer Demütigung. 7. Nationalismus: Menschen, die sich der sozialen Identität beraubt fühlen, wird ein einziges Privileg zugesprochen: In demselben Land geboren zu sein. Die Wurzel der urfaschistischen Psychologie ist Verschwörung. Die Anhänger müssen sich belagert fühlen, am besten durch Fremde. 8. Demütigung vom Reichtum und der Macht der Fremden: Damals: „Juden sind reich und haben ein geheimes Netz gegenseitiger Unterstützung“. Heute „Flüchtlinge kriegen alles, haben iPhones und haben sich zur „Invasion“ verschworen“. 9. „Das Leben ist nur um des Kampfes Willen da.“ „Pazifismus ist die Kollaboration mit dem Feind.“ 10 „Elitedenken“: Man gehört dem besten Volk, der besten Rasse an. Der Führer weiß, dass ihm die Macht nicht demokratisch übertragen werden kann, dass seine Kraft in der Schwäche der Masse wurzelt. Jeder Unterführer verachtet seine Untergebenen. Die Folge ist ein massenhaftes Elitebewusstsein. 11. Erziehung zum Heldentum: Ein Held ist in der Mythologie ein außergewöhnliches Wesen. Im Faschismus ist der Held die Norm. Das Heldentum hängt eng mit einem Todeskult zusammen. Der Held im Faschismus sucht ungeduldig den heroischen Tod als beste Belohnung und schickt in dieser Ungeduld gerne andere in diesen Tod. 12. Übertragung des Willens zur Macht und des Heldentums auf die Sexualität: Das ist der Ursprung der Frauenverachtung und der Intoleranz gegenüber ungewöhnlichen Sexualpraktiken (von Keuschheit bis Homosexualität) und die Neigung zur „phallischen Ersatzübung“, dem Spiel mit der Waffe. 13. Selektiver Populismus: Der individuelle Bürger wird durch den Volkskörper ersetzt. Das Nürnberger Reichstagsgelände wird zum Internetpopulismus. 14. Urfaschismus spricht „Neusprache“: Ein verarmtes Vokabular mit Framing und Deutungshoheit. Von „Lügenpresse“ bis „Umvolkung“ werden Begriffe neu etabliert.
Ich finde, als jemand, der in Deutschland, Italien, S sollte nach dem Lesen dieser 14 Punkte eine Pause eingelegt werden, die für einen Blick in einen imaginären Spiegel ausreicht. Der deutsche Faschismus, ist das Ergebnis eines Prozesses, in dem Überzeugungen entstanden, die in die Sozialisation eingebaut wurden und 1945 nicht urplötzlich verschwanden. Ganz im Gegenteil, einzelne Aspekte sind in der Erziehung immer noch anzutreffen, während gar nicht bewusst wird, dass das aus dem Komposthaufen des alten Faschismus genährt wurde. Ich gebe zu, zweimal habe ich auch geschluckt.
Nachrichten als Mittel der Manipulation
Nachrichten können, selbst wenn sie lediglich das Tatsächliche wiedergeben und vollständig sind, einen manipulativen Charakter haben. Welche Nachrichten erlangten mich und warum haben sie mich interessiert, während sich andere meiner Wahrnehmung entzogen? Draußen passieren jeden Tag unzählige Geschichten, von denen ich ein Bruchteil erfahre. Ich benötige Filter, damit ich nicht überflutet werde. Eben genau jene können zum Problem werden, nämlich, wenn ich die Geschichten zur Bestätigung dessen benutze, was ich mir zusammengereimt habe. Hinzu kommt die Überlegung, welche für mich wirklich relevant sind. Vieles betrifft mich objektiv nicht, anders formuliert, sie gehen mich häufig gar nichts an. Es gibt mannigfaltige psychologische Abhandlungen darüber, warum uns Geschichten interessieren, mit denen wir nichts zu tun haben. Dazu gehört die Berichterstattung über sogenannte Prominente, Unglücke, Verbrechen, eben alles womit die Boulevardpresse ihr Geld verdient.
Oftmals antworte ich auf an mich gerichtete Fragen: “Wozu oder wofür benötigst Du diese Information? Welchen Mehrwert hat sie für Dich und was willst Du damit anstellen?” Eine kleine persönliche Abwandlung dessen, was Sokrates seinen Schülern vermittelte. Ich stelle sie auch aus der Ferne. Immer wenn sich jemand darüber empört, dass ihm etwas nicht erzählt wurde. Wobei es meistens nicht darum geht, was dem Einzelnen nicht berichtet wurde, sondern angeblich der Allgemeinheit vorenthalten wurde. Die, in Kenntnis des Empörenden, vollkommen andere Entscheidungen träfe. Allerdings räume ich ein, dass manchmal ein wenig Hintergrundwissen oder dem Prozedere hilfreich sein kann. Zum Beispiel leben Deutsche in einer durch und durch verwalteten Gesellschaft. Für das Verständnis diverser Vorgänge ist das Wissen, wie Verwaltung funktioniert und tickt, förderlich. Schubladen, Ordner, Etiketten, Bezeichnungen und vor allem sich daraus ergebende Zuständigkeiten, finanzielle und materielle Zuwendungen, sind in der Verwaltung täglich Brot.
Letztens sah ich einen Beitrag von Michel Friedman, den ich sehr schätze, in dem er sich aber diesmal verrannte. Er mokierte sich über die Einordnung von Straftaten, bei denen viel zu spät der Generalbundesanwalt eingeschaltet wurde. Alles eine Folge der Verwaltung. Ein engagierter Ermittler muss sich gut überlegen, was er auf seinen Ordner schreibt. Ist es der falsche Begriff, wird er je nach Zielsetzung, einen Vorgang nie wieder los oder das Ding wird einem weggenommen. Manchmal müssen Ermittlungen vor den falschen allzu neugierigen Augen versteckt werden. Ein Mittel ist es, ein niederschwelliges Etikett zu wählen, welches keine schlafenden Hunde weckt. Im Übrigen ist der Generalbundesanwalt niemand mit eigenen ihm speziell zugeteilten Superermittlern, sondern mehr eine Koordinierungsstelle. Aber dies nur am Rande. Bei allen größeren politischen Aktionen ist immer ein Verwaltungsfaktor dabei, bei dem der Wissende grob die Anzahl der Beteiligten, die notwendigen Schritte und vor allem die zu nehmenden Hürden einschätzen kann. Der Vorteil ist dabei: Wenn eine echte Sauerei abläuft, sind so viele beteiligt, dass es irgendwann eine undichte Stelle gibt. Man muss nur lange genug warten.
Im Zeitalter der Digitalisierung gibt es kaum noch echte Geheimnisse. Mit ein wenig Talent zur Recherche und Zeit bekommt der Interessierte nach und nach fast alles heraus. Für fast alles gibt es mehrere Quellen, die ich gegeneinander laufen lassen kann, auf diese Art einen gemeinsamen Inhalt ermittle und am Ende ziemlich gut über das reale Geschehen Bescheid weiß. Große Anteile des Geschehens sind zu einer Datenbank geworden, die jeder mit Suchparametern abfragen kann. Und die gewählten Parameter sagen eine Menge über mich aus: Sie verraten meine Interessen und weisen auf den Verwendungszweck hin.
Das Geschehen als Datenbank – Suchparameter: Nationalität
Einige Zeitgenossen ergötzen sich gern an Raub, Mord, Totschlag. Irgendwo hat eine/r auf dem deutschen Staatsgebiet einen anderen Menschen ums Leben gebracht. Gut! Menschen töten Menschen, das ist recht banal und kommt auf diesem Planeten minütlich vor. Wenn ich weder das Opfer, noch den/die Täter/in kenne, nicht einmal mit jemanden aus dem weiten Lebensumfeld bekannt bin, ist dies jetzt erst einmal nicht spannend. Gut, wenn es sich um einen Krieg handelt, vor allem wenn deutsche Soldaten beteiligt sind, könnte dies ein gewisses Interesse auslösen. Einigen reichen die einfach erlangbaren Information nicht aus. Wo ist das genau passiert? Was weiß man über den, die, Täter/in? Deutsche/r? Aus dem Ausland? Welches Land? Religion? Welche Gründe gab oder gibt es für den Aufenthalt? Mit dieser Ausprägung der Neugier unterscheiden sie sich schon mal von anderen Menschen. Manche nennen sich Journalisten, andere Politiker und wieder andere verstehen sich als Aufklärer.
Ein Teil legt einen besonderen Wert auf die eigene Nationalität des Täters/ der Täterin/ der Täter oder Eltern, Großeltern. Wobei ihnen dies oftmals schwer beantwortet werden kann. Staatsrechtlich und im normalen Sprachgebrauch ist Deutscher, wer die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt. Alle anderen Interpretationen sind seit der Beendigung der Regierungszeit der NSDAP nicht mehr üblich. Vor 1945 wäre die Antwort einfacher gewesen. Ab September 1935, mit Verabschiedung der Nürnberger Gesetze, hätte auf eine Abweichung von “deutschblütig” oder “artverwandt” hingewiesen können. (siehe Umberto Eco) Mittlerweile behelfen sich einige mit einer Entlehnung aus der Soziologie und verwenden den Begriff “Migrationshintergrund”. In der breiten Masse bezieht sich er sich nicht auf eine tatsächliche Migration in das völkerrechtliche deutsche Staatsgebiet. Den Verwendern des Begriffs geht es ebenfalls nicht um die ursprüngliche Forschung nach den besonderen Problemen, die kulturelle Veränderungen, Ausgrenzung, Fremdeln, usw. mit sich bringen. Mitteleuropäer (quasi das alte “artverwandt”) werden ausgeklammert und nur Personen, die selbst oder deren Eltern, Großeltern, außerhalb Mitteleuropas geboren wurden, erfahren die Zusatzbezeichnung “Migrationshintergrund”. In der Ideologie der Nationalsozialisten gab es noch die germanischen Völker, zu denen die Slawen nicht gehörten. Passend dazu wird bei Tätern, Täterinnen, aus dieser Ecke Europas auch gern der Migrationshintergrund erwähnt. Aber ich habe selten bis niemals von einem französischen, belgischen, niederländischen oder britischen Migrationshintergrund gehört oder gelesen.
Wie auch immer, das Ganze entspricht wie erwähnt einer Datenbankabfrage, bei der Daten mittels einer vom Verwendungszweck abhängigen Suche abgefragt werden. Jetzt spiele ich dies einmal durch. Es passiert ein Totschlag, das Opfer ist eine deutsche Staatsbürgerin und der Täter ist meinetwegen ein syrischer Staatsbürger, der vor dem Kriegsgeschehen in seinem Land geflüchtet ist. Die spezielle Gruppe der Neugierigen findet dies nicht nur erwähnenswert, sondern gleichsam empörend.
Im § 212 Abs. 1 – Totschlag –StGB steht: Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.
Also im Gesetzestext, nicht einmal in der Vorgängerversion, dem Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871, ist die Herkunft in irgendeiner Art relevant. Ist es jetzt irgendwie anders zu bewerten, wenn ein deutscher Staatsbürger, mit in Deutschland geborenen Eltern und Großeltern, eine deutsche Staatsbürgerin erschlägt und müsste bei der auch nochmals nachgehakt werden, ob wiederum ihre Eltern und Großeltern in Deutschland (BR Deutschland, DDR wäre auch noch offen) geboren wurden? Macht es für das Opfer einen Unterschied, von wem es getötet wurde? Oder ist die Empörung ein bestätigender Ausruf? “Wusste ich es doch!” Was? Das die Fähigkeit des “Homo sapiens sapiens” zu Töten vom Längen – und Breitengrad des Geburtsorts abhängt? Oder ist es weniger verwerflich in seinem vom Schicksal abhängigen Geburtsland ums Leben zu bringen? Wenn schon, dann wenigstens im eigenen Land? Wie sieht es dann aus, wenn der Täter ein “Bio – Deutscher” (auch eine nette Umschiffung des Begriffs – deutschblütig – ) ist? Sollte der vielleicht härter bestraft werden, weil es undeutsch ist, andere umzubringen?
Wie wollen rechts – konservative Plattformen Nachrichten gestaltet haben?
Vielleicht kann die Betrachtung eines konkreten “Neugierigen” Aufschluss geben. Am 22. Februar 2021 veröffentlichte der Journalist Boris Reitschuster auf seiner Seite reitschuster.de den Gastbeitrag eines Dr. Manfred Schwarz (auch Autor auf der Plattform: Tichys Einblicke), in dem sich dieser kritisch zur medialen Berichterstattung über ein Tötungsdelikt in Lüneburg äußert. Sein Missfallen richtet sich auf den Umstand, dass für seinen Geschmack zu wenig persönliche Informationen über den Täter und den Tathergang publiziert wurden. Anders: Seine angelegten Suchparameter wurden nicht ausreichend berücksichtigt. Er schreibt am Anfang:
“In der Psychiatrischen Klinik Lüneburg hat ein Insasse zwei Menschen brutal umgebracht, eine Pflegerin wurde schwer verletzt, zwei weitere Personen leicht. Der mutmaßlicheDoppelmörder konnte von mehreren Streifenwagen-Besatzungen der Polizei unter Einsatz von Pfefferspray festgenommen werden. Wieder einmal ist es interessant, dass zwar nahezu alle größeren Medien hierzulande über den Doppelmord berichteten – aber fast alle keine genauen persönlichen Hintergründe des Täters veröffentlicht haben. Um das vorweg zu nehmen, was Zeitungen, Radiosender und Fernsehanstalten verschweigen – von der Münchner „Abendzeitung“ und vom „NDR“ über das Hamburger Abendblatt“ und die „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“) bis zum „Spiegel“ und zur „Zeit“: Der Tatverdächtige ist ein Syrer, der offiziell als „Schutzsuchender“ – also als „Flüchtling“ – gilt. Der „Geflüchtete“ ist hierzulande bereits mehrmals schwer straffällig geworden, wurde aber rechtswidrig von den zuständigen Behörden weiterhin in Deutschland „geduldet“.”
Nun, ob es ein Mord ist, wird vor Gericht zu klären sein, immerhin scheint bereits sicher zu sein, dass es keine Gefährliche Körperverletzung mit Todesfolge war. Ob die Duldung rechtswidrig ist, kann aus der Ferne schlecht beurteilt werden. Aber es scheint dem Verfasser wichtig zu sein, dass der Täter ein Syrer ist. Warum, ist hier noch nicht erkennbar. In einem weiteren Absatz schreibt er:
„Gewalteinwirkung auf den Hals“? Das ist oft die beschönigende Umschreibung dafür, dass einem Menschen die Kehle durchgeschnitten wurde. Die „Abendzeitung“ berichtete vernebelnd: „Was der Auslöser für die Gewaltattacke auf der Station war, blieb zunächst unklar.“ Damit ist der Fall für die Mainstream-Medien erledigt. Wie hätte wohl die Welt des linken Medien-Mainstreams reagiert, wenn ein „Bio-Deutscher“ mehrere Flüchtlinge in der Psychiatrie umgebracht hätte?
Alle regionalen Zeitungen, hierunter das Eichsfelder Tageblatt und die Hannoversche Allgemeine Zeit wissen da ein wenig mehr. Das erste Opfer wurde erdrosselt oder erwürgt, näheres wird eine Obduktion ergeben. Opfer Nummer zwei erlitt eine schwere Kopfverletzung, die am Ende wahrscheinlich zum Tode führte, wobei auch dies seitens der Gerichtsmedizin zu klären sein wird. Doch ich notiere an dieser Stelle, dass Herr Dr. Schwarz auf einen linken Mainstream verweist. Was das genau ist, weiß ich nicht. Kommunistischer/Sozialistischer Mainstream? Auf jeden Fall scheint er der Auffassung zu sein, dass bei einem mutmaßlichen Totschlag, ausgegangen von einem deutschen Staatsbürger, mit deutschen Eltern und Großeltern, welcher sich zum Tatzeitpunkt als Patient in einer psychiatrischen Einrichtung befand, zwei syrische Patienten tötete, eine andere Reaktion stattgefunden hätte. Was auch immer dieser linke Medienmainstream sein soll, und wer alles dazu gehört, dazu schweigt er, scheint auf jeden Fall für ihn irgendwie bedrohlich zu sein. Mir erscheint niemand sonderlich analytisch veranlagt zu sein, wenn bei einem Vorfall in einer psychiatrischen Einrichtung als Top – Information die Nationalität eine Rolle spielt. Ich würde als Erstes an Krankheiten, Impulsdurchbrüche bei Traumatisierungen oder manische Depressionen denken.
Abschließend heißt es bei Herrn Dr. Schwarz:
„Bild“ hat in ihrer Print-Zeitung geschrieben, dass es gegen den festgenommenen Tatverdächtigen bereits „Verfahren wegen Körperverletzung und Bedrohung“ gegeben hat. Eine etwas verniedlichende Umschreibung dafür, dass der Verdächtige offenbar schon mehrfach als brutaler Schläger aufgefallen ist – und vermutlich Mitbürger wiederholt in Angst und Schrecken versetzt hat. Anders formuliert: Menschen sind Opfer eines Kriminellen geworden, der längst hätte abgeschoben werden müssen. Aber wie viele Medien in Deutschland würden sich heute noch trauen, diese bitteren Wahrheiten auszusprechen?
Wahrheit ist ein großes Wort. Aber ich bin mal nicht kleinlich und interpretiere sie als das dialektische Gegenteil von Falschaussage oder wenigstens einer in Teilen falschen Behauptung. Doch selbst das ist hier nicht ganz einfach. Er schreibt von Hörensagen, bzw. einer nicht gerade seriösen Quelle, die sich selbst auf Verfahren zurückzieht und wohlweislich nichts von einer Verurteilung erwähnt. Basierend darauf vermutet er etwas, nämlich den brutalen Schläger, um dann am Ende aus allem zusammen einen vermeintlichen Fakt zu basteln: Täter war ein aus Syrien stammender Krimineller, der längst (vor Monaten? Jahren? Tagen?) in ein Kriegsgebiet hätte abgeschoben werden müssen. Dabei stellt sich die Frage, ob es dort nicht auch zu einem Totschlag an anderen Menschen gekommen wäre. Bislang habe ich nichts von einer psychiatrischen Behandlungsmethode mit der Bezeichnung Abschiebung gehört. Oder ist der Totschlag eines Syrers in seinem eigenen Land anders zu bewerten? Seltsamerweise weist Hr. Dr. Schwarz selbst darauf hin, dass Menschen – nicht explizit Deutsche – Opfer wurden. Hat er da im letzten Moment die Kurve bekommen?
OK, meinem persönlichen Eindruck nach, geht es weniger um Neugierde, Interesse, sondern um Abschiebung und Herstellen einer Konnotation. Jemand, hier konkret Dr. Schwarz, hört etwas von einem Tötungsdelikt, fragt die Datenbank mit der Suchparametern – Ausländer, Migration, Flüchtling – ab, sieht sich in seiner Vorurteilsstruktur bestätigt und legt los. Und jeder, der die Struktur nicht bedient, getraut sich nicht bittere Wahrheiten auszusprechen. Welche eigentlich? Wäre der Mann bereits abgeschoben gewesen, lebten zwei in Deutschland geborene Patienten, mit deutschen Eltern und Großeltern noch, und wenn überhaupt, wären zwei Syrer gestorben? Ich überlasse jedem selbst, den Text, die Tendenz und den Subtext mit den 14 Punkten von Umberto Eco (ein Intellektueller und somit vermutlich aus Sicht einiger Zeitgenossen ein Linker) abzugleichen.
Doch in welche Schublade sortiere ich nun Herrn Dr. Schwarz? Und mit welcher Motivation bietet ihm der Journalist Reitschuster das Forum seiner Seite an? Diese hat er immerhin unter das Credo “Kritischer Journalismus. Ohne “Haltung”. Ohne Belehrung. Ohne Ideologie.” gestellt. Dafür hat der Gastautor, eine Menge Ideologie, z.B. die Annahme der Existenz einer vorherrschenden, linken gesellschaftspolitischen, kulturellen Ausrichtung der deutschen Medienlandschaft, hineingepackt. Aber, wie jeder andere, der seine Seite zur Verfügung stellt, macht Boris Reitschuster klar, dass es sich nicht unbedingt um seine Meinung handeln muss und er seinen Lesern ein breites Spektrum anbieten möchte. Zu Herrn Dr. Schwarz findet sich unter dem Artikel seine Kurzdarstellung.
Dr. Manfred Schwarz (Politologe): Zivillehrer an der Hamburger Landespolizeischule, dann etliche Jahre Berufsschullehrer und Dozent in der staatlichen Lehrerfortbildung (Bereich: Politik); jeweils acht Jahre Medienreferent in der Hamburger Senatsverwaltung und (nebenamtlich) Vizepräsident des nationalen Radsportverbandes BDR (verantwortlich für die bundesweite Medienarbeit / Herausgeber einer Internet-Radsportzeitung). CDU-Mitglied, sechs Jahre Mitglied des Hamburger CDU-Landesvorstands. Heute Autor für verschiedene Internetportale mit den Schwerpunkt-Themen Politik und Medien.
Er selbst hat sich demnach per Parteimitgliedschaft ein Etikett verpasst. Christlich und Konservativ! Ich habe bei vielen Mitgliedern der CDU den Verdacht, dass die eine besondere Ausgabe der Bibel im Regal zu stehen haben. Gut, ich bin raus, weil ich zwar getauft und konfirmiert bin, aber im Laufe des Lebens mit Überzeugung für eine andere Anschauung eintrete. Das Weltgeschehen ist komplex und beruht auf Wechselwirkungen. Der Syrer wurde nicht als einer geboren, der eines Tages ausrastet. Es ist nicht möglich jeden einzelnen Faktor aufzuschlüsseln, der zu diesem Tag führte. Wo will man da anfangen? Warum ist Syrien der Staat geworden, der er jetzt ist? Was führte zum Krieg? Was zur Machtübernahme eines Assad – Clans? In welcher Art Familie wuchs er auf? Geriet er in Kampfhandlungen? Was geschah auf der Flucht mit ihm? Für mich, als Anhänger der buddhistischen Philosophie gibt es grundsätzliche Ursachen, die alles und jeden betreffen. Das im Menschen vorhandene Ur – Programm der Gier, die ein Festhalten und Verteidigen des Erlangten, den gerechtfertigten oder auch ungerechtfertigten Neid anderer erweckt und oftmals dazu führt, dass jemand zu wenig zum Leben hat, weil eine/r sich zu viel vom Kuchen abgeschnitten hat. Natürlich gestehe auch Hr. Dr. Schwarz zu, dass er das Endergebnis einer ganzen Kette von Ereignissen ist. Dies gilt ebenso bei mir und jedem Lebewesen auf der Erde.
Vielleicht ist das mit der Schublade gar keine gute Idee?
Ich hatte beim Lesen der Seiten auf reitschuster.de beinahe schon den Aufkleber rechts – konservativ in der Hand. Alternativ vielleicht “narrow – minded”, “reaktionär” oder “Nationalisten”. Auch wenn Hr. Reitschuster selbst eine Biografie beschreibt, die einst mit der SPD startete und er an einer Stelle erwähnt, dass ihm ein “Höcke” unheimlich ist. Politische Ausrichtungen sind immer mit Psychologie verbunden. Beispielsweise sind Rassismus, die instinktive Angst vor Fremden, Verlustängste, der Wunsch nach Bewahrung des bisher Gewohnten, tief im Menschen verwurzelt. Es gibt Richtungen, in denen dem Menschen der freie Wille abgesprochen wird. Meiner Meinung nach gilt dies für die ersten Sekunden. Danach kann das Großhirn seine Arbeit machen. Der Haken dabei ist der Umstand, dass auch der Wille, dieses einzusetzen und sich eine Praxis zuzulegen, die eine effiziente Nutzung ermöglicht, von irgendwo her kommen muss. Womit wieder die Diskussion aufkommt: Ist der Mensch ein determiniertes Wesen oder nicht?
Wir haben eine Opfer – Kultur. Externalisiert man das Geschehen, womit es nicht mehr zwingend mit dem ureigenen Verhalten im Zusammenhang steht, wird vieles subjektiv leichter. Opfer bekommen Zuwendungen und die sind dem Menschen wichtig. Andererseits kann ich mich auch dem Opfer zuwenden und mich damit besser fühlen. Weiterhin gäbe es noch die Option, sich selbst für alle Opfer verantwortlich zu fühlen, was zu einer Selbstkasteiung führt. Christen können dies gut. Entsprechen sie nicht ihrem religiösen Idealbild des Menschen, sind sie schuldig und sind nach dem Ende des diesseitigen Lebens auf einen milden Richtspruch angewiesen. Aufmerksamkeit ist in unserer Zeit, in denen Massengesellschaften, überwiegend das Bild prägen, das A und O. Wenn ich mir nicht alleine das Bewusstsein einer selbstverständlichen Individualität verschaffen kann, muss ich mir etwas einfallen lassen. Der Trick, eine Mehrheit für fehlgeleitet zu halten und mich selbst einem exklusiven Club der durchschauenden Kritiker zu halten, ist naheliegend. Gleiches gilt für die Manipulation einer Gefolgschaft, die mir das wohlige Gefühl vermacht, der herausragende Anführer zu sein. Mich dabei als Opfer zu stilisieren, ist Mittel zum Zweck.
Opfer – Kult
Gibt es ein Opfer, existiert auch eine Täterin oder ein Täter. Im Fall der überwiegenden Beiträge auf der Seite, sind es entweder die Regierung oder eine Verschwörung von etwas, was die Verfasser als “links” titulieren. Zu diesem “links” gehören u.a. Naturwissenschaftler und Leute, die diesen Wissenschaftlern glauben, nämlich alle die von einem menschlichen Faktor bei der Erwärmung des globalen Klimas sprechen. Links sind auch diejenigen, welche Covid-19 für eine ernsthafte Bedrohung des Gesundheitssystems halten und deshalb eindämmende Maßnahmen für notwendig erachten. Gleichsam ersehen sie die Theorien des (Neo)liberalismus, mit dem dazugehörenden Godfather Friedrich von Hayek, als die letzte aller Wahrheiten. Über den kann man viel sagen oder es lieber sein lassen. Auf jeden Fall passen die vorgenannten Ablehnungen gut zu ihm. Was ich wiederum nicht verstehe, ob die an irgendeine göttliche Rettung glauben oder schulterzuckend in den Abgrund fahren wollen, weil es ohnehin nicht abwendbar ist. Doch das Bild Abgrund ist nicht ganz passend. Bei ihm wäre bis zur Kante eine entspannte Fahrt garantiert. Wir nähern uns vielmehr einem großen Feuer und es wird immer unangenehmer, je näher wir ihm kommen. Reiche haben einen Schutzanzug, während Ärmere Meter für Meter auf der Strecke bleiben. Hier ist ein springender Punkt. Augenscheinlich treten auf der Seite Frauen und Männer auf, denen es gut geht und darauf bedacht sind, dass sich dieser Status Quo nicht ändert. Eins weiß ich, Hayek war mit Sicherheit kein Buddhist. Er akzeptierte die Wechselwirkung, doch er betrachtete die Gier als regulierenden Faktor und nicht als Wurzel des Übels.
Bei mehreren der von Eco gelisteten Kriterien vollziehen sie Punktlandungen. Alles, was mit fremd, Naturwissenschaft und ihre Vorgehensweise sich nach und nach an die Realität “heranzuirren”, dem Neuen aus verschmelzenden Kulturen zu tun hat, ist ihnen suspekt, wenn es sie nicht geradezu anwidert. Eigentlich ist das bei Akademikern aus Mitteleuropa seltsam. Wären nicht irgendwann Römer, Germanen, Goten, Sachen, Franken, Normannen, Wandalen und Vorderasiaten. Kulturell und religiös miteinander verschmolzen, gäbe es uns nicht. Ohne dem auf Naturwissenschaften basierenden technischen Vorsprung hätte es niemals eine Kolonialisierung in der erlebten Form und damit den Aufstieg Mitteleuropas gegeben. Bei meiner Lebenshaltung kann ich die Ablehnung einer ungebremsten technischen und digitalen Entwicklung nachvollziehen, aber bei denen eher nicht.
Die Autoren
Vornehmlich treffen auf der Seite Leute zusammen, die nicht nur von nationalen Grenzen überzeugt sind, sondern Menschen immer in der Kombination mit ihrer Nationalität sehen. Ich bleibe bei meiner schon häufiger gestellten Frage: “Welche Auskunft gebe ich einem Außerirdischen über meine Herkunft? Berlin? Deutschland? Nordhalbkugel oder Erde?” Deshalb das Etikett “narrow – minded”. Wenn ich beim Betrachten eines Ölbilds mit der Nasenspitze die Leinwand berühre, kann ich wenig über das Motiv sagen. Ich muss schon einige Meter Abstand nehmen. Selbst wenn ich es knallhart angehe, komme ich mit deren Einstellung nicht weiter. Wenn in der kommenden Zeit Küstenregionen unbewohnbar werden, ganze Zonen der Erde zu lebensfeindlichen Gebieten verkommen, sind Kriege, nie dagewesene Fluchtbewegungen und Massensterben programmiert. Da sollte man rechtzeitig beginnen, sich auf das unvermeidlich kommende vorzubereiten. Und Grenzen, die keine Tötungsmaschinerie besitzen, werden die Menschen nicht stoppen. Wer das der nächsten Generation nicht zumuten will, zu denen gehöre ich, muss schleunigst handeln. Womit ich mir vermutlich den Aufkleber “links” locker verdient habe. Die da schreiben sind keine Dummen. Aber wie gedenken sie den zweiten Schritt zu machen? Ihr wollt nicht aufhören das Klima zu verändern? OK! Covid-19? Wir alle müssen sterben, daran kommt keiner vorbei. Aber aktuell können wir noch versuchen einige zu retten. Ihr nehmt eine Überschwemmung der Krankenhäuser und eine steigende Anzahl von Sterbenden hin. Gut! Ist eine Haltung! Dann sei aber die Frage erlaubt, wie wir mit den zu erwartenden Unruhen umgehen? Habt ihr dafür eine Lösung oder einen passenden Einsatzauftrag? Akademiker! Wer von Euch stellt sich mit der Knarre in der Hand an die Grenze? Keine Schublade! Ich bin von früher her Leute gewohnt, die tolle Sachen wollen, aber nicht bereit sind, sich mit den Folgen auseinanderzusetzen. Schaut Euch die Kommentatoren unter Euren Texten an. Das sammelt sich ein Mob, dem der Hass aus den Ohren kommt. Mit denen müsst ihr ein Handling betreiben. Ich setze die Kenntnis des “Zauberlehrlings” voraus.
Warum diese intensive Auseinandersetzung?
Sie ist im gewissen Sinne eine Anerkennung. Was ich gelesen habe, ist gut gemacht und hervorragend geeignet, die etwas niederen Instinkte herauszulocken. Wie gesagt, ich bezweifle stark, dass sie den Mob, der geweckt wird, kontrolliert bekommen. Das Problem liegt nicht in der freien Meinungsäußerung. Die ist allumfassend und ohne jegliche Beschränkung zu jeder Zeit zuzulassen! Allein schon aus dem Grund, weil wir für das Kennenlernen eines Menschen auf seine Worte angewiesen sind. Verbote ändern nicht, was im Kopf vorgeht! Entscheidend sind jene, die zustimmend lesen oder zuhören. Ich wohne in der Nähe einer psychiatrischen Einrichtung. Wenn hier eine/r die Straße entlang geht und dabei Zeugs vor sich hin brabbelt, interessiert dies niemand. Wir erleben immer mehr das Phänomen, dass die Leute auch noch den seltsamsten Aussagen interessiert zuhören und schlimmsten Falls Glauben schenken (Chemtrails, Echsenmenschen, Flat – Earth, QAnon). Manchmal sind sie nicht seltsam, sondern abseits dessen, was dem allgemeinen Konsens nach unter ethisch vertretbar zu verstehen ist (Flüchtlinge, Mittelmeer). In anderen Fällen sind es wilde Konstruktionen, die nichts anderes als fadenscheinige Begründungen für ein weiter andauerndes sattes, aber für folgende Generationen schädliches Leben sind (Klima, Zerstörung der Lebensgrundlagen). Bei allen müssten sich die meisten Menschen an die Stirn Tippen und die/denjenigen mit einem, wie wir in Berlin sagen: “Der hat doch nen Ding an der Bommel!”, stehen lassen. Da stellen sich einige Fragen! Was ist im Bildungssystem schiefgelaufen? Oder, bei den extrem abstrusen Geschichten: Wie ist es zu diesen Persönlichkeitsstörungen gekommen?
Herr Reitschuster geht bei der Manipulation sehr geschickt und subtil vor. Ehre, dem die Ehre gebührt! Ich hab mir mal ein Beispiel etwas genauer angesehen. Im Oktober 2020 nahm er sich eine Umfrage der ARD vor.
„Im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos hat es vergangene Woche einen Brand gegeben. Deutschland hat sich bereit erklärt, Flüchtlinge aus dem Lager aufzunehmen. Wie sehen Sie das? Sollte Deutschland Flüchtlinge aus dem abgebrannten Lager auf jeden Fall aufnehmen? Sollte Deutschland nur dann Flüchtlinge aus Moria aufnehmen, wenn sich die EU-Staaten auf eine europaweite Verteilung der Flüchtlinge einigen? Oder sollte Deutschland grundsätzlich keine Flüchtlinge aus dem Lager Moria aufnehmen?“
Quelle:ARD – Deutschlandtrend Sept. 2020 u. reitschuster.de
Fragetext: Im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos hat es vor drei Wochen einen Brand gegeben. Laut Angaben griechischer Behörden soll eine Gruppe von sechs minderjährigen Flüchtlingen, deren Asylanträge abgelehnt wurden, den Brand selbst gelegt haben. Wie sehen Sie das? Sollte Deutschland Flüchtlinge aus dem abgebrannten Lager auf jeden Fall aufnehmen? Sollte Deutschland nur dann Flüchtlinge aus Moria aufnehmen, wenn sich die EU-Staaten auf eine europaweite Verteilung einigen? Oder sollte Deutschland keine Flüchtlinge aus dem Lager Moria aufnehmen und stattdessen vor Ort helfen? Oder sollte Deutschland grundsätzlich keine Flüchtlinge aufnehmen und auch nicht vor Ort helfen?
Wo er die Angabe herhat, dass es sechs minderjährige Flüchtlinge waren, erschließt sich mir nicht, erst recht nicht die Angelegenheit mit den abgelehnten Asylanträgen. Bei der Berichterstattung schwanken die Angaben zwischen 4 – 6 Festgenommenen unter denen sich vermutlich 2 Minderjährige befanden. Der Appell ist nicht zu überlesen! “Abgelehnt – also keine echten Flüchtlinge – u. die sind alle selbst Schuld!” Der zweite Appell: “Warum immer wir Deutsche, wenn schon, dann auf alle EU – Länder.” Bei der Fragestellung stimmen nur noch 43 % der Befragten zu und 44 % dagegen. Was beweist das jetzt?
Im September des letzten Jahres befanden sich im Lager 13.000 Menschen, die dort ohne fließendes Wasser, in Zelten mit offenen Feuerstellen kampierten. Frauen, Männer, Kleinkinder, Säuglinge, Heranwachsende. Darüber hinaus zu diesem Zeitpunkt bereits seit einem halben Jahr im Corona – Lockdown. Gemäß Flüchtlingshelfern brachte der Umgang mit 35 an Covid-19 Infizierten das Fass zum Überlaufen. Von meiner Seite her: Hut ab an die Bewohner, dass es nicht viel früher zu einem Vorfall dieser Art kam. Und wie soll 13.000 Menschen vor Ort geholfen werden? Und bis jetzt sind es ja wohl die Griechen, die nach Europa hineinrufen sollten.
Aber 44 % bekomme ich offenbar mit einem “Selbst Schuld! Dann müsst ihr halt noch mehr leiden!” Diese “kaltschnäuzige” Einstellung wundert mich jetzt in Deutschland nicht ernsthaft. Irgendwie erinnert mich das auch ein wenig an Strafaktionen gegenüber Partisanen und später dem Vietcong. Bestrafung von 12.994 für die Rebellion von 6 ist kein schlechter Schnitt. Gut, dies hat mir Hr. Reitschuster aufgezeigt. Danke!
Ihm zeigt es etwas anderes:
Zitat: Das Ergebnis der von mir bestellten INSA-Umfrage zeigt, wie unterschiedlich Umfrageergebnisse ausfallen, je nachdem, wie die Frage formuliert wird. Hier bietet sich leider ein breiter Spielraum für kaum bemerkbare und nachweisbare Manipulationen. Und da wir Menschen einem starken Konformitätsdruck unterliegen, wird so Stimmung erzeugt: Je größer die vermeintliche Mehrheit, umso größer der Drang, sich ihr anzuschließen. Wenn 87 Prozent für die Aufnahme der Moria-Flüchtlinge sind, fällt es vielen deutlich schwerer, eine abweichende Meinung zu haben, als bei 43 Prozent. Und damit, wenn auch knapp, einer Minderheit.
Jean Ziegler: „Die Schande Europas – Von Flüchtlingen und Menschenrechten“ , 144 Seiten, 16 Euro, Bertelsmann Foto: Bertelsmann
Tja, für mich machen das bei 2084 (gem. Seite u. detaillierter Umfragedarstellung) Befragten, aufgerundete 917 eiskalte Typen, die mir einen kleinen Teil meiner Fragen dazu beantworten, wie manches in der Zeit 1933 – 1945 funktionieren konnte. Insofern ein ziemlich interessantes psychologisches Experiment, was Hr. Reitschuster präsentiert. Konformitätsdruck kann man auch als Mitläufertum bezeichnen. Den gibt es auch bei einem Lynchmord, wo am Ende keiner aus dem Mob dabei gewesen sein will. Vielleicht hätte man den Befragten die Bilder, des weltweit vernetzten linken Medien-Mainstreams, wie bei der Buchbesprechung zum Buch des “Linken” /Ironie *off*, Jean Ziegler, bei den Aachner Nachrichten, zeigen sollen? Bilder können recht wirksam sein. Wie sagte doch Alexander Gauland: “Es kann zu Bildern kommen, die schwer auszuhalten sind.”
Im Allgemeinen ist dies eine militärische Einstellung. Die meisten Minen sollen nicht töten, sondern verstümmeln und damit Entsetzen erzeugen. Im Gegenzuge sind allzu schreckliche Bilder den zu Hause vor dem Fernseher sitzenden Coach – Potatoes vorzuenthalten. Die Militärs haben das geschickt in den Griff bekommen. Viele Zuschauer sind die Sequenzen in Video – Spielen gewohnt. Also werden Aufnahmen von Drohnen präsentiert, die den Spielsequenzen gleichen. Schon ist alles nicht mehr so schlimm. Ich zolle heute noch dem im letzten Jahr verstorbenen Norbert Blüm für seine Übernachtung (2016) im Flüchtlingslager Idomeni Respekt. Und seine Worte waren eindeutig.
Bleibt offen, wer, wen, wie manipuliert. Nehmen wir mal an, ich würde mich als Kämpfer für die Freiheit darstellen und das dem einen oder anderen einfachen Gemüt auch plausibel machen, wiese diese Kandidaten auf die Manipulationsmöglichkeiten über Fragestellungen hin und brächte quasi wie in einem Trojanischen Pferd meine eigene Manipulationsabsicht in der vermeintlich skandalösen Aufdeckung unter, hätte dies ein respektables Format. Und nehmen wir mal zusätzlich an, ich hätte mir lange Jahre von gewieften russischen Spezialisten für Desinformation und Propaganda einiges abgucken können, dann wüsste ich rein theoretisch sehr genau, was ich da tue. Oder? Dann müsste einer, der mir auf die Finger schaut, herausbekommen, wozu ich andere manipulieren will.
Die Religion des Marktes und die neuen selbsternannten Hohepriester
Voller Stolz verkündet Hr. Reitschuster, dass er seine Seite im Dezember 2019 freischaltete und im Januar (2021?) 3,1 MillionenBesucher (darunter Ich ;-)) mit 10 Millionen Klicks hatte. Das nenne ich doch mal Aufmerksamkeit! Nach der Nennung der Zahlen benennt er seine Feinde. Zu denen gehört u.a. der Leiter des Tagesschau.de-Onlineportals faktenfinderPatrick Gensing. Daneben aber auch noch die Süddeutsche Zeitung und einige andere. Es folgt ein Hilferuf! Jeder der ihm spendet, unterstützt die Mission “gebühren – gepolsterte” “Haltungs – journalisten” (Anmerkung: Punkt 14, auf der Liste von Eco?) zu ärgern.
Gott ist tot, es lebe der Markt – die Missionare des neuen Kults
Mit “gebühren – gepolstert” ist wohl der öffentlich – rechtliche Rundfunk und die GEZ gemeint. Wie die Gegenmodelle aussehen, kann sich jeder bei Leuten wie Rupert Murdoch, Andrew Breitbart (jung verstorben), Stephen Bannon, Robert Mercer, anschauen. Allesamt Menschen, die wie ehemals Ford, Rockefeller und Co., rechtzeitig erkannten, wie Geld zu generieren ist und wozu es eingesetzt werden kann. Ihr Anspruch hat es etwas von einem “Gott – Komplex“. In ihrer Vorstellung ist die Erde und alles was darauf stattfindet gestaltbar. Das System “Geld” ermöglicht ihnen so etwas wie einen Olymp, in dem sie sich als neue Götter fühlen. Der gedankliche Vorgang ist nicht neu, von dem wurden bereits römische Kaiser und griechische Könige wie Agamemnon beseelt. Zur Erinnerung: Der wurde bestraft und musste im Totenreich lernen, wie sinnlos alles war. Wenn es Leute gibt, die an einer neuen Weltordnung gemäß ihrer Vorstellungen arbeiten, dann sind es die oben Genannten. Götter sind bekanntlich darauf angewiesen, dass man sie dazu macht und an sie glaubt. Das Göttliche ist im Verständnis des menschlichen Großhirns die Instanz über ihm. Ihrer Auffassung nach hat sich das gewandelt. Über allem steht bei ihnen der Markt. Wie in jedem Kult gibt es Priester, Hohepriester, zeremonielle Handlungen, geheimes spirituelles Wissen, Ketzer, angebetete Heilige, Kultobjekte, Tempel, Insignien, spirituelle Versammlungen und überzeugte Missionare, die ihr Heil, ihren Halt und moralischen Kompass im Kult finden und andere überzeugen wollen. Die Zeiten in denen Missionare von der Kirche in fremde Länder entsandt werden, sind vorbei. Dafür gibt es ein Internet, mit online – Plattformen, Foren, Social Media und einer schier endlosen Menge an Manipulationsmöglichkeiten, die jeder Kult benötigt. Für mich stehen die amerikanische Alt-Right Bewegung, die mit ihr offen assoziierten Plattformen, Milliardäre, die mitteleuropäischen Pendants, in einem direkten Zusammenhang. Der Markt ist alles, einige verstehen dies, u. andere minderwertige Unwürdige, meistens jene, welche sich in den 14 Punkten nicht wiederfinden, eben nicht. Und machen wir uns nichts vor, die jetzt schon eintretenden Ereignisse und das in den nächsten Jahrzehnten, zu erwartende Szenario, stellt für sie eine Bedrohung dar. Die Christen waren auch nicht gerade begeistert, als sie einsehen mussten, dass sich die Erde um die Sonne bewegt.
Meiner Meinung nach sind reitschuster.de, PI-News, Die Achse des Guten, Tichys Einblick, Compact, Kopp Verlag e. K./Kopp Online, u.a., die deutschen Plattformen für Missionare/Priester des oben beschriebenen Kults, mit der die Gefolgschaft versorgt und vermehrt werden sollen. Mit einer gewissen Häme stelle ich fest, dass die Damen und Herren bei ihren Aktivitäten einen eklatanten taktischen Schwachpunkt übersehen. Ich habe ein tiefes Vertrauen in anarchistisch denkende Hacker, die ihnen jederzeit einen Stich ins Herz der Strategie – digital gestützte Missionierung – verpassen können. Der “Cyber Krieg” tobt bereits, aber er hat sich bisher nicht über kleinere provokative Scharmützel hinweg entwickelt.
Was ist echte Freiheit?
Mindestens einen Punkt gibt es noch zu klären. Auf all den Seiten wird der Leser mit dem Wort Freiheit bombardiert. Die kann es nur in Verbindung mit verantwortlichen Denken und Handeln geben. Verantwortung ist unteilbar und schon gar nicht zu Externalisieren. Bei uns halten sich staatliche Institutionen weitestgehend aus dem Verbot einer Meinungsäußerung (Zensur) heraus. Ausnahmen, wie die Strafbarkeit von Volksverhetzungen, Leugnen des Holocaust, nationalsozialistische Grußformeln pp. bestätigen die Regel. Von zivilen Instanzen ausgehender Gegenwind, Beschimpfungen, Kritik, Ausgrenzung von Veranstaltungen, sind keine Beschränkungen der Meinungsfreiheit. Hierzu braucht es eine/n, die/der die Meinung sagt oder schreibt und einen Gegenpart. Letzterer kann nichts für die Befindlichkeiten, wenn der Kritisierte damit nicht umgehen kann. Logischerweise ist auch die Gegenreaktion von der Meinungsfreiheit gedeckt. Mich amüsieren Leute, die mir mit Worten, wie: “Wie können Sie diese Frechheit besitzen?”, oder: “Mit welchem Recht erlauben Sie sich die Schamlosigkeit?”, begegnen. Scham? Frech? Über die Kindheit bin ich fünfzig Jahre hinweg. Versetze ich mich in die Lage dieser über mich Empörten, kann ich die Reaktion verstehen. Immerhin wähnen sie sich in einer höher stehenden autoritären Position. In Deutschland schickt es sich nicht, hiergegen zu rebellieren.
Das Thema Freiheit ist weitläufig. Verantwortung bedeutet, dass ich bei meinem Handeln darauf achte, weitestgehend alles zu unterlassen, was Schaden anrichtet. Tue ich dies nicht, und man kann mir vorwerfen, dass ich leichtfertig handelte, muss ich mich verantworten. Leicht gesagt! Bei wem? Den rechts – Konservativen passen die aktuellen Beschränkungen zur Eindämmung der Pandemie nicht in den Kram. Der unmittelbare Nachweis, wer denn genau aufgrund ihrer auf Unvernunft gestorben ist, wird sich nicht erbringen lassen. Wie will ich eine unmittelbare Kausalität zwischen deren “Immer weiter so!” und der Zerstörung der Lebensgrundlagen herstellen, vor allem, wenn sie bereits unter der Erde liegen? Die Jungen könnten auf die Barrikaden gehen: “Nun ist aber mal gut, es geht nicht mehr um Euer kümmerliches Restleben, sondern um unser!” Greta Thunberg hat es getan. Prompt pöbelten die alten Frauen und Männer der hier angesprochenen Gruppe herum, dass man in ihre Freiheiten eingreifen wolle. Ja! Weil Ihr nicht verantwortlich mit Verstand und Vernunft handelt und damit die Freiheit verwirkt habt. Woran liegt’s? An der Gier, die beides ausschaltet. Mein Vater sagte stets zu mir: “Junge, wenn die Piepe steht, versagt der Verstand!” Eine Wahrheit, die die Menschheit vermutlich seit der Höhle begleitet. Ach ja, und sie rückten alles um Thunberg/Neubauer in eine religiöse Ecke, um irgendwie das lästige Naturwissenschaftliche zu umgehen.
Jemanden die Freiheit zu ermöglichen, bedeutet längst nicht, dass sie oder er sie nutzt, lebt oder überhaupt dazu in der Lage dazu ist. In Malaysia erlebte ich eine Geschichte mit einer kranken Katze. Bis sie krank wurde, streunte sie nach Belieben in der Gegend herum. Doch die Tierärztin sagte, dass das Tier über drei Wochen hinweg dreimal täglich ein Medikament bekommen müsse. Es half nichts. Sie musste in einen Käfig gesperrt werden. In der ersten Woche, versuchte sie jedes Mal wegzulaufen. In der zweiten fügte sie sich in ihr Schicksal und krabbelte nach der Einnahme in den Käfig zurück. Alles alles vorbei war, blieb sie, obwohl die Tür offen stand, volle zwei Tage im Käfig. Sie benötigte weitere vier Tage, um sich einige Meter vom Käfig zu entfernen. Richtig streunend sah ich sie bis zur Abreise vier Monate später nicht mehr. Domestizierte Tiere haben niemals das Leben in Freiheit kennengelernt. Mehr noch, die meisten wären in Freiheit überfordert und würden schnell gefressen werden. Käfige gibt es in vielerlei Gestalt und die meisten befinden sich im Kopf. Die Tür steht offen, aber herausgehen ist nicht jedermanns Sache.
Die rechts – konservativen verkaufen sich selbst als Streiter für die Freiheit. Ich will ihn nicht unterstellen, dass sie sich dabei auf den Standpunkt eines Goebbels stellen, der dem Zentrum höhnisch sinngemäß entgegenschleuderte: “Nur weil sie uns die Redefreiheit gaben, heißt dies noch lange nicht, dass wir den Fehler machen, ihnen diese auch einzuräumen!” Taktisch gesehen, hatte er recht. Wenn man etwas überwunden hat, sollte schleunigst alles verboten werden, was man selbst anwendete, da sonst die Gefahr besteht, mit eben jenen Mitteln als nächster abgesetzt zu werden. Ich denke, die meisten sind schlicht im eigenen Gedankenkäfig gefangen. Wer in einem Raum ohne Fenster steht, kann nicht hinaussehen und wer drinnen bleibt, kann sich nicht das Haus ansehen, in dem sich der Raum befindet.
Seitens der Freien gilt es zu verhindern, dass sie von Innen heraus die Leute von draußen hineinlocken. Sind sie erstmal drinnen, wird es schwer sie herauszuholen.
Nationales deutsches Denken? Spielt dies überhaupt noch eine Rolle?
Als Deutscher sollte man nicht den Blick auf die Realität verlieren. Manch eine/r mag sich immer noch für den Nabel der Welt halten. Mittlerweile hat das die Niedlichkeit eines sich wütend aufpumpenden Hamster. Noch verfügen wir über eine starke Volkswirtschaft, doch dies wird sich geben. Um so weniger wir uns dank diverser Strömungen international öffnen und Neuankömmlinge als echte Mitbürger behandeln, desto mehr werden wir schwächeln. Der “Übermensch” wurde längst von anderen gekapert. Der Zenit ist überschritten und nun gehts halt abwärts. Chinesen und Inder bestaunen Deutsche, als Indigene einer untergehenden Welt. Europäische Kolonialisten ließen sich früher mit Ur – Einwohnern in Baströckchen fotografieren, Inder und Chinesen lassen sich mit Frauen in Dirndln und Männern mit Lederhosen ablichten, die dabei stolz einen Bierseidel hochhalten. Ein letzter Funken Hoffnung besteht darin, dass sich die Jungen zusammenraufen und endlich die Hinterlassenschaften des 20. Jahrhunderts überwinden. Meiner Auffassung nach erleben wir eine Zeitenwende. Und immer gab es in solchen Zeiten Frauen und Männer die sich am längst Vergangenen abarbeiteten. Die Epoche der klassischen Nationalstaaten, der USA, die sich als Weltpolizei versteht, Konzerne die im 20. Jahrhundert das Konzept einer neuen Kolonialisation betrieben, sind vorbei. Niemand kann voraussehen, wie es am Ende aussieht. Fest steht: “Anders!” Murdoch ist ein 90 – jähriger alter reicher Bock, Bannon geht auf die 70 zu, Mercer ist 74, Tichy ist 66, Jochen Kopp (55), ist einen Monat jünger als ich, und hat gerade mal 11 Jahre Polizeidienst abgerissen. Auf der anderen Seite stehen Persönlichkeiten, wie eine Luisa Neubauer, die im Alter meiner jüngsten Tochter ist oder eine frisch 18 Jahre junge Thunberg. Ihnen zur Seite stehen eine Menge engagierte Leute um die 30 – Jahre. Und Herrn Reitschuster kann ich mit 5 Jahren Abstand sagen, dass sich mit dem 50. Lebensjahr einiges ändert. Irgendwo hab ich mal von der Weisheit der Dakota Indianer gelesen: “Wenn man auf einem toten Pferd sitzt, sollte man absteigen!” Wer erfahren will, wie ein wacher Geist im hohen Alter funktioniert, muss sich mit Größen wie einem 93 – jährigen Noam Chomsky beschäftigen.
Act now to prevent an environmental catastrophe/ Handeln Sie jetzt, um eine Umweltkatastrophe zu verhindern
100 academics, authors, politicians and campaigners from across the world call for action to address climate change
Internationale politische Organisationen und nationale Regierungen müssen die Klimaproblematik sofort in den Vordergrund rücken und dringend eine umfassende Politik zu ihrer Bewältigung entwerfen. Konventionell privilegierte Nationen müssen freiwillig umfassende Umweltschutzmaßnahmen in verarmten Nationen finanzieren, um letztere für den Verzicht auf ein nicht nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu entschädigen und eine Wiedergutmachung für den den Planeten plündernden Imperialismus der materiell privilegierten Nationen zu leisten.
Angesichts der Tatsache, dass extreme Wetterbedingungen bereits die Nahrungsmittelproduktion beeinträchtigen, fordern wir, dass die Regierungen jetzt handeln, um jegliches Hungerrisiko zu vermeiden, mit Notinvestitionen in agrarökologische, extremwetterresistente Nahrungsmittelproduktion. Wir fordern auch einen dringenden Gipfel zur Rettung der arktischen Eiskappe, um die wetterbedingte Beeinträchtigung unserer Ernten zu verlangsamen.
Wir rufen außerdem besorgte Weltbürger auf, sich zu erheben und sich gegen die gegenwärtige Selbstgefälligkeit in ihren jeweiligen Kontexten zu organisieren, einschließlich der Verteidigung der Rechte indigener Völker, der Dekolonisierung und der ausgleichenden Gerechtigkeit – und sich so der globalen Bewegung anzuschließen, die jetzt gegen das Aussterben rebelliert (z.B. Extinction Rebellion in Großbritannien).
Wir müssen kollektiv gewaltfrei tun, was immer nötig ist, um Politiker und Wirtschaftsführer davon zu überzeugen, ihre Selbstgefälligkeit und Verleugnung aufzugeben. Ihr “business as usual” ist nicht länger eine Option.
Die Weltbürger werden sich dieses Versagen unserer planetarischen Pflicht nicht länger gefallen lassen. Jeder von uns, besonders in der materiell privilegierten Welt, muss sich verpflichten, die Notwendigkeit zu akzeptieren, leichter zu leben, viel weniger zu konsumieren und nicht nur die Menschenrechte, sondern auch unsere Verantwortung für den Planeten zu wahren.
So, dies soll es erstmal gewesen sein. Ich persönlich finde nicht, dass mir Hetze (etwas worüber sich z.B. Hr. Reitschuster häufiger beklagt) vorgeworfen werden kann. Ich habe sie alle sauber im Textzusammenhang zitiert und sogar versucht, mich in deren Lage zu versetzen. Motiviert ist der Beitrag vom oben stehenden Aufruf, in dem es u.a. heißt ” … Wir rufen außerdem besorgte Weltbürger auf, sich zu erheben und sich gegen die gegenwärtige Selbstgefälligkeit in ihren jeweiligen Kontexten zu organisieren, …”
“Schau’n wa mal!” Ach ja … und wie üblich: “Weiter machen!”
Ständig lese ich, dass sich Leute als Anti – Kapitalisten, Anti – Rassisten, Anti – Sexist usw. bezeichnen. OK! Damit weiß ich, wogegen sie sind. Auf der anderen Seite kommt es oftmals reflexartig zur Interpretation wofür diese Leute stehen. Wer gegen den Kapitalismus ist, muss ein Linker sein. Wer gegen Rassisten ist, kann selbst keiner sein? Anti – Sexisten*innen stehen jetzt wofür genau?
Vorausgesetzt ich weiß, wofür ich stehe, kann mich theoretisch niemand davon abhalten, eine eindeutige Stellung zu beziehen. Ich denke hier beginnen für viele die Probleme. Wie könnte die Alternative aussehen? Die Einfältigkeit der Opposition spricht für sich selbst. Als einzige fällt ihnen der Kommunismus, den etwas differenzierter Denkenden unter Umständen noch der Sozialismus, ein. Es gäbe zum Beispiel den Weg der Genossenschaften, in denen die Werktätigen am Gewinn, den Auswirkungen auf ihr direktes Umfeld, den Investitionen, beteiligt werden. Allgemein könnte man an der umfassenden Veränderung der Anforderungen nachdenken. Jeder der ein Produkt herstellen will, muss sich den Fragen einer fachlich kompetenten Kommission stellen. Wie generierst Du ökologisch vertretbar die notwendige Energie für Dein Produkt? Welche Abfallprodukte entstehen bei der Herstellung, wie können die neutral entsorgt werden und wie steht es mit der Entsorgung Deines fertigen Produkts, wenn es defekt ist oder sich jemand dessen entledigen will? Welche Überlegungen bestehen hinsichtlich einer festzulegenden ethischen Kompatibilität? Wofür kann das Produkt zweckentfremdet werden?
Wie häufig habe ich die Frage bereits gestellt? Ist eine/r, die/der aufgrund eigener Analysen oder dem Lesen fremder zum Ergebnis kommt, dass der bisher eingeschlagene Weg in die Katastrophe führt, ein LINKER? Steht dieses Synonym mittlerweile für Vernunft und Verständigkeit? Stehen konservativ, nationalistisch, rechtskonservativ und rechts für das sture Treten des Gaspedals, die ungebremste Fahrt in Richtung Abgrund?
Ich stelle fest, dass die derzeit bestehenden kapitalistischen Theorien, allen voran der Liberalismus und der Neoliberalismus in den Anfängen des 20. Jahrhunderts eine Konkretisierung erfuhren. Also zu einer Zeit, in der die Auswirkungen auf die Lebensräume und die Begrenztheit der Ressourcen gänzlich unbekannt waren. Prinzipiell der Unterschied zwischen einem jungen und einem alten Menschen. Der jüngere Mensch denkt, es wird sein gesamtes Leben immer weiter gehen, wie es ist, während der Ältere merkt, dass dies nicht der Fall ist. Wir, die Menschheit, haben die Erde in ein Burnout getrieben. Der Verbrauch übersteigt die Regeneration um ein Vielfaches. Davon konnten die alten Theoretiker nichts wissen, für den modernen Menschen kommt diese Ausflucht nicht infrage.
Ich stelle weiterhin fest, dass sich prinzipiell alle Weisen, Religionsstifter, Philosophen der 2000 Jahre vor der industriellen Revolution mit den Themen Gier, Profit, Wachstum, dem Missbrauch von Macht, der Überheblichkeit des menschlichen Großhirns über die Prinzipien der Natur, auseinandersetzten und warnend den Finger hoben. Geht es nach denen, die auf der anderen Seite ihrer Position ausschließlich LINKE sehen, waren Laotse, Konfuzius, der historische Buddha, Mose, Jesus, Sokrates und einige mehr, LINKE, oder womöglich Kommunisten, was natürlich blanker Unsinn ist. Vielleicht erleben wir schlicht ein gigantisches Babylon?
Sind diejenigen, welche überall LINKE sehen, der König Belšazar? Steht an der Wand schon seit geraumer Zeit: Mene mene tekel u-parsin? Wären dann die als LINKE gescholtenen Daniel, die die Nachricht zu deuten wissen?Nun, immerhin wurde Daniel für seine Deutung belohnt.
Wie auch immer, die Sache hat einen nicht unerheblichen psychologisch bedingten Haken. Es betrifft in der Regel nicht die Entscheider, sondern ihre Kinder und Enkel. Und den Jungen, die sich ins Fahrwasser der alten Starrköpfe hängen, ist nicht mehr zu helfen. Einer Generation später die Gräber auszuheben ist eine Sache, es für sich selbst zu tun, eine vollkommen andere.
Es wäre aber genauso verfehlt, einen Anti – Kommunisten, als Rechten zu bezeichnen. Für diese Leute gilt selbstverständlich die Logik ebenso. Jeder Anarchist oder Autonomer ist ein Anti – Kommunist. Doch immerhin sagen beide wenigstens, wofür sie stehen. Vielleicht können einfach gestrickte Konservative nicht aus ihrer Rolle heraus. Wahrscheinlich glauben nicht wenige von ihnen an den Anti – Christen. Jener, welcher absurderweise lediglich den Christen bekannt ist.
Wir sollten niemals vergessen, dem allerersten Radikalen über die Schulter zu schauen: all unseren Legenden nach, Mythologie und Geschichte (und wer weiß, wo Mythologie aufhört und Geschichte beginnt – oder was ist was), war der erste der Menschheit bekannte Radikale, welcher gegen das Establishment effektiv rebellierte, sodass er sein eigenes Reich bekam – Luzifer.
Im westlichen Verständnis wird der buddhistischen Figur Mara die Rolle des Teufels, der gefallene Engel Luzifer, zugeschrieben. Dabei ist Mara der Versucher, der die Menschheit vom richtigen Weg abbringen will, damit sie auf immer und ewig im Kreislauf des Leidens bleiben, somit in seinem Reich leben. Versuchung! Gier nach Besitz, immer mehr, Profit, Anhäufen von flüchtigen Dingen, die den Tod nicht überdauern. Wenn man so will, ist Mara die Personifizierung des Kapitalismus. Interessant, dass bei Konservativen, insofern sie den Kapitalismus favorisieren, die Genügsamkeit, das Auskommen mit dem Vorhandenen, mit einem Verzicht gleichgesetzt wird und im Zweifelsfall im Kommunismus endet. Ich würde gern mal von einer/m, die/der Anti – Kapitalisten ausschließlich als Kommunisten verstehen kann, wissen, ob für sie/ihn Benediktiner Mönche ebenfalls Kommunisten sind.
Vielleicht könnte dies Teil der Antwort sein, wofür man steht: Genügsamkeit, Demut gegenüber dem Lebensprinzip auf der Erde, Anerkennung der Lebensberechtigung aller Lebewesen, ohne sich selbst oder den Menschen mangels Legitimierung, über andere zu erheben. Praktisch ist dabei, dass diese Haltung alle anderen anfangs genannten Anti – Aussagen inkludiert.
Kapitalisten kontern Kritik gern mit dem Hinweis darauf, dass sie nicht auf etwas verzichten wollen. Verzicht! Was bedeutet dieses Wort konkret? Zunächst einmal muss etwas existieren, worauf ich verzichten kann. Mehr noch, ohne meinen Verzicht würde es in mein Eigentum übergehen. Aber warum sollte dies passieren? In der Regel, weil ich ein Anrecht darauf habe. Ich kann mir auch alles Mögliche einfach nehmen, schlicht, weil ich es kann. Doch dann wäre es ein Unterlassen und kein Verzicht. Bei Verzicht geht es um das eigene Versagen von etwas, worauf ich ohne diesen Akt einen Anspruch hätte. Hierbei kann ich jetzt unterschiedliche Perspektiven einnehmen. Ich kann meine Ansprüche davon ableiten, dass ich in einer bestimmten Stadt lebe. Nehme ich ein wenig mehr Abstand, würde ich es von meiner Staatsangehörigkeit abhängig machen. Mit noch mehr Distanz wäre ich bei meinen Ansprüchen als Europäer. Irgendwann käme ich an dem Punkt, wo ich mir die Frage nach der Berechtigung meiner Ansprüche als Lebewesen auf dem Planeten Erde stellen würde. Wie sehen die aus? Ich wurde geboren. Damit bin ich erst einmal existent, nichts und niemand kann mir verwehren, alles dran zu setzen, diesen Zustand aufrechtzuerhalten. Kein anderes Lebewesen hat das Recht, mir dies zu untersagen. Bei näherer Betrachtung würde ich feststellen, dass ein Übermaß an Forderungen, mich in meinem Anspruch selbst sabotiert. Demnach geht es unter Umständen gar nicht um den Verzicht auf etwas mir legitim Zustehendes. Es könnte darum gehen, nicht mehr zu fordern, als mir zusteht. Dies wäre ein Unterlassen! Wenn mir jemand sagt, das ich eine Handlung unterlassen soll, frage ich meistens nach: Warum? Bekomme ich eine nachvollziehbare plausible Antwort, entsteht bei mir eine Einsicht, die sich nahezu immer darauf bezieht, dass ich den Erfolg meiner Handlung nicht möchte. Wenn Du dieses oder jenes tust, wird Folgendes passieren! OK!
Fazit, ich fordere eine/n Kapitalistin/en nicht zum Verzicht auf, sondern ich fordere sie/ ihn auf, die Handlungen einzustellen, weil sie zu einem Erfolg führen werden, den keiner von uns will. Und da es nur eine Welt gibt, habe ich keine Chance, sie einfach machen zu lassen, denn unser Schicksal ist miteinander verbunden. Wir sind auf hoher See in einem Boot unterwegs und die nächste Insel können wir nur mit vereinten Kräften erreichen. Einer allein wird es nicht schaffen. Da ist es schlecht, wenn einer allein alle Wasservorräte aufbraucht, die anderen sterben und nur einer übrig bleibt, der am Ende auch verdurstet. Als Odysseus mit seiner Mannschaft auf der Insel der Herde des Gottes Helios landete, schlachteten sie entgegen der Warnungen der Zauberin Kirke einen großen Teil der Rinder. Ihr Argument: Besser satt auf dem Meer sterben, als den grausamen Tod des Verhungerns zu wählen und Helios würde dieses einsehen. Jedes Rind symbolisierte einen Tag und Helios drohte damit, fortan nur noch für die Toten in der Unterwelt die Sonne aufgehen zu lassen, woraufhin ihm Zeus grünes Licht für die Rache gab. Wenn wir nach Ithaka zurückwollen, sollten wir aufhören die Rinder zu schlachten. Das Verhungern ist nicht sicher, der Tod auf dem Meer durchaus.
Welchen legitimen Anspruch kann ich gegenüber den anderen Lebewesen anmelden, woraufhin ich gönnerhaft von einem Verzicht sprechen könnte? Weil ich mehr geleistet habe? Will ich mich wirklich mit der Leistung von Ameisen für den Fortbestand des Lebens auf diesem Planeten messen? Mit der von all den anderen Lebewesen? Da verliere ich. Wenn ich mir kein neues superaktuelles Smartphone kaufe, verzichte ich dann auf eins? Oder unterlasse ich es aus Überzeugung? Wenn ich beschließe meine im Kleiderschrank vorhandenen Sachen so lange wie irgendwie möglich zu tragen, verzichte ich dann darauf jeden Trend mitzumachen oder versuche ich mittels Unterlassen eines Neukaufs, das Quälen eines kleinen Jungen in Bangladesch zu mindern? Verzichte ich auf Luxus, oder unterlasse ich es, noch mehr Unheil anzurichten?
Was ist mit den Obdachlosen, den Flaschensammlern, den Rentern in Armut? Verzichten die auf etwas? Oder, und dies halte ich für die korrekte Formulierung, bekommen die etwas nicht, was ihnen zusteht? Wie kann dann jemand im gleichen Land, dessen Grundbedarf in Gänze erfüllt ist, von einem Verzicht auf etwas Legitimes ihm Zustehendes sprechen? Kann eine begründete Legitimität nicht erst dann konstituiert werden, wenn der Grundbedarf aller gedeckt ist?
Ich muss nicht nach Laos, in die Mongolei oder andere Länder fahren, um verstörende Bilder zu sehen. Wenn ich einkaufen gehe, komme ich derzeit nicht daran vorbei in ein beheiztes Einkaufszentrum zu gehen. Ein Konsumtempel, derzeit ein wenig von Corona ausgebremst. Trotz allem beheizt und beleuchtet. Überall in den Ecken stehen Frauen und Männer mit Plastiktüten, in denen zur Tarnung eine Kleinigkeit offen präsentiert wird. Sie können sich nicht setzen oder gar für einige Minuten auf die Bänke legen, dann würden sie vom Sicherheitspersonal herausgeworfen. Die Banken heizen und beleuchten die gesamte Nacht über die Räume, in denen die Geldautomaten stehen. Aber ab 22:00 Uhr werden sie geschlossen, damit sich dort kein/e Obdachlose/r zum Schlafen hinlegen kann. Ein Service für die zahlenden Kunden.
Kapitalismus bedeutet, dass es Menschen gibt, die auf Dinge verzichten können, die sich sie sich selbst zugestehen, während andere weniger als das Minimum haben. Und es werden immer mehr werden. In letzter Zeit stelle ich mir immer wieder eine Frage. In einem meiner Lieblingsbücher “Per Anhalter durch die Galaxis” wird auf einem fernen Planeten dem Super – Computer “Deep Thought” die Frage nach dem Sinn des Lebens gestellt. Nach tausenden Jahren versammeln sich die Erbauer und erwarten eine Antwort. “Deep Thought” antwortet: “42”. Auf weiteres Nachfragen hin, erklärt er, dass ein noch größerer Computer, Achtung Spoiler!, die Erde, die Antwort liefern wird. Ich stelle mir aus Gründen nicht die Frage nach dem Sinn. Aber ich finde es etwas erbärmlich, dass nach über 2000 Jahren des Nachdenkens, Buddha, Sokrates, Laotse, Konfuzius, Kant, Schopenhauer, Nietzsche, Kierkegaard, Sartre, und wie sie alle heißen, nicht mehr herausgekommen ist, als Kapitalismus. Noch erbärmlicher finde ich es, dass es Menschen gibt, die Zugang zu all dem Wissen haben, die nur einzige Antwort zum Thema haben: Anti – Kapitalisten sind Linke. Solche Typen sind für mich Menschen, die beim Anblick von “Deep Thought” die Frage stellen, ob sie auf ihm “Football Manager 2020” zum Laufen bekommen.
Nun gut, vielleicht ist alles ein Kampf gegen die Zeit. Wenn es gut läuft, vernichtet sich die Menschheit, bevor sie den letzten Überlebenden, die Chance einer weiteren Existenz nimmt. Dann wäre es taktisch klug, damit dieses Elend endlich ein Ende hat, Kapitalisten auch noch die letzte Tür aufzuhalten.
Irgendwie hätte dies Charme. Das Großhirn wäre dann am Ende doch noch intelligent gewesen und hätte die eigene Auslöschung, als einzig konsequente und richtige Lösung erkannt. Ein durchaus interessanter Gedanke.
Ach ja … ein letzter Hinweis noch. Der zum Beitrag ausgewählte Buddha hat eine Handstellung die auf seine Auseinandersetzung mit Mara hinweist. Mara fragte ihn, nachdem er alles nur Erdenkliche angeboten hatte, warum er denn zu den Menschen zurückkehren wolle. Es wäre doch vollkommen sinnlos, er, der Erleuchtete, würde sie niemals seinen Fängen der Versuchung entreißen. Gautama Siddhartha soll ihm gesagt haben, dass er die Hoffnung nicht aufgeben werde.
Es mag um die 25 Jahre her sein, da sah ich im Fernsehen eine Dokumentation der BBC über indische Schlangenbeschwörer. Der Reporter besuchte eine Familie, in der seit hunderten Jahren Kobras beschwört werden. Vor seinem Haus saß ein hagerer Inder mit Turban und im Mund hatte er vielleicht noch zwei oder drei Zähne. Hinter ihm standen große Körbe, in denen sich die Schlangen befanden. Zwischen ihnen spielten Kinder, von denen das älteste gerade mal etwas über sechs Jahre war.
Der Reporter fragte den Mann, ob den Schlangen die Giftzähne herausgebrochen worden seien oder ihnen das Maul zugenäht wurde. Wortlos griff der Mann aus einem der Körbe zwei Kaninchen und warf sie in einen mit einer Kobra. Sie biss zu und begann das Beutetier zu fressen. Danach griffen die Kinder in die Körbe und holten geschickt Schlangen heraus, die sie dem Kamerateam präsentierten. Ein wenig irritiert fragte der Reporter, ob der Mann keine Angst um seine Kinder hätte. Der schaute in deren Richtung und meinte: “Heute ist nicht der Tag der Kobra.”
Die Antwort befriedigte den Reporter nicht, deshalb fragte er: “Woran er denn den Tag der Kobra erkenne?” Seelenruhig antwortete der Schlangenbeschwörer: “Ich werde es wissen.”
Die Lebenseinstellung des Inders begleitet mich seit diesem Tag. Besonders während der Pandemie erinnere mich häufig. Der Mensch ist vermutlich die einzige Spezies auf der Erde, die zu einer Sorge fähig ist. Wir nehmen an, dass theoretisch in der Zukunft etwas passieren kann. Es ist nicht sicher, aber immerhin kann es dazu kommen. Dumm, wenn wir uns bis zum Lebensende um etwas Sorgen, was niemals eintrat. Wie viel unbeschwerter wäre das Leben gewesen? Mit der Schuld verhält es sich gleichermaßen. Kein anderes Tier kennt so etwas wie eine Schuld. Nur das Großhirn des Menschen konnte sie entwickeln. Das Gegenteil von sich nicht schuldig fühlen ist nicht die Verantwortungslosigkeit. Verantwortung bedeutet, dass ich im Rahmen meiner Möglichkeiten mein Handeln auf die möglichen Folgen prüfe. Kommt es dennoch zu einem Schadensereignis, wie auch immer es aussehen mag, fällt es unter die Kategorie Lebensereignisse, die schlicht geschehen, wenn man lebt und nicht ausschließlich funktioniert.
Schuld ist im Christentum entstanden. Es gibt ein unerreichbares Idealbild des Menschen und wer dem nicht entspricht, ist schuldig. Also alle Menschen! Jeden Tag entschuldigen sich in unserem Umfeld Menschen, fühlen sich schuldig, und sorgen sich je nach Ausrichtung um alles Erdenkliche. Eine ziemlich traurige Kultur. Unter der Voraussetzung des eigenverantwortlichen Handelns muss sich niemand schuldig fühlen, wenn sie oder er Träger des Virus wurde und eine/n anderen ansteckt. Das passiert und lässt sich nicht verhindern. Pandemien waren immer Begleiter der Evolution, daran werden wir nichts ändern. Man kann die Frage aufwerfen, ob Zoonosen eine Folge der Lebensart der Spezies Mensch sind. Glaubt man Wissenschaftlern, ist es an dem und wir werden weiterhin diesen Preis zahlen müssen, so wie andere Rechnung innerhalb der kommenden 30 Jahre präsentiert werden. Wenn jemand in diesem ganzen Spiel schuldhaft gehandelt hat, dann ist es die gesamte Menschheit der vergangenen 100 Jahre.
Ich sorge mich nicht. Wenn ich ihn mir einfange, werden wir miteinander ringen. Und sollte das kleine miese Biest gewinnen, gut, dann soll es so sein. Bisher habe ich nicht das Gefühl, dass es der Tag des Virus ist. Und wenn er es ist, werde ich es merken.
Das nächste Kapitel ist frei geschaltet. Diesmal geht es nach Ulan Bator, die Hauptstadt der Mongolei. Neben Impressionen, geht es darum was ein Traveller von einem Backpacker unterscheidet. Dann noch, wieso der Dalai Lama in der Stadt einen Thron hat, Wasserklosetts, Gangster und ein wenig Philosophie über Täuschungen. Bitte dran denken, wenn’s gefällt eine kleine Spende an eine Hilfsorganisation und es mir mitteilen, ich werde es dann auf der Spendenseite veröffentlichen. Zum Kapitel 4 – Ulan Bator –